Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Besser als das Original
Melissa McCarthy spielt in „Can You Ever Forgive Me“die Journalistin und Fälscherin Lee Israel
Kannst Du mir jemals vergeben?“Das ist natürlich ein sehr melodramatischer Titel – und soll es auch sein. Denn Lee Israel (Melissa McCarthy), einst gefeierte Journalistin und Starbiografin, hat begriffen, welches dramatische Potenzial in handschriftlichen Zeugnissen berühmter Autoren steckt. Das nützt sie aus. Denn nach einem finanziellen Desaster durch eine gefloppte Biografie über die Kosmetikunternehmerin Estée Lauder ist die Journalistin pleite.
Nun ist sie mit der Miete in Verzug, die Agentin weigert sich, auch nur den kleinsten Vorschuss für ein neues Projekt zu geben, und dann wird auch noch die geliebte Katze krank. Um die Tierarztrechnung bezahlen zu können, verkauft sie einen originalen Brief der Schauspielerin Fanny Brice. Der Kaufpreis dafür ist moderat, schließlich sei der Inhalt doch eher langweilig. Banale Kommunikation ist also offenkundig kein Trend, der erst im Internetzeitalter aufgekommen ist. Dies bringt Israel auf eine Idee. Auch wenn sie selber ein gelinde gesagt sperriges Sozialverhalten an den Tag legt, kann sie sich ganz gut in andere Persönlichkeiten hineinversetzen. So beginnt sie mit der Erstellung gefälschter Briefe und achtet dabei stets auf die persönliche Note, die der schrulligen Gemeinschaft der Buchantiquare den Schweiß der Begierde auf die Stirn treibt. Die titelgebende dramatische Zeile etwa fügt sie einem Brief der Krimiautorin Dorothy Parker hinzu.
Die 2014 verstorbene Lee Israel hat ihre kriminelle Karriere in ihren Memoiren aufbereitet, auf denen auch der Film basiert. Für das beste adaptierte Drehbuch erhielt der Film eine Oscar-Nominierung. Allerdings nimmt sich Regisseurin Marielle Heller dabei einige Freiheiten – durchaus zum Vorteil. Die Änderungen beziehen sich vor allem auf die Figur von Israels Gefährten Jack Hock, der von Richard E. Grant faszinierend in Szene gesetzt wird. Ein Überlebenskämpfer der Straße mit strahlend blauen Augen, ein Alkoholiker wie Lee und wie diese auch dem eigenen Geschlecht zugetan. Dafür gab es eine weitere Oscar-Nominierung als Nebendarsteller.
Ambivalente Figuren
Nicht minder verdient wurde Melissa McCarthy zudem für die Hauptrolle nominiert. Die Komikerin hat in den letzten Jahren auch einiges an Schrott abgedreht, aber selbst in ihren misslungenen Filmen nie davor zurückgeschreckt, auch höchst ambivalente Figuren zu porträtieren. Das war offenkundig eine gute Schule für die Rolle der Lee Israel, denn McCarthy verkörpert diese einerseits als schroffunsympathische Zeitgenossin mit wenig Skrupeln bei ihrem kriminellen Vorgehen. Gleichzeitig lässt sie aber auch den Schutzpanzer spüren, den die Schriftstellerin sich über die Jahre zugelegt hat und bringt auch ihren sarkastischen Witz hervor. So zieht sie den Zuschauer doch noch auf ihre Seite und entwickelt mit Grant eine sehr stimmige Chemie zweier im Kern einsamer Seelen.
Schließlich lässt die Film-Israel wie ihr reales Vorbild spüren, dass sie durchaus stolz auf ihr FälscherHandwerk ist und dieses als Kunst versteht. In Bezug auf das titelgebende angebliche Zitat bringt sie diese Einstellung auf den Punkt: „Ich bin die bessere Dorothy Parker als Dorothy Parker!“