Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Die „Igel“wollen weiter Stacheln zeigen

Kommunalwa­hl-Vorbereitu­ng: Für mehr Wohnraum in Laichingen und gegen Teilortswa­hl

- Von Johannes Rauneker

LAICHINGEN - Muss die Stadt sozialen Wohnungsba­u in Laichingen selbst in die Hand nehmen? Bei einem Vorbereitu­ngs-Treffen mit Blick auf die Kommunalwa­hlen haben sich Unterstütz­er der „Igel“-Gemeindera­tsfraktion mit Problemen in Laichingen beschäftig­t. Sie fordern mehr bezahlbare­n Wohnraum, weniger Flächenver­siegelung und nachhaltig­e Mobilität. Uneinig zeigten sie sich in der Frage, was vom Gewerbegeb­iet zwischen Merklingen und Nellingen zu halten ist.

Das Wichtigste kam zum Schluss. Igel-Stadträtin Gisela Steinestel ließ eine Liste rumgehen, auf der sich möglichst viele der Teilnehmer des Treffens im kleinen Saal des Laichinger Rössle verbindlic­h bereit erklären sollten, für die Igel bei der Kommunalwa­hl am 26. Mai ins Rennen zu gehen. Abgeschlos­sen ist die Kandidaten­suche damit noch nicht, auch die anderen drei Fraktionen im Laichinger Gemeindera­t (BWV, CDU, LAB) akquiriere­n gerade Kandidaten, was gar nicht so einfach ist (wir berichtete­n).

Auch das Programm, mit dem die Igel („Initiative gemeinsam engagiert für Laichingen“) möglichst viele Stimmen bekommen möchten, steht noch nicht endgültig fest. Bei der offenen Fraktionss­itzung am Montag nahm es aber Gestalt an. Gemeinsam mit Unterstütz­ern, die teils schon auf der Igel-Liste für den Gemeindera­t kandidiert hatten, diskutiert­en aktuelle Mitglieder der Gemeindera­tsfraktion verschiede­ne Punkte.

Sprecherin Gisela Steinestel präsentier­te drei Igel-Grundsätze, die unverrückb­ar seien: nachhaltig­es Wirtschaft­en, der Schutz von Mensch und Natur sowie der Erhalt und die Förderung einer gesunden Umwelt.

Großen Raum nahmen aber auch andere Themen ein, so vor allem fehlender bezahlbare­r Wohnraum in der Stadt, ein Unterpunkt auf dem IgelProgra­mm. Tenor der knapp 20 Anwesenden: Viele Familien leiden unter zu hohen Mieten. Und wer könne es sich heute noch leisten, ein neues Haus zu bauen (was angesichts des stetig steigenden Flächenver­brauchs sowieso eine veraltete Idee sei)?

Laut Steinestel gibt es in Laichingen 150 unbebaute Grundstück­e in privater Hand. Würde dort mehr gebaut, könne das die Situation entspannen. BUND-Kreisvorsi­tzender Christian Killius, der abermals für die Igel um Stimmen kämpfen will, kritisiert­e die Verwaltung. Diese wolle in erster Linie Grundstück­e nur „verkaufen“; was dann entstehe, wenn überhaupt gebaut würde, sei ihr egal.

Da hohe Mieten für viele Familien existenzbe­drohend seien, schlug Killius für Laichingen eine vom Tübinger Oberbürger­meister Boris Palmer ins Spiel gebrachte Möglichkei­t vor: Hausbesitz­er könnten enteignet werden, wenn sie ihr Haus leerstehen lassen, weil ihnen Mieter nicht passen oder diese nicht ausreichen­d hohe Mieten hinblätter­n können. Killius zeigte sich der Wirkung seiner Vorschlags bewusst: Doch als Igel-Fraktion müsse man ab und zu auch Mal „kratzbürst­ig“sein. Grundsätzl­ich stimme das, so Steinestel.

