Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Trump: Europa soll IS-Leute aufnehmen
Bei der Sicherheitskonferenz attackieren sich die USA und Iran – Merkel wird gefeiert
BRÜSSEL (dpa) - Die EU-Außenminister beraten heute über die Lage in Syrien. Dort steht der IS kurz vor einer Niederlage. In Brüssel dürfte es auch um US-Präsident Trump gehen. Trump fordert, dass auch Deutschland, Frankreich und Großbritannien gefangene IS-Kämpfer aufnehmen und verurteilen.
MÜNCHEN - „Unterstützer des Terrorismus“– „Pathologische Besessenheit“– „Befürworter eines weiteren Holocaust“– „Quelle für Destabilisierung in der Region“: Die Vehemenz, mit der US-Vizepräsident Mike Pence und der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif in München verbal aufeinander losgingen, machte selbst erfahrene Besucher der Sicherheitskonferenz ratlos. So offene Drohungen, auch an die Adresse der Europäer, hatte offensichtlich keiner erwartet. Immerhin: Es gab auch positive Überraschungen: Angela Merkel begeisterte die Zuhörer dermaßen, dass sie sich beim Applaus nicht auf den Sitzen halten konnten – ein Novum in der Geschichte der Sicherheitskonferenz. Die Kanzlerin hatte sich, ohne ihn zu nennen, gegen US-Präsident Donald Trump und für internationale Kooperation positioniert.
Der Tonfall wird noch schärfer
Als wäre die Ausgangslage für die Sicherheitskonferenz nicht schon schwer genug gewesen: Erst vor wenigen Wochen stiegen sowohl die USA als auch Russland aus dem INFVertrag aus, der atomare Mittelstreckenraketen verbietet. Dann der Streit um die Verteidigungsausgaben in der Nato – und eine Europäische Union, die an ihrer Westgrenze bröckelt. Nicht zu vergessen: die scheinbar immerwährenden Konflikte im Nahen Osten, die ungelöste Syrienfrage. Doch in München verschärfte sich der Tonfall zwischen den seit Langem verfeindeten Akteuren auf der weltpolitischen Bühne noch einmal deutlich.
Die iranische Republik sei die größte Bedrohung für Israel und den Weltfrieden, sagte US-Vizepräsident Pence. „Iran befürwortet einen weiteren Holocaust und will Israel von der Landkarte löschen.“Deshalb sei die Zeit gekommen, zu handeln. Von den europäischen Partnern Großbritannien, Frankreich und Deutschland forderte er, nicht länger USSanktionen gegen Iran zu unterlaufen und sich wie die USA aus dem Atomabkommen zurückzuziehen.
Die Antwort des iranischen Außenministers Sarif ließ einen Tag auf sich warten, fiel dafür aber deutlich aus. Er sprach von einer „Dämonisierung seines Landes“durch die USA, von einer „unrechtmäßigen, unilateralen Aufkündigung“des Atomabkommens mit Iran, von „hasserfüllten Anschuldigungen“. Die USA griffen rücksichtslos in einer Weltregion ein, die nicht die ihre sei. Und auch Sarif appellierte an die Europäer: Sie müssten ihren Absichtsbekundungen, das Abkommen mit Iran zu retten, Taten folgen lassen.
Merkel machte in ihrer kurzen Rede aber klar, dass sich Europa und Deutschland weder auf die eine noch auf die andere Seite ziehen lassen sollte. Es gehe darum, die weltpolitischen Strukturen, die sich aus dem Ende des Zweiten Weltkriegs ergeben hätten, zu reformieren, nicht zu zerschlagen, sagte die Kanzlerin. „Multilateralismus mag schwierig sein, aber nur so sind gemeinsame Win-win-Lösungen möglich.“Gerade für die Europäer sei es wichtig, mit Russland und Iran im Gespräch zu bleiben. Sie verwahrte sich gegen Forderungen der USA, aus Nord Stream 2 auszusteigen. Kappe man die Kontakte zu Russland, überlasse man die Zusammenarbeit mit Moskau China. „Wir wollen auch ein bisschen an den Handelsbeziehungen teilnehmen.“
Merkel verteidigt Nord Stream 2
Europas Abhängigkeit von russischem Gas habe nichts damit zu tun, ob die Pipeline gebaut werde oder nicht. Ein russisches Gasmolekül bleibe ein russisches Gasmolekül, „egal, ob es über die Ukraine kommt oder ob es über die Ostsee kommt“.
Viele hatten Merkel außenpolitisch abgeschriebenen, bevor sie, wie zuletzt vor zwei Jahren, zur Münchner Sicherheitskonferenz kam. Auch die Absage des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, mit dem sie vor Kurzem den Aachener Vertrag unterschrieben hatte, wurde als Zeichen der neuen Schwäche der Kanzlerin gewertet. Doch an diesem Samstagvormittag in München fragen sich einige, ob Macron seine Absage bereits bedauert hat.