Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Der Kampf um die Mauer geht vor Gericht
Die ersten Klagen gegen die Grenzbarriere liegen vor – Was Trumps Notstandserklärung einzigartig macht
WASHINGTON - Es dauerte nur ein paar Stunden, bis sich der amerikanische Präsident mit der ersten Klage gegen den von ihm ausgerufenen Notstand konfrontiert sah. Alvarez gegen Trump heißt der Fall, mit dem sich ein Bundesgericht in Washington demnächst befassen muss. Nayda Alvarez, Besitzerin einer kleinen Parzelle in La Rosita, einer Siedlung am texanischen Ufer des Rio Grande, will verhindern, dass ihr Grundstück von einer Mauer zerteilt wird – oder einem Stahlzaun.
Wie das konkret aussehen würde, lässt sich in der Klageschrift nachlesen, verfasst von Public Citizen, einer Organisation, die einst vom Verbraucherschutz-Anwalt Ralph Nader gegründet wurde, um die Rechte von Verbrauchern durchzusetzen. 200 Fuß, rund 60 Meter, sind es nur von Alvarez‘ Haus bis zum Fluss. Da die Barriere, wie Trump sie bauen lassen möchte, nicht direkt am erosionsgefährdeten Flussufer stehen kann, kann sie nur in nächster Nähe des Hauses errichtet werden. Acht, vielleicht sogar zehn Meter hoch, wie es an bereits abgeschotteten Abschnitten der Grenze der Fall ist. Sie würde das Grundstück drastisch entwerten. Nayda Alvarez würde sich vorkommen wie in einem Hochsicherheitstrakt. Ein Teil ihrer Parzelle läge künftig im Niemandsland, der Blick auf den Fluss wäre ruiniert.
Schutzgebiet für Vögel in Gefahr
Neben der Lehrerin aus La Rosita sind es zwei weitere Parzellenbesitzer sowie eine texanische Zweigstelle der Audubon Society, der Vogelschutz-Gesellschaft, die Klage eingereicht haben. Letztere fürchtet um ein Schutzgebiet für Vögel in einem Korridor am Rio Grande, das HobbyOrnithologen aus dem ganzen Land anzieht. Auch Kalifornien wird gegen das Weiße Haus vor Gericht ziehen, wie der Gouverneur des Bundesstaats bereits angekündigt hat. „Das ist kein nationaler Notstand, das ist eine nationale Schande“, kommentiert Gavin Newsom das Mauerdekret.
Trump hat wiederum darauf verwiesen, dass seine Vorgänger im Amt seit 1976 – seit der Kongress per Gesetz definierte, welche Notstandsvollmachten der Staatschef hat – bereits 58 Mal von jenen Vollmachten Gebrauch gemacht haben. Tatsächlich gibt es in dieser Zeit keinen Präsidenten, der nicht mindestens einmal einen Notstand ausgerufen hätte, in aller Regel, um auf tatsächliche oder vermeintliche Gefahren aus dem Ausland zu reagieren.
Jimmy Carter machte 1979 den Anfang, als er Guthaben der iranischen Zentralbank einfrieren ließ, nachdem radikale Studenten die USBotschaft in Teheran gestürmt und Diplomaten als Geiseln genommen hatten. Ronald Reagan verbot per „National Emergency“den Handel mit Nicaragua, dessen sandinistische Regierung er zu stürzen versuchte. George Bush senior kappte die Bande zum Irak, nachdem Truppen Saddam Husseins im Nachbarland Kuweit einmarschiert waren. Bill Clinton stoppte den Import von Rohdiamanten aus Sierra Leone, mit dem Ziel, die wichtigste Geldquelle einer Rebellenarmee, die gegen die Regierung des westafrikanischen Landes kämpfte, auszutrocknen.
Nach den Terrorangriffen vom 11. September 2001 verfügte George W. Bush, dass die militärischen Einheiten der Nationalgarde, den einzelnen Bundesstaaten unterstellt, auch nach Übersee beordert werden können. Auf dieser Grundlage wurden sie bald darauf nach Afghanistan und in den Irak entsandt.
Trump rüttelt an der Verfassung
Barack Obama proklamierte den Notstand, um ohne Zeitverzug die Schweinegrippe möglichst effizient bekämpfen zu können. Später tat er es in der Absicht, die Finanzströme grenzübergreifend operierender Kartelle zu unterbrechen, darunter der Drogenschmuggler der mexikanischen
Los Zetas, der italienischen Camorra und der japanischen Yakuza. Die Anweisung ist noch heute in Kraft – so wie etwa die Hälfte aller per Notstand verfügten Restriktionen.
Donald Trump allerdings tut etwas, das sich noch keiner seiner Vorgänger im Amt getraut hat: Er greift zur Notstandskeule, um ein Projekt zu finanzieren, dessen Finanzierung das Parlament zuvor abgelehnt hatte. Haushaltsmittel gegen den Willen der Legislative zu erzwingen, das rüttelt an einem Eckpfeiler der amerikanischen Staatsarchitektur.