Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Der kleine Prinz verzaubert das Podium
Liebevoll und artistisch: Ballettdirektor Rainer Feistel legt mit der Version des Märchens die erste rein für Ulm geschaffene Choreografie vor
ULM - Antoine de Saint-Exupérys Erzählung „Der kleine Prinz“ist vielleicht das bekannteste Kunstmärchen der Weltliteratur. Auch wenn es vielschichtiger zu verstehen sein dürfte, als manche Interpretation die Erzählung des Piloten und Autors mit ihren angedeuteten autobiografischen Bezügen deutet.
Für das zeitgenössische Ballett wird der 1943 erschienene Stoff erst seit einigen Jahren choreografiert. Ulms Ballettdirektor Reiner Feistel gelang im Podium des Theaters Ulm eine Choreografie, die das Premierenpublikum bezauberte und die durchaus auch für das Große Haus tauglich wäre. Es ist seine erste speziell für das Theater Ulm geschaffene Choreografie. In der hat Tänzerin Nora Paneva, die die dem Prinzen zugewandte geheimnisvolle Schlange faszinierend verkörpert, einen großartig artistischen Auftritt.
Ballettdirektor Feistel verbannt das Wort nicht komplett aus seiner Choreografie. Die berühmt gewordenen Sätze der Erzählung liest Schauspieler Fabian Gröver. Doch wo Worte eine Handlung nicht tragen dürfen, weil Körper und deren Bewegung sie emotional und sphärisch erzählen, ist es wichtig, die Charaktere präzise begreifbar zu machen. Das gelingt Feistels Ensemble, auch indem der Choreograf physische Merkmale seiner Tänzerinnen und Tänzer klug für die Besetzung der Rollen nutzte.
Nora Paneva, grazil und wendig, bewegt sich am Boden wie in der Luft schlangengleich. Maya Mayzel, neben Nora Paneva die ausdrucksstärkste Tänzerin, fasziniert als Fuchs in perfekter Harmonie mit dem kleinen Prinzen auch pantomimisch, nachdem sich beide Figuren vorsichtig und doch vertrauensvoll aneinander angenähert haben und Freunde geworden sind.
Alba Pérez González überzeugt in der Rolle der geliebten und beschützten, doch sehr selbstbewussten und auf sich selbst bezogenen Rose. Gaetan Chailly amüsiert das Publikum als marionettengleicher, auf Bewunderung versessener und in seine Weltsicht eingeschlossener König.
Lucien Zumofen vollbringt in der Titelrolle eine tänzerische Marathonleistung, ihm gelingt die Arglosigkeit des Prinzen so gut wie Edoardo Dalfolco Neviani die Verzweiflung des abgestürzten, dürstenden Fliegers in der Wüste. Einzig Yoh Ebihara und Gabriel Mathéo Bellucci agieren als Eitler und dessen von ihm narzisstisch bewundertes Spiegelbild nicht wirklich synchron, was etwas störend wirkt.
Wunderschöne und im Detail durchdachte Kostüme (Ausstattung: Stefan Wiel) machen die Choreografie liebenswert; eine gute Idee ist es auch, Schülerinnen und Schüler der Ballettschule am Theater in die Inszenierung einzubeziehen.
Sie bilden beispielsweise das Flugzeug, mit dem der Pilot über der Wüste abstürzt, und das Blumenfeld, an dem der kleine Prinz auf der Erde erkennt, dass es unzählige Rosen gibt, dass seine eigene Rose aber durch die mit ihr verbrachte Zeit einzigartig ist. Ältere Ballettelevinnen verkörpern graziös-dunkle Kraniche, die als Vögel des Glückes, der Weisheit und der Vorsicht gelten.