Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Noch ein Weckruf für Europa

- Von Claudia Kling c.kling@schwaebisc­he.de

Während draußen auf der Brienner Straße in München wie in jedem Jahr friedensbe­wegte Menschen gegen die Sicherheit­skonferenz demonstrie­rten, waren auch die Besucher drinnen in höchster Sorge um den Weltfriede­n – und zwar wegen der Aussagen von US-Vizepräsid­ent Mike Pence zu Iran und den damit verbundene­n Forderunge­n an Europa. Von russischer Seite kam fast zeitgleich die Klage, dass sich Europa in eine „sinnlose Rivalität“mit Moskau habe hineinzieh­en lassen. Und der iranische Vertreter in München rügte die Europäer einen Tag später wegen ihrer angeblich zu laxen Bemühungen um den Fortbestan­d des Atomabkomm­ens.

Den Europäern wurde dabei klargemach­t: Ihre Gemeinscha­ft, in der es bekanntlic­h nicht nur um wirtschaft­liche Prosperitä­t, sondern auch um gemeinsame Werte gehen sollte, wird von den verschiede­nsten Lagern unter Druck gesetzt und kann dem keine einheitlic­he Position entgegense­tzen. Die Europäisch­e Union verharrt außenpolit­isch in einer Kleinstaat­erei, die in Anbetracht der verqueren internatio­nalen Konfliktli­nien schon nahezu fahrlässig wirkt.

Der Krieg in Syrien ist zur Sache von Russland, Iran und der Türkei geworden. Vor der Not in vielen Ländern Afrikas, die junge Menschen Richtung Norden treibt, verschließ­en die meisten europäisch­en Länder einfach so lange die Augen, bis die Migranten an der EU-Außengrenz­e stehen. Die Dominanz Chinas auf dem Weltmarkt versucht Europa in Erinnerung an die Zeit eigener großer Erfindunge­n auszusitze­n. Und dass US-Präsident Trump den Kontinent hinter dem großen Teich kaum noch wahrnimmt, wird als vorübergeh­ende Störung der transatlan­tischen Beziehunge­n verklärt.

Die europäisch­en Länder müssen endlich aufwachen. Sie müssen endlich einsehen, dass nur ein geeintes Europa die Herausford­erungen bewältigen kann, vor denen der Kontinent steht. Glückt dies nicht, droht Europa zerrieben zu werden in einer Welt der nationalen Egoismen, in der jeder nur bis zu seinem eigenen Tellerrand schaut.

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