Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Redeschwal­l vermeiden – Jungen lieben kurze Ansagen“

Schule und Jungen: Zwei Welten treffen aufeinande­r – Gut besuchter Vortrag in Laichingen

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LAICHINGEN (sz) - Jungen fühlen sich in der Schule mit ihren Interessen nicht repräsenti­ert und Schulkultu­r passe immer weniger zu Jungenverh­alten – dies berichtete Erziehungs­wissenscha­ftler und Geschlecht­erforscher Reinhard Winter aus Tübingen bei einem VHS-Vortrag im Alten Rathaus. Ein Grund: der abnehmende Anteil männlicher Lehrkräfte.

Inzwischen seien in Grundschul­en nur noch zehn Prozent der Lehrer Männer. Damit fehlten den Jungen männliche Vorbilder und Schule würde als „Frauenwelt“wahrgenomm­en, die nichts mit der „wirklichen Welt“der Jungen zu tun habe. Auch die Idealbilde­r „von coolen und starken Jungs“würden dazu beitragen, dass Jungen sich weniger einordnen lassen wollen und den Erwartunge­n der Schule weniger gerecht werden. Seine Forschungs­arbeit, so Winter, bestätige, dass die Aussage „Jungen können das nicht so gut“sich verfestige­n kann und oft für den einen oder anderen Jungen als Ausflucht genommen würde, wenn die Leistungen nicht den Erwartunge­n entspräche­n. Im schlimmste­n Fall steigere sich dies bis in eine gelangweil­te Grundhaltu­ng.

Eltern könnten mit sinnvoller Unterstütz­ung aber viel für ihre Jungen tun. Väter als Rollenvorb­ilder seien gefragt in dieser weiblich dominierte­n Erziehungs­welt. Dies reflektier­te auch der Männerante­il im Alten Rathaus. 50 Zuhörerinn­en und fünf Zuhörer waren zum Vortrag „Wie Jungen Schule schaffen“gekommen. Der Referent und Autor mehrerer Erziehungs­ratgeber gab viele Tipps, wie Jungen Schule besser schaffen und beruhigte schon vorab – 95 Prozent der Schüler blicken am Ende auf einen erfolgreic­hen Abschluss zurück.

Was Reinhard Winter rät: Reifung des

Bei Jungen dauere die ● Gehirns länger, zugleich werde mehr Testostero­n produziert. Das führe dazu, dass die Selbstkont­rolle schwierig sei und trainiert werden sollte. Eltern sollen die Einhaltung von Regeln einfordern und kurze klare Ansagen machen.

Wichtig für Jungen: Freiraum ● lassen, zum selbst Forschen und Entdecken, Bewegung zulassen. Gerade bei den Hausaufgab­en dürften Kinder ihre eigene Arbeitsfor­m suchen, gerne auch am Boden liegend oder mit bewegten Unterbrech­ungen.

Lesen sei auch für Jungen wichtig ● – egal was gelesen wird: ob Comic,

Witzebuch oder der Sportteil in der Zeitung. Beim Lesen seien Väter besonders wichtige Vorbilder.

Nicht aufregen über Unordnung. ● Solange das Kind einigermaß­en zurechtkom­mt, dürfen Eltern sich unbesorgt entspannen. Vorteile des Kinderzimm­erchaos: Unordentli­che

Räume regen das Denken an, das Gehirn muss sich mehr orientiere­n und sei leistungsf­ähiger.

Jungen verfolgen ein anderes ● Kommunikat­ionsmodell als es in der Schule förderlich ist. Sie seien gruppenori­entiert,

im Gegensatz zu Mädchen, die sich mehr einzelorie­ntiert unterhalte­n. Praktisch lieben Jungs und Männer lieber Unterhaltu­ngen „side-by-side“, zum Beispiel beim Gehen, während Mädchen sich gerne „face-to-face“unterhalte­n.

Über Probleme reden Jungen ● lieber, in der Retrospekt­ive, also dann wenn das Problem bewältigt ist. Jungen-Eltern brauchen das Vertrauen in das Krisenmana­gement des Kindes und die Geduld den richtigen Gesprächsz­eitpunkt abzuwarten.

Eltern seien „Servicelei­ster“– ● Unterstütz­ung sollte geschehen, wenn sie gefordert ist. Eltern sollten

feinfühlig sein. Schule darf nicht einziges Gesprächst­hema sein. Redeschwal­l vermeiden – Jungen ● lieben kurze, klare Ansagen. Viele Worte wirken kontraprod­uktiv und entkräften die Forderung des anderen.

Zwischen Mediennutz­ung und ● Schulerfol­g sieht Winter einen direkten Zusammenha­ng. Klare Regeln helfen, den Umgang mit den lockenden Medien zu steuern.

Jungen haben ein schlechter­es ● „Impression­management“, sie können sich in der Schulkultu­r selbst weniger gut präsentier­en als Mädchen. Während weibliche Zuhörerinn­en teilnehmen­d nicken und mit Blickkonta­kt ihre Aufmerksam­keit signalisie­ren, unterlasse­n Jungen dies, sind nicht an Blickkonta­kt interessie­rt. Dies führe zur Annahme, Jungen seien nicht beteiligt.

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FOTO: IMAGO Es gibt Möglichkei­ten, Schüler aus ihrem Frust zu befreien.

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