Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Im Wettkampf auf eine noch höhere Stufe

Oberstdorf­er Karl Geiger hat drei WM-Medaