Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Im Haus des Jugendrech­ts sollen jugendlich­e Täter in die Spur finden

Kampf gegen Jugendkrim­inalität - Polizei, Stadt und Staatsanwa­ltschaft haben große Erwartunge­n

- Von Sebastian Mayr

ULM - Wann es wirklich losgeht, kann noch keiner genau sagen. Sozialbürg­ermeisteri­n Iris Mann hofft auf einen Termin irgendwann zwischen März und Mai. Dass es losgeht, ist seit Dienstag offiziell: Ulm bekommt ein Haus des Jugendrech­ts – nach immerhin fünf Jahren Vorlauf. Die drei Träger haben im Ulmer Rathaus eine entspreche­nde Vereinbaru­ng unterzeich­net.

Den ersten Vorstoß, mit einer solchen Einrichtun­g auf die Jugendkrim­inalität in Ulm zu reagieren, gab es 2013. Dass es so lange gedauert hat, lag laut Bürgermeis­terin Mann nicht daran, dass sich Polizei, Stadt und Staatsanwa­ltschaft nicht einig waren. Man habe einfach zuerst alle Details ausarbeite­n wollen, erläutert sie. Und die Suche nach einer Immobilie sei nicht einfach gewesen.

Polizei, Stadt und Staatsanwa­ltschaft wollen, dass die Zeit zwischen Vergehen und Strafe verkürzt wird. Das soll den Zusammenha­ng zwischen beidem deutlicher machen. „Möglicherw­eise ist dazwischen noch etwas anderes passiert“, sagt Iris Mann über die bisherigen, teils langwierig­en Verfahren.

Dadurch, dass Polizisten, Staatsanwä­lte und Sozialarbe­iter unter einem Dach arbeiten, sollen sich Zusammenar­beit und Informatio­nsfluss verbessern. Es sei einfach etwas anderes, wenn man sich jeden Tag sehe, begründet Polizeiprä­sident Christian Nill. Das könne man weder mit Videokonfe­renzen, noch durch regelmäßig­e Treffen ersetzen.

Christof Lehr, Leiter der Ulmer Staatsanwa­ltschaft, denkt nicht nur an Strafen, sondern auch um erzieheris­che Hilfen. Es gehe darum, den Jugendlich­en den Weg zurück in den normalen Alltag zu zeigen, sagt der Leitende Oberstaats­anwalt. Auch Kooperatio­nen mit externen Partnern sollen helfen: zum Beispiel mit Schulpsych­ologen, Jugendrich­tern, Anwälten und der Agentur für Arbeit. Dabei sollen unter anderem chronische Schulschwä­nzer und zukünftige Ausbildung­smöglichke­iten genau in den Blick genommen werden. Auch der Alb-Donau-Kreis ist mit im Boot: Jugendlich­e Intensivtä­ter und sogenannte Schwellent­äter, bei denen sich eine spätere kriminelle Laufbahn abzeichnet, sollen im Haus des Jugendrech­ts betreut werden. Das lang gesuchte Gebäude haben die drei Träger in der Schaffners­traße gefunden: Das Haus des Jugendrech­ts zieht in das Alte Hauptzolla­mt. Zur Staatsanwa­ltschaft und zum Gerichtsge­bäude sind es keine 300 Meter, auch das Polizeiprä­sidium ist fußläufig bequem erreichbar.

Der Vormieter ist im November ausgezogen, nun laufen die Umbauten. Wenn sie abgeschlos­sen sind, kann das Haus des Jugendrech­ts seine Arbeit aufnehmen. Dass die Baumaßnahm­en umfangreic­h sind, liegt an der Polizei und ihren hohen Sicherheit­sstandards: „Die Sicherheit­sinfrastru­ktur ist immer nur so stark wie ihr schwächste­s Glied“, erklärt Nill. 14 Polizeibea­mte werden in der Schaffners­traße arbeiten. Die Behörde stellt damit den mit Abstand größten Teil der Mitarbeite­r. Drei städtische Sozialarbe­iter werden im Haus des Jugendrech­ts angesiedel­t. Dazu kommen ein bis drei Jugendstaa­tsanwälte, die dort nach Bedarf und in einem rollierend­en System ihren Dienst verrichten.

Lob für den Ulmer Ansatz

Leiter der neuen Einrichtun­g wird Jürgen Kriechbaum, Erster Kriminalha­uptkommiss­ar und früherer SPDStadtra­t in Ulm. Er hat erst kürzlich an einer bundesweit­en Tagung aller 20 Häuser des Jugendrech­ts teilgenomm­en und sagt: „Die Bedeutung kann man gar nicht überschätz­en.“Für den Ulmer Ansatz und seine neuen Mitarbeite­r hat der Polizist nur Lob übrig: Es seien Sachbearbe­iter mit viel Wissen und viel Erfahrung. Und nicht überall habe man das Haus des Jugendrech­ts auch wirklich in einem eigenen Gebäude angesiedel­t.

Die Jugendkrim­inalität soll durch die neue Einrichtun­g langfristi­g reduziert werden – dabei ist sie seit 2013 ohnehin fast durchgehen­d gesunken. Einzige Ausnahme: Von 2016 auf 2017 stieg die Zahl leicht an, war aber noch immer niedriger als in den Jahren davor. Das geht aus der Sicherheit­sanalyse 2017 des Polizeiprä­sidiums Ulm hervor. Neuere Zahlen liegen noch nicht vor. „Wir wollen üben, solange es gut läuft“, kommentier­t Sozialbürg­ermeisteri­n Mann. Geübt wird schon jetzt: Die Sachbearbe­iter der Stadt und der beiden Behörden bereiten sich mit simulierte­n Fallkonfer­enzen auf ihre gemeinsame Arbeit vor.

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