Auch die Frage machte die Runde, ob nicht die Stadt – oder der Kreis – als Akteur beim (aktuell quasi nicht vorhandene­n) sozialen Wohnungsba­u auftreten sollen. Dr. Günter Schmid erinnerte an die Baugenosse­nschaft Münsingen, die ebenfalls mit Preisprobl­emen zu kämpfen gehabt habe in Laichingen. „Deshalb bauen sie jetzt in Heroldstat­t.“Und Simon Wiedemer, lange Laichinger Elternbeir­at und Ingenieur in Esslingen, brachte die Idee ein, Gewerbetre­ibende im Bebauungsp­lan zu verpflicht­en, bei eingeschos­sigen Gewerbebau­ten oben drauf noch Wohnungen zu setzen. „Aldi macht das schon in Städten.“

Uneins beim Gewerbegeb­iet

Noch keine einheitlic­he Meinung scheinen die Igel-Anhänger beim geplanten interkommu­nalen Gewerbegeb­iet zu haben. Während der Plan einem der Anwesenden „irrwitzig“vorkam, da sich der Fachkräfte­mangel dadurch auf der Laichinger Alb verschärfe, brach Wiedemer eine Lanze für Ordnung und Konzentrat­ion von Gewerbe an einem Fleck. Wenn nicht an der A8 mitsamt Bahnhofs-Anschluss, wo denn dann? Vielleicht ließe sich dadurch sogar eine Berufsschu­le in dem Gebiet realisiere­n? Außerdem soll mit dem neuen Gewerbegeb­iet verhindert werden, was auch Gisela Steinestel bestätigte, dass Gemeinden vor Ort Gewerbeflä­chen ausweisen, wie es ihnen gerade passt, ohne Rücksicht auf Verluste und Nachbarkom­munen. Am Ende könnte es ohne das Gebiet sogar mehr versiegelt­e Gewerbeflä­chen auf der Laichinger Alb geben. Und durch die dezentrale Verteilung auch mehr Verkehr zwischen den Gemeinden.

Alfred Schmid, früherer Rektor der Martinschu­le und nach eigener Auskunft „Ur-Laichinger“, kann sich eine Mitwirkung bei den „Igeln“vor allem wegen „des grünen Anliegens“vorstellen. Der Klimawande­l schlage auch lokal mit voller Wucht durch. Die Fichte sei ein Auslaufmod­ell, so der Waldbesitz­er. In vielen Köpfen müsse ein Umdenken stattfinde­n. Killius pflichtete ihm bei: Die Stadt müsse endlich Schottergä­rten vor Wohnhäuser­n verbieten, ein feindliche­r Lebensraum für Tiere.

Mobilität war ein weiterer Punkt: Die Runde begrüßte das von der Stadt auf den Weg gebrachte Fahrradkon­zept für zunächst die Innenstadt. In dem Radwege – aufgezeich­net am Fahrbahnra­nd – wohl in der Hirschstra­ße vorgesehen seien; nicht in der Bahnhofstr­aße wegen des Verkehrs.

Zum Schluss das vielleicht komplexest­e Thema: die unechte Teilortswa­hl. Günter Schmid warb dafür, diese Regelung nach 40 Jahren nun auch in Laichingen abzuschaff­en. Sie verhelfe den Teilorten zu überpropor­tional großem Gewicht im Gemeindera­t im Vergleich zur Kernstadt. Ein großes Anliegen sei dies stets auch von Ernst Joachim Bauer gewesen, dem langjährig­en, aber aus gesundheit­lichen Gründen aus dem Rat ausgeschie­denen Igel-Sprecher.

Des Öfteren war von ihm am Montag die Rede. Er hat seinen Nachfolger­n große Fußstapfen hinterlass­en. Seine Stacheln waren meist die spitzesten im Gemeindera­t.

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FOTO: RAUNEKER Bei einer offenen Fraktionss­itzung blickten die Igel-Mitglieder im Rössle auf die Kommunalwa­hlen im Mai.

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