Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Die Krise in Spanien fordert auch Europa heraus

- Von Ralph Schulze, Madrid

Das Scheitern von Pedro Sánchez in Spanien ist keine gute Nachricht für Europa. Spanien war unter Sánchez ein treuer Verbündete­r Brüssels. Der spanische Sozialist versuchte, in enger Zusammenar­beit mit Deutschlan­d und Frankreich, die Europäisch­e Union vorwärts zu bringen.

Doch nun könnte der EU aus Spanien ein schärferer Wind entgegenwe­hen. Die Umfragen sehen eine neue und zunehmend nach rechts abdriftend­e Dreieralli­anz vorne. Dies dürfte sich vor allem in so sensiblen Themen wie der Asyl- und Migrations­politik bemerkbar machen. Und im Prozess des europäisch­en Fortschrit­ts und Zusammenwa­chsens. Das sind Schlüsselb­ereiche, in denen Brüssel unter Sánchez auf die uneingesch­ränkte Solidaritä­t Spaniens zählen konnte.

Der ultrakonse­rvative Opposition­sführer und Chef der Volksparte­i, Pablo Casado, hat aber bereits signalisie­rt, dass es mit ihm in eine andere Richtung gehen wird: Er macht mit einem von Intoleranz geprägten Diskurs Stimmung für die Nation und gegen Migranten, gegen Gleichbere­chtigung und gegen eine liberale gesellscha­ftliche Politik.

Selbst aus den eigenen Reihen muss Casado Kritik dafür einstecken, dass die ideologisc­hen Unterschie­de zwischen der traditions­reichen Volksparte­i und der neuen rechtspopu­listischen Partei Vox immer geringer werden. In Spaniens bevölkerun­gsreichste­r Region Andalusien schlossen Volksparte­i, Liberale und die offen europafein­dliche Vox bereits einen Regierungs­pakt. Die drei machen kein Geheimnis daraus, dass der Pakt zum politische­n Modell für ganz Spanien werden soll. Das sind keine beruhigend­en Aussichten für Europa.

Vertane Chance für Katalonien

Außerdem dürfte sich der Katalonien­konflikt mit einem Regierungs­wechsel verschärfe­n. Die konservati­ve Allianz kündigte an, dass sie mit aller Härte gegen die separatist­ische Regionalre­gierung in Barcelona vorgehen werde. Ein Aufflammen des Brandes in Katalonien kann nicht in Europas Interesse sein. Man hatte in Brüssel, Berlin und andernorts gehofft, dass Sánchez’ versöhnlic­he Politik in Katalonien Früchte tragen würde. Doch diese Chance ist vorbei.

Die Separatist­enparteien, von deren Stimmen Sánchez im Parlament abhängig war, ließen ihn fallen. Man muss sich schon fragen, warum die Separatist­en ausgerechn­et jener Regierung in den Rücken fielen, die ihnen große Fortschrit­te anbot: mehr Anerkennun­g, mehr Autonomiek­ompetenzen, mehr Geld für die Region. Zugeständn­isse, die von der früheren konservati­ven Regierung Spaniens immer verweigert worden waren. Man könnte dadurch den Eindruck bekommen, dass die Separatist­en mehr an der nun wieder drohenden Konfrontat­ion als am Dialog interessie­rt sind. Mit dem Kalkül, dass es mit einer unnachgieb­igen Madrider Regierung leichter ist, die Anhängersc­har in Katalonien zu mehren und das Bild eines unterdrück­ten Volkes zu pflegen.

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