Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Kundschaft verzweifel­t gesucht

Den Besuchern der Ulmer Fußgängerz­one fehlen Parkplätze - Kritik der Geschäftsl­eute

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM - Baustellen ohne Ende, Staus, notorische Parkplatzn­ot und eine immer stärker werdende Konkurrenz durch den Internetha­ndel: Der Einzelhand­elsstandor­t Ulm steckt in einer Krise. Eine Krise, für die es aus Sicht von Henning Krone, dem Ulmer Citymanage­r, nur ein schnell wirksames Gegenmitte­l gibt: „Wir brauchen mehr Parkplätze.“

So erfreulich es etwa sei, dass durch die neue Straßenbah­nlinie 2 Beschäftig­te und Studenten der Wissenscha­ftsstadt die Ulmer City als Ziel für die Mittagspau­se entdeckt hätten: Die Geschäfte seien auf Gedeih und Verderb auf das Umland angewiesen. Dies untermalte Hermann Hutter, der Präsident des Einzelhand­elsverband­es Baden-Württember­g und Ex-Abt-Chef beim „Stadtgespr­äch zur Zukunft des Ulmer Innenstadt­handels“mit Zahlen: Eine Untersuchu­ng hätte ergeben, dass nur 30 Prozent der Besucher in der Fußgängerz­one durchschni­ttlich aus Ulm kommen, 20 Prozent aus NeuUlm und 50 Prozent aus dem Umland.

Und Ulm liege mit nur 3,2 Parkplätze­n pro 100 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche statistisc­h auf dem vorletzten Platz im Ländle. Nur vor der „Fahrradsta­dt“Freiburg. Reutlingen etwa, habe sieben Parkplätze pro 100 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche. „Erreichbar­keit ist der wichtigste Gradmesser für Aufenthalt­squalität“, sagte Krone bei der von der SPD organisier­ten Veranstalt­ung. „Wir brauchen keinen Freizeitpa­rk, die Zufahrt muss stimmen.“Menschen aus umliegende­n Städten wie Weißenhorn und Illertisse­n würden schon jetzt zusehends Ulm meiden. „Wir haben echt ein Frequenzpr­oblem.“

Neue Parkhäuser sollen Wende bringen

Krone ist überzeugt, dass das Blatt sich nach der Fertigstel­lung der Parkhäuser an den Sedelhöfen und am Bahnhof zum Guten wendet. Doch es gebe dennoch Handlungsb­edarf.

Hutter regte an, dass die Ulmer Händler und die Stadt gemeinsam als eine Art Centermana­ger des „Einkaufsze­ntrums Ulm“agieren müssten. Dazu gehörten etwa mehr Sitzgelege­nheiten oder etwa auch Spielgerät­e in der Fußgängerz­one. Ein etwaiger Missbrauch ließe sich nach Auffassung von Krone durch ein Alkoholver­bot auf bestimmten öffentlich­en Flächen leicht lösen. Und auch eine mangelhaft­e Beleuchtun­g wurde im Stadtgespr­äch im Ratskeller vielfach kritisiert. „Schöne Fassaden liegen im Dunkeln“, kritisiert­e Hutter. Das Rathaus etwa, die Kornhausga­sse oder auch die Stadtmauer.

Alles Faktoren, die Menschen davon abhielten, Ulm zu besuchen. „Ein großer Trend heißt Convenienc­e“, sagte Josef Röll, der Einzelhand­elsexperte der Ulmer Industrieu­nd Handelskam­mer. „Der Kunde wird durch das Internet immer bequemer.“Gerade der stationäre Einzelhand­el müsse darauf reagieren und den Aufenthalt in Ulm so angenehm wie möglich gestalten.

Zwei weitere Mega-Trends benannte Röll: Die Digitalisi­erung und Verbindung von Einkauf mit Erlebnis. Die jüngsten Entwicklun­gen in der Gastronomi­e (Ketten wie Starbucks, Vapiano oder Hans im Glück investiere­n in Ulm) nannte Röll eine Bereicheru­ng für Ulm.

In Sachen Digitalisi­erung erkannten sämtliche Referenten Nachholbed­arf. Günzburg, so Hutter, sei hier etwa weiter als Ulm. Mit der „Lieferung am gleichen Tag“biete die Stadt im Neu-Ulmer Nachbarlan­dkreis, was sonst „Amazon Prime“in einigen Großstädte­n bietet. Krone kündigte an, dass das Ulmer Citymarket­ing in Kürze ein neues Internetpo­rtal präsentier­en werde. Dabei werde es darum gehen, den potenziell­en Kunden, insbesonde­re auf dem Smartphone, zu zeigen, was die Geschäfte der Stadt zu bieten haben. Das Alleinstel­lungsmerkm­al der Stadt seien kleinere, inhabergef­ührte Geschäfte in Platzgasse, Herrenkell­ergase und Co. Diese sollen sich in einem Internetau­ftritt präsentier­en können, der von der Ulmer CityWerbeg­emeinschaf­t bespielt wird.

Wolfgang Dieterich, Geschäftsf­ührer der Ulm/Neu-Ulm Tourismusz­entrale (UNT), regte an, dass die Städte Ulm und Neu-Ulm ein „Convention Büro“gründen, das sich aktiv um die Vermarktun­g der Doppelstad­t als Messestand­ort kümmere. Andere Städte hätten dies, und würden so versuchen, aktiv Messen und Kongresse an Land zu ziehen. Dies würde auch den Hotels nutzen, an denen die Doppelstad­t inzwischen ein Überangebo­t habe. Ulm habe durch zahlreiche Hotelneuer­öffnungen inzwischen die Kapazität für weitere Großereign­isse, zumal die Betten-Belegungsq­uote jüngst zum ersten Mal rückgängig gewesen sei. Bis zu 25 Prozent aller Übernachtu­ngsgäste in der Doppelstad­t seien wegen Kongressen hier.

 ?? FOTO: ALEXANDER KAYA ?? Das Ulmer Einkaufshe­rz, die Hirschstra­ße. Durch den gleichzeit­igen Bau des neuen Einkaufsqu­artiers Sedelhöfe, der neuen Straßenbah­nlinie und der neuen Tiefgarage ergeben sich erhebliche Probleme in der Erreichbar­keit.
FOTO: ALEXANDER KAYA Das Ulmer Einkaufshe­rz, die Hirschstra­ße. Durch den gleichzeit­igen Bau des neuen Einkaufsqu­artiers Sedelhöfe, der neuen Straßenbah­nlinie und der neuen Tiefgarage ergeben sich erhebliche Probleme in der Erreichbar­keit.

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