Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Mit Lockrufen und Kescher
Wenn Wellensittiche und Kanarienvögel entwischt sind, muss man Ruhe bewahren
BONN/WIESBADEN (dpa) - Über fünf Millionen Sittiche, Kanarienvögel, Prachtfinken und Papageien leben nach Angaben des Zentralverbands Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands (ZZF) in deutschen Haushalten. Besonders beliebt sind Wellensittiche und Kanarienvögel. Trotz aller Vorsicht passiert es immer wieder: Ein kurzer Moment der Achtlosigkeit, und der Vogel ist durch ein geöffnetes Fenster entwischt.
Um ihn dann wieder einzufangen, ist eine behutsame und umsichtige Vorgehensweise bei der Suche entscheidend. „Da sich das Tier in einer absoluten Ausnahmesituation befindet und enorm unter Stress steht, sollte unbedingt Ruhe bewahrt und lautes hysterisches Rufen vermieden werden“, sagt Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund.
Dennoch gilt es, schnell zu handeln: „Herrschen niedrige Temperaturen und viel Regen, kann der Vogel – wenn überhaupt – nur wenige Tage in freier Natur überleben.“Bei Minusgraden und geschlossener Schneedecke gelinge es ihm wahrscheinlich nicht einmal, die erste Nacht im Freien zu überstehen. „Im Sommer und Herbst stehen die Überlebenschancen noch am besten, da die Natur den Tieren genug Nahrung bietet.“Es sei aber möglich, dass die Vögel diese nicht erkennen, zum Beispiel, wenn sie ausschließlich Körnerfutter erhalten haben. Eine weitere Gefahr für entflogene Vögel seien Fressfeinde.
Was also tun, um den Vogel schnell wieder in sein sicheres Zuhause zu befördern? „Befindet sich der entflogene Vogel noch in der Nähe, kann man versuchen, ihn zu locken“, sagt dazu Norbert Holthenrich, ZZF-Präsident und Zoofachhändler. Manchmal klappe das am besten durch die Rufe des oder der Partnervögel. „Dafür stellt man die Voliere sofern möglich nach draußen oder zumindest an das geöffnete Fenster.“
Futter auslegen
Auch etwas Futter gut sichtbar zu platzieren, könne helfen. „Sitzt der Vogel dann am Futter oder auf der Voliere, eignet sich ein Kescher zum Fangen, weil man dafür nicht ganz so nah an das Tier heranmuss.“Das bedürfe einer ruhigen und schnellen Hand, damit das Tier nicht wieder wegfliegt. „Bei kleinen Keschern besteht zudem die Gefahr, den Ausreißer beim Überstülpen zu verletzen, insbesondere, wenn man im Umgang mit dem Gerät wenig Erfahrung hat.“Alternativ zum Kescher könne man auch versuchen, ein Handtuch über den Sittich oder Kanarienvogel zu werfen, um ihn wieder einzufangen.
Lässt sich das Tier nicht nah genug heranlocken und sitzt beispielsweise auf einem Baum oder einem anderen erhöhten Platz, helfe manchmal das Benetzen mit Wasser. „Obwohl hierbei auch die Gefahr besteht, dass das Tier durch den Schreck wegfliegt. Es gibt auch die Möglichkeit, dass er durch das nasse Gefieder einfach nur noch Richtung Boden segelt, da die Tiere dann in der Regel nicht mehr fliegen können.“Fängt man den Vogel auf diese Weise, sollte er anschließend schnell in die Wohnung gebracht werden. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass das Tier sich erkältet.
Befindet sich der Wellensittich nicht mehr in Sichtweite, sei es wichtig, bei der öffentlichen Suche möglichst viele Multiplikatoren einzubauen, meint Lea Schmitz. So könne man etwa in der Nachbarschaft Suchplakate verteilen. „Auch alle Tierärzte, Tierheime, Polizei und Feuerwehr im Umkreis von mindestens 30 Kilometern sollten informiert werden. Vermisste Tiere sollten außerdem beim Fundbüro offiziell als vermisst gemeldet werden.“Es empfehle sich auch, für den Fall der Fälle ein aktuelles Foto des Tieres parat zu haben.
Unterstützung bieten außerdem Suchdienste wie die ZZF-Ringstelle, der Tiersuchdienst Tasso oder das Haustierregister Findefix des Deutschen Tierschutzbundes. Über diese Dienste können auch gefundene Tiere gemeldet werden.
Dass ein Wellensittich von alleine wieder zurückkehrt, sei eher unwahrscheinlich, meint Simone Leisentritt vom Verein der Wellensittich-Freunde Deutschland (VWFD). „Wellensittiche führen in ihrer Heimat Australien ein Nomaden-Dasein. Das heißt, sie haben kein bestimmtes Revier oder Territorium und prägen sich daher auch keine bestimmten Landschaften ein.“Deshalb seien sie kaum in der Lage, überhaupt zu erkennen, aus welchem Fenster sie entflogen sind. „Es ist höchstens möglich, dass ein Wellensittich, der sich noch in Hörweite befindet, durch das Gezwitscher seines Schwarmes wieder angelockt wird und so alleine zurückkehrt.“
Damit ein Vogel gar nicht erst entfliegt, sollte man sicherstellen, dass die Voliere ausbruchssicher ist. „So müssen etwa die Gitterabstände – je nach Art und damit Größe des Vogels – eng genug sein, damit ein Tier nicht hindurchpasst“, erklärt Lea Schmitz. Volieren für Papageien eigneten sich etwa nicht für kleinere Ziervögel, weil die Gitterabstände zu groß sind. „Vogel-Badewannen oder ähnliches Zubehör sollten so befestigt sein, dass keine Lücken zwischen Gitter und Zubehör entstehen, durch die ein Vogel entkommen kann.“
Freiflug ermöglichen
Nur im Käfig sollten die Vögel aber nicht gehalten werden: Aus Tierschutzsicht sollte man Ziervögeln unbedingt mehrere Stunden am Tag Freiflug ermöglichen, sagt Lea Schmitz. „Wenn man keine große Außenvoliere hat, dann am besten in einem Vogelzimmer. Bei der Wohnungshaltung sollten Vögel aber immer nur im gesicherten Freiflug fliegen.“Das bedeutet, dass Fenster und Türen geschlossen sind und sich im Zimmer keine Gefahrenquellen wie zum Beispiel giftige Pflanzen oder spitze Gegenstände befinden.