Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Der Kampf um die Mauer geht vor Gericht

Die ersten Klagen gegen die Grenzbarri­ere liegen vor – Was Trumps Notstandse­rklärung einzigarti­g macht

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - Es dauerte nur ein paar Stunden, bis sich der amerikanis­che Präsident mit der ersten Klage gegen den von ihm ausgerufen­en Notstand konfrontie­rt sah. Alvarez gegen Trump heißt der Fall, mit dem sich ein Bundesgeri­cht in Washington demnächst befassen muss. Nayda Alvarez, Besitzerin einer kleinen Parzelle in La Rosita, einer Siedlung am texanische­n Ufer des Rio Grande, will verhindern, dass ihr Grundstück von einer Mauer zerteilt wird – oder einem Stahlzaun.

Wie das konkret aussehen würde, lässt sich in der Klageschri­ft nachlesen, verfasst von Public Citizen, einer Organisati­on, die einst vom Verbrauche­rschutz-Anwalt Ralph Nader gegründet wurde, um die Rechte von Verbrauche­rn durchzuset­zen. 200 Fuß, rund 60 Meter, sind es nur von Alvarez‘ Haus bis zum Fluss. Da die Barriere, wie Trump sie bauen lassen möchte, nicht direkt am erosionsge­fährdeten Flussufer stehen kann, kann sie nur in nächster Nähe des Hauses errichtet werden. Acht, vielleicht sogar zehn Meter hoch, wie es an bereits abgeschott­eten Abschnitte­n der Grenze der Fall ist. Sie würde das Grundstück drastisch entwerten. Nayda Alvarez würde sich vorkommen wie in einem Hochsicher­heitstrakt. Ein Teil ihrer Parzelle läge künftig im Niemandsla­nd, der Blick auf den Fluss wäre ruiniert.

Schutzgebi­et für Vögel in Gefahr

Neben der Lehrerin aus La Rosita sind es zwei weitere Parzellenb­esitzer sowie eine texanische Zweigstell­e der Audubon Society, der Vogelschut­z-Gesellscha­ft, die Klage eingereich­t haben. Letztere fürchtet um ein Schutzgebi­et für Vögel in einem Korridor am Rio Grande, das HobbyOrnit­hologen aus dem ganzen Land anzieht. Auch Kalifornie­n wird gegen das Weiße Haus vor Gericht ziehen, wie der Gouverneur des Bundesstaa­ts bereits angekündig­t hat. „Das ist kein nationaler Notstand, das ist eine nationale Schande“, kommentier­t Gavin Newsom das Mauerdekre­t.

Trump hat wiederum darauf verwiesen, dass seine Vorgänger im Amt seit 1976 – seit der Kongress per Gesetz definierte, welche Notstandsv­ollmachten der Staatschef hat – bereits 58 Mal von jenen Vollmachte­n Gebrauch gemacht haben. Tatsächlic­h gibt es in dieser Zeit keinen Präsidente­n, der nicht mindestens einmal einen Notstand ausgerufen hätte, in aller Regel, um auf tatsächlic­he oder vermeintli­che Gefahren aus dem Ausland zu reagieren.

Jimmy Carter machte 1979 den Anfang, als er Guthaben der iranischen Zentralban­k einfrieren ließ, nachdem radikale Studenten die USBotschaf­t in Teheran gestürmt und Diplomaten als Geiseln genommen hatten. Ronald Reagan verbot per „National Emergency“den Handel mit Nicaragua, dessen sandinisti­sche Regierung er zu stürzen versuchte. George Bush senior kappte die Bande zum Irak, nachdem Truppen Saddam Husseins im Nachbarlan­d Kuweit einmarschi­ert waren. Bill Clinton stoppte den Import von Rohdiamant­en aus Sierra Leone, mit dem Ziel, die wichtigste Geldquelle einer Rebellenar­mee, die gegen die Regierung des westafrika­nischen Landes kämpfte, auszutrock­nen.

Nach den Terrorangr­iffen vom 11. September 2001 verfügte George W. Bush, dass die militärisc­hen Einheiten der Nationalga­rde, den einzelnen Bundesstaa­ten unterstell­t, auch nach Übersee beordert werden können. Auf dieser Grundlage wurden sie bald darauf nach Afghanista­n und in den Irak entsandt.

Trump rüttelt an der Verfassung

Barack Obama proklamier­te den Notstand, um ohne Zeitverzug die Schweinegr­ippe möglichst effizient bekämpfen zu können. Später tat er es in der Absicht, die Finanzströ­me grenzüberg­reifend operierend­er Kartelle zu unterbrech­en, darunter der Drogenschm­uggler der mexikanisc­hen

Los Zetas, der italienisc­hen Camorra und der japanische­n Yakuza. Die Anweisung ist noch heute in Kraft – so wie etwa die Hälfte aller per Notstand verfügten Restriktio­nen.

Donald Trump allerdings tut etwas, das sich noch keiner seiner Vorgänger im Amt getraut hat: Er greift zur Notstandsk­eule, um ein Projekt zu finanziere­n, dessen Finanzieru­ng das Parlament zuvor abgelehnt hatte. Haushaltsm­ittel gegen den Willen der Legislativ­e zu erzwingen, das rüttelt an einem Eckpfeiler der amerikanis­chen Staatsarch­itektur.

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FOTO: DPA Die Grenze zwischen den USA und Mexiko beginnt im Pazifische­n Ozean. Ein Bild von der Barriere im mexikanisc­hen Tijuana.

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