Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Wie kann Ulm alte Häuser schützen?
Immer wieder werden historische Gebäude zugunsten von Neubauten abgerissen
ULM - Das Bräustüble in der Magirusstraße ist nicht zu retten, das alte Pfarrhaus von St. Elisabeth in Söflingen auch nicht. Die Häuser werden abgerissen, an ihrer Stelle sollen Wohnungen errichtet werden. Wieder müssen prägende Häuser in Ulm weichen, wieder lief der Widerstand ins Leere. Vor etwas mehr als fünf Jahren wehrten sich die Ulmer vergeblich gegen das Ende der MagirusVilla aus den 20er-Jahren. Auf deren Grundstück am Galgenberg stehen nun Luxuswohnungen. Der Protest der Anwohner und anderer Bürger blieb genauso erfolglos wie die Versuche von Stadträten, das Anwesen zu retten.
Versuche, die es jetzt wieder gibt. „Unser Herz hängt an alten Gebäuden“, sagt Helmut Kalupa. Er leitet die Abteilung Städtebau und Baurecht der Stadt Ulm. „Wir raten den Architekten immer: Seht doch mal, ob ihr es erhalten könnt.“Manchmal sind diese Anregungen erfolgreich. Kalupa schwärmt vom Haus in der Friedenstraße 25: „Ein Kleinod“. Der Bauherr habe stark für den Erhalt des Hauses gekämpft.
Der Investor, der an der Stelle der alten Brauereigaststätte Bräustüble in der Magirusstraße ein Wohnhaus bauen lassen will, hat sich dagegen nicht überzeugen lassen, zumindest die Fassade zu erhalten. Auch andere Ansätze der Stadtverwaltung schlugen fehl: „Beim Bräustüble haben wir gleich zweimal die Obere Denkmalschutzbehörde eingeschaltet“, berichtet Kalupa.
Die rechtlichen Möglichkeiten sind begrenzt. Das Bräustüble kann nicht unter Denkmalschutz gestellt werden, die zuständige Behörde sieht die Voraussetzungen als nicht erfüllt an. Daran ändert auch das Argument nichts, dass das Gebäude eng mit der Industriegeschichte Ulms verbunden ist. Eine andere Möglichkeit, Häuser und Straßenzüge zu schützen, bietet eine Erhaltungssatzung. Sie regelt, dass ein Gebiet nicht verändert werden darf – zum Beispiel, um die Bewohner vor Gentrifizierung zu schützen. Damit ist gemeint, dass Bürger durch die Aufwertung eines Viertel von wohlhabenderen Menschen verdrängt werden. Die Ulmer Verwaltung will eine solche Erhaltungssatzung für die Oststadt ausarbeiten. Allerdings aus einem anderen Grund: „Der fächerförmige historische Grundriss ist so prägnant, dass er nicht verändert werden soll“, erklärt Kalupa.
Die Architektin und GrünenStadträtin Annette Weinreich, hat immer wieder gefordert, historische Gebäude in der Stadt auf diese Weise zu schützen. Kalupa sagt: „Wir wollen das auf den Weg bringen, bisher haben wir es schlicht nicht geschafft.“Doch Häuser wie das Söflinger Pfarrhaus und das Bräustüble können auf diese Weise nicht gerettet werden. „Das sind Objekte, keine Gebiete“, sagt Kalupa.
Christoph Kleiber arbeitet als Denkmalberater in Ulm. Er sagt: „Alte Häuser zu schützen ist nicht einfach.“Unter Umständen könnten sogar Gebäude abgerissen werden, die unter Denkmalschutz stehen – wenn der Eigentümer nachweisen könne, dass ein Erhalt nicht wirtschaftlich ist.
Bei Häusern, die nicht unter Denkmalschutz stehen, zähle vor allem der Dialog. „In Ulm bemüht man sich“, betont der Berater, der dort selbst vier Jahre lang in der unteren Denkmalschutzbehörde gearbeitet hat. Patentlösungen, um alte Häuser zu retten, kenne er nicht. Aber: „In meinen Augen ist es ganz wichtig, dass die Eigentümer mitziehen.“Dabei könne helfen, dass sich Gegner eines Bauprojekts in einer Bürgerinitiative oder einem Verein zusammenschließen. Denn fast kein Investor wolle ein Vorhaben gegen die Bevölkerung durchdrücken. Die Stadt müsse Gespräche führen und Argumente finden: „Wenn man vorrechnen kann, dass ein Abbruch und Neubau wegen der Entsorgung von Problemmüll genauso teuer ist wie eine Sanierung, kann das helfen.“Manchmal könne ein Anbau an das historische Gebäude die Lösung sein. Doch wenn ein Investor an der gleichen Stelle ein größeres Gebäude errichten wolle, werde es schwierig.
Der Ulmer Berater hat Verständnis für die Bauherren: „Ich will keinen Investor verteufeln, der sagt, das muss sich für mich rechnen. Ein Haus muss genutzt werden und genutzt werden können“, sagt er. Kleiber empfiehlt Gespräche auf Augenhöhe, um Kompromisse zu finden. Dann könne man zum Beispiel ausloten, ob ein Bauherr bereit ist, eine geringere Rendite zu erzielen – und einen Beitrag für das Ambiente und das Stadtbild zu leisten. „Das ist ein emotionaler Wert“, sagt Kleiber.