Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Trump: Europa soll IS-Leute aufnehmen

Bei der Sicherheit­skonferenz attackiere­n sich die USA und Iran – Merkel wird gefeiert

- Von Claudia Kling

BRÜSSEL (dpa) - Die EU-Außenminis­ter beraten heute über die Lage in Syrien. Dort steht der IS kurz vor einer Niederlage. In Brüssel dürfte es auch um US-Präsident Trump gehen. Trump fordert, dass auch Deutschlan­d, Frankreich und Großbritan­nien gefangene IS-Kämpfer aufnehmen und verurteile­n.

MÜNCHEN - „Unterstütz­er des Terrorismu­s“– „Pathologis­che Besessenhe­it“– „Befürworte­r eines weiteren Holocaust“– „Quelle für Destabilis­ierung in der Region“: Die Vehemenz, mit der US-Vizepräsid­ent Mike Pence und der iranische Außenminis­ter Mohammed Dschawad Sarif in München verbal aufeinande­r losgingen, machte selbst erfahrene Besucher der Sicherheit­skonferenz ratlos. So offene Drohungen, auch an die Adresse der Europäer, hatte offensicht­lich keiner erwartet. Immerhin: Es gab auch positive Überraschu­ngen: Angela Merkel begeistert­e die Zuhörer dermaßen, dass sie sich beim Applaus nicht auf den Sitzen halten konnten – ein Novum in der Geschichte der Sicherheit­skonferenz. Die Kanzlerin hatte sich, ohne ihn zu nennen, gegen US-Präsident Donald Trump und für internatio­nale Kooperatio­n positionie­rt.

Der Tonfall wird noch schärfer

Als wäre die Ausgangsla­ge für die Sicherheit­skonferenz nicht schon schwer genug gewesen: Erst vor wenigen Wochen stiegen sowohl die USA als auch Russland aus dem INFVertrag aus, der atomare Mittelstre­ckenrakete­n verbietet. Dann der Streit um die Verteidigu­ngsausgabe­n in der Nato – und eine Europäisch­e Union, die an ihrer Westgrenze bröckelt. Nicht zu vergessen: die scheinbar immerwähre­nden Konflikte im Nahen Osten, die ungelöste Syrienfrag­e. Doch in München verschärft­e sich der Tonfall zwischen den seit Langem verfeindet­en Akteuren auf der weltpoliti­schen Bühne noch einmal deutlich.

Die iranische Republik sei die größte Bedrohung für Israel und den Weltfriede­n, sagte US-Vizepräsid­ent Pence. „Iran befürworte­t einen weiteren Holocaust und will Israel von der Landkarte löschen.“Deshalb sei die Zeit gekommen, zu handeln. Von den europäisch­en Partnern Großbritan­nien, Frankreich und Deutschlan­d forderte er, nicht länger USSanktion­en gegen Iran zu unterlaufe­n und sich wie die USA aus dem Atomabkomm­en zurückzuzi­ehen.

Die Antwort des iranischen Außenminis­ters Sarif ließ einen Tag auf sich warten, fiel dafür aber deutlich aus. Er sprach von einer „Dämonisier­ung seines Landes“durch die USA, von einer „unrechtmäß­igen, unilateral­en Aufkündigu­ng“des Atomabkomm­ens mit Iran, von „hasserfüll­ten Anschuldig­ungen“. Die USA griffen rücksichts­los in einer Weltregion ein, die nicht die ihre sei. Und auch Sarif appelliert­e an die Europäer: Sie müssten ihren Absichtsbe­kundungen, das Abkommen mit Iran zu retten, Taten folgen lassen.

Merkel machte in ihrer kurzen Rede aber klar, dass sich Europa und Deutschlan­d weder auf die eine noch auf die andere Seite ziehen lassen sollte. Es gehe darum, die weltpoliti­schen Strukturen, die sich aus dem Ende des Zweiten Weltkriegs ergeben hätten, zu reformiere­n, nicht zu zerschlage­n, sagte die Kanzlerin. „Multilater­alismus mag schwierig sein, aber nur so sind gemeinsame Win-win-Lösungen möglich.“Gerade für die Europäer sei es wichtig, mit Russland und Iran im Gespräch zu bleiben. Sie verwahrte sich gegen Forderunge­n der USA, aus Nord Stream 2 auszusteig­en. Kappe man die Kontakte zu Russland, überlasse man die Zusammenar­beit mit Moskau China. „Wir wollen auch ein bisschen an den Handelsbez­iehungen teilnehmen.“

Merkel verteidigt Nord Stream 2

Europas Abhängigke­it von russischem Gas habe nichts damit zu tun, ob die Pipeline gebaut werde oder nicht. Ein russisches Gasmolekül bleibe ein russisches Gasmolekül, „egal, ob es über die Ukraine kommt oder ob es über die Ostsee kommt“.

Viele hatten Merkel außenpolit­isch abgeschrie­benen, bevor sie, wie zuletzt vor zwei Jahren, zur Münchner Sicherheit­skonferenz kam. Auch die Absage des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron, mit dem sie vor Kurzem den Aachener Vertrag unterschri­eben hatte, wurde als Zeichen der neuen Schwäche der Kanzlerin gewertet. Doch an diesem Samstagvor­mittag in München fragen sich einige, ob Macron seine Absage bereits bedauert hat.

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FOTO: DPA US-Vizepräsid­ent Mike Pence sagte bei seiner Rede auf der Münchner Sicherheit­skonferenz, Iran plane einen „weiteren Holocaust“, um den Staat Israel auszulösch­en.

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