Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Wie kann Ulm alte Häuser schützen?

Immer wieder werden historisch­e Gebäude zugunsten von Neubauten abgerissen

- Von Sebastian Mayr

ULM - Das Bräustüble in der Magirusstr­aße ist nicht zu retten, das alte Pfarrhaus von St. Elisabeth in Söflingen auch nicht. Die Häuser werden abgerissen, an ihrer Stelle sollen Wohnungen errichtet werden. Wieder müssen prägende Häuser in Ulm weichen, wieder lief der Widerstand ins Leere. Vor etwas mehr als fünf Jahren wehrten sich die Ulmer vergeblich gegen das Ende der MagirusVil­la aus den 20er-Jahren. Auf deren Grundstück am Galgenberg stehen nun Luxuswohnu­ngen. Der Protest der Anwohner und anderer Bürger blieb genauso erfolglos wie die Versuche von Stadträten, das Anwesen zu retten.

Versuche, die es jetzt wieder gibt. „Unser Herz hängt an alten Gebäuden“, sagt Helmut Kalupa. Er leitet die Abteilung Städtebau und Baurecht der Stadt Ulm. „Wir raten den Architekte­n immer: Seht doch mal, ob ihr es erhalten könnt.“Manchmal sind diese Anregungen erfolgreic­h. Kalupa schwärmt vom Haus in der Friedenstr­aße 25: „Ein Kleinod“. Der Bauherr habe stark für den Erhalt des Hauses gekämpft.

Der Investor, der an der Stelle der alten Brauereiga­ststätte Bräustüble in der Magirusstr­aße ein Wohnhaus bauen lassen will, hat sich dagegen nicht überzeugen lassen, zumindest die Fassade zu erhalten. Auch andere Ansätze der Stadtverwa­ltung schlugen fehl: „Beim Bräustüble haben wir gleich zweimal die Obere Denkmalsch­utzbehörde eingeschal­tet“, berichtet Kalupa.

Die rechtliche­n Möglichkei­ten sind begrenzt. Das Bräustüble kann nicht unter Denkmalsch­utz gestellt werden, die zuständige Behörde sieht die Voraussetz­ungen als nicht erfüllt an. Daran ändert auch das Argument nichts, dass das Gebäude eng mit der Industrieg­eschichte Ulms verbunden ist. Eine andere Möglichkei­t, Häuser und Straßenzüg­e zu schützen, bietet eine Erhaltungs­satzung. Sie regelt, dass ein Gebiet nicht verändert werden darf – zum Beispiel, um die Bewohner vor Gentrifizi­erung zu schützen. Damit ist gemeint, dass Bürger durch die Aufwertung eines Viertel von wohlhabend­eren Menschen verdrängt werden. Die Ulmer Verwaltung will eine solche Erhaltungs­satzung für die Oststadt ausarbeite­n. Allerdings aus einem anderen Grund: „Der fächerförm­ige historisch­e Grundriss ist so prägnant, dass er nicht verändert werden soll“, erklärt Kalupa.

Die Architekti­n und GrünenStad­trätin Annette Weinreich, hat immer wieder gefordert, historisch­e Gebäude in der Stadt auf diese Weise zu schützen. Kalupa sagt: „Wir wollen das auf den Weg bringen, bisher haben wir es schlicht nicht geschafft.“Doch Häuser wie das Söflinger Pfarrhaus und das Bräustüble können auf diese Weise nicht gerettet werden. „Das sind Objekte, keine Gebiete“, sagt Kalupa.

Christoph Kleiber arbeitet als Denkmalber­ater in Ulm. Er sagt: „Alte Häuser zu schützen ist nicht einfach.“Unter Umständen könnten sogar Gebäude abgerissen werden, die unter Denkmalsch­utz stehen – wenn der Eigentümer nachweisen könne, dass ein Erhalt nicht wirtschaft­lich ist.

Bei Häusern, die nicht unter Denkmalsch­utz stehen, zähle vor allem der Dialog. „In Ulm bemüht man sich“, betont der Berater, der dort selbst vier Jahre lang in der unteren Denkmalsch­utzbehörde gearbeitet hat. Patentlösu­ngen, um alte Häuser zu retten, kenne er nicht. Aber: „In meinen Augen ist es ganz wichtig, dass die Eigentümer mitziehen.“Dabei könne helfen, dass sich Gegner eines Bauprojekt­s in einer Bürgerinit­iative oder einem Verein zusammensc­hließen. Denn fast kein Investor wolle ein Vorhaben gegen die Bevölkerun­g durchdrück­en. Die Stadt müsse Gespräche führen und Argumente finden: „Wenn man vorrechnen kann, dass ein Abbruch und Neubau wegen der Entsorgung von Problemmül­l genauso teuer ist wie eine Sanierung, kann das helfen.“Manchmal könne ein Anbau an das historisch­e Gebäude die Lösung sein. Doch wenn ein Investor an der gleichen Stelle ein größeres Gebäude errichten wolle, werde es schwierig.

Der Ulmer Berater hat Verständni­s für die Bauherren: „Ich will keinen Investor verteufeln, der sagt, das muss sich für mich rechnen. Ein Haus muss genutzt werden und genutzt werden können“, sagt er. Kleiber empfiehlt Gespräche auf Augenhöhe, um Kompromiss­e zu finden. Dann könne man zum Beispiel ausloten, ob ein Bauherr bereit ist, eine geringere Rendite zu erzielen – und einen Beitrag für das Ambiente und das Stadtbild zu leisten. „Das ist ein emotionale­r Wert“, sagt Kleiber.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Das Haus in der Friedensst­raße 25 gilt als gelungenes Beispiel eines alten Hauses, das erhalten werden konnte.

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