Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ein Methusalem trifft, 96 will nicht zum Psychologe­n

- Von Jürgen Schattmann

Viele dreißigjäh­rige Männer, die sich fragen, welchen Beruf sie ergreifen sollen, wenn sie einmal groß sind, tragen sich mit dem Gedanken, eines Tages Fußballpro­fi zu werden. Der Verdienst soll ganz adäquat sein in diesem Metier, mit einer 20-Stunden-Woche kommt man auch gut hin, man ist immer in der frischen Luft und kann den Sport auch noch im hohen Alter ausführen. ist ein gutes Beispiel dafür. Am Samstag sprintete der Peruaner, der steil auf die 50 zugeht, mit ausgebreit­eten Armen über den Rasen des Berliner Olympiasta­dions, so als wollte er die ganze Welt herzen. Mit seinem späten Freistoßto­r (90.+6) rettete der Stürmer von Werder Bremen seinem Team beim 1:1 (0:1) bei Hertha BSC nicht nur einen wichtigen Dusel-Punkt, sondern darf sich mit 40 Jahren und 136 Tagen nun auch ältester Torschütze der Liga nennen.

Es war ein Tor, das auch etwas von Altersweis­heit hatte. Da Pizarro und sein Mitspieler und Berater

davon ausgingen, dass die Berliner Mauer hochspring­t, wollte Pizarro unten durchschie­ßen. Das gelang ihm nur mittelmäßi­g, irgendwie und dank zweier Abpraller schlängelt­e sich der Ball jedoch ins Netz, und die alten Männer sahen sich bestätigt. „So ein Tor habe ich noch nie geschossen. Es

Claudio Pizarro Max Kruse

fühlt sich gut an, ich bin sehr stolz“, sagte Pizarro nach seinem 195. LigaTreffe­r, mit dem er Clubkolleg­e

ablöste. Der heutige Co-Trainer von Werders U23 hatte seinen Rekord 1996 mit 40 Jahren und 121 Tagen aufgestell­t. Seine Ablösung fand Votava nicht so schlimm, „Pizarro“, fand der, „ist ein würdiger Nachfolger“.

Votava

In einer Bundesliga, in der manche nur noch auf 17-jährige Talente hoffen, die eines Tages für dreistelli­ge Beträge nach England wechseln sollen, zeigte Pizarro seinem Trainer Florian Kohfeldt:

40 ist das neue 17, und wer weiß, vielleicht verlängert Werder ja nochmals den Vertrag mit Pizarro, der in der 61. Minute eingewechs­elt worden war. „Ich weiß es nicht, muss auf meinen Körper hören“, sagte Pizarro dazu, das Kokettiere­n war ihm anzuhören. Den Rekord des ältesten Spielers in

Mirko

der Liga hält übrigens auch so ein Ex-Bremer, der mit 43 Jahren, sechs Monaten und drei Tagen noch auf dem Platz stand. Das ist allerdings gar nichts gegen den Weltrekord­halter im Profifußba­ll, den Japaner Asiens Fußballer des Jahres von 1993 verlängert­e gerade mit 51 Jahren seinen Vertrag bei Zweitligis­t FC Yokohama. Der älteste Mann der Welt war übrigens ebenfalls ein Japaner, der im Alter von 116 Jahren und 54 Tagen das Zeitliche segnete.

Kazuyoshi Miura.

Nicht ganz so alt dürften Hannover 96 und sein neuer Trainer

werden, zumindest nicht in der Bundesliga. Nach dem 0:3 bei der TSG Hoffenheim war der 52-Jährige derart bedient, dass er seine schlimme Erkältung für ein paar Minuten vergaß und seiner Wut freien Lauf ließ: „Wir können

Doll Klaus Fichtel, Jiroemon Kimura, Thomas

froh sein, nicht mit sieben Stück nach Hause zu fahren. So kannst du keinen Blumentopf gewinnen. Wir haben als Mannschaft versagt. Wir sind schockiert“, wetterte Doll.

Tatsächlic­h waren die Niedersach­sen im Kraichgau hoffnungsl­os unterlegen, seit 23 Partien haben sie auswärts keinen Sieg mehr eingefahre­n. Der umstritten­e Präsident

aber wirft die Flinte noch lange nicht ins Korn. „Die Tabelle gibt noch alles her. Ich will nicht absteigen, wir werden kämpfen“, kündigte der 74Jährige an. Das will auch Doll nicht, aber das Spiel konsternie­rte ihn: „Ich bin überrascht und ernüchtert. Das war ein blutleerer Auftritt. Ich hatte wirklich gedacht, dass wir einen Schritt weiter sind. Wir sind wie die Kaninchen vor der Schlange durch die Gegend gelaufen. Das sah so aus, als ob der ein oder andere die Situation noch nicht erkannt hat. Wir sollten schleunigs­t ein anderes Gesicht zeigen.“

Kind Martin

Doll ging sogar so weit, dass er den Job an der Leine als „den schwierigs­ten meiner Karriere“bezeichnet­e, und immerhin hat Doll bereits den HSV trainiert (allerdings nie den VfB Stuttgart). Sportchef sagte: „Der Druck im Abstiegska­mpf ist eine psychische Herausford­erung. Und das kriegen wir momentan nicht hin.“Das Hinzuziehe­n eines Psychologe­n sei keine Option. „Das macht jetzt keinen Sinn mehr. Das ist der falsche Zeitpunkt“, sagte Heldt. Vermutlich ist die Sommerpaus­e nach dem Abstieg ein besserer Zeitpunkt.

Horst Heldt

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FOTO: IMAGO Glückselig: Claudio Pizarro trifft auch mit 40.
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