Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
In der Hölle vom Paradies erzählen
Figurentheater und Schauspiel über den jüdischen Regisseur Kurt Gerron in Konstanz uraufgeführt
KONSTANZ - Bis 1933 war er ein gefeierter Star, der jüdische Schauspieler und Regisseur Kurt Gerron. Doch 1943 wurde er aus dem Exil in Amsterdam zuerst nach Westerbork und dann ins KZ Theresienstadt deportiert. Die Lagerleitung zwang ihn, einen Film über Theresienstadt zu drehen. Als der fertig war, wurden er und die meisten Mitwirkenden in Auschwitz ermordet. Das Theater Konstanz widmet Kurt Gerron ein Stück. Annette Gleichmann hat den Roman „Gerron“des Schweizer Schriftstellers Charles Lewinsky als Figurentheater und Schauspiel für drei Spieler auf der Werkstattbühne inszeniert.
Ein drehbarer Bretterverschlag ist für Gerron und seine Frau Olga Wohnung und Rückzugsort. Hier agieren die Spieler und die von ihnen geführten ausdrucksvollen Puppen von Ira Hausmann und Janna Skroblin.. Die Verfremdung durch das Doppelspiel erlaubt Anteilnahme und Reflexion. Zugleich kommt das Spiel mit Puppen dem Gedankenstrom des Romans entgegen: In Rückblenden kann Gerron sich selbst als Bub mit dem Großvater, mit Kameraden im Schützengraben oder als Schwerverwundeten im Lazarett sehen.
Wichtiger noch: Er kann mit sich selbst in Dialog treten. Ihn quält der Hunger, aber mehr noch der perfide Auftrag des Lagerkommandanten Karl Rahm: Für die Nazis soll er mit prominenten Insassen einen „Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet“drehen, einen verlogenen Propagandafilm über ein Theresienstadt mit Zuckerguss: „In der Hölle sitzen und vom Paradies erzählen“. Eine Ablehnung käme der sofortigen Deportation gleich, die Zusage kann die Beteiligten zumindest für die Dauer der Dreharbeiten davor bewahren. Dabei muss Gerron erkennen, dass ihn nicht nur dieser soziale Aspekt treibt, sondern auch seine Eitelkeit, als Regisseur vorne zu stehen.
Vorzüglich ist die schauspielerische Leistung: André Rohde als zerquälter Gerron, immer wieder aufgerichtet durch seine Frau Olga, der Magdalene Schaefer ebenso berührende Züge verleiht wie der verhuschten Sekretärin, die man Gerron zur Seite stellt. Ebenso wandlungsfähig ist Sebastian Fortak, ob als eiskalter SS-Mann Rahm oder als früherer Psychologieprofessor, der noch als Kloputzer Philosoph bleibt. Ebenso berührend führen die drei die wechselnden Puppenfiguren, die das Spiel erweitern. Eine eindreiviertelstündige Aufführung, die nachhallt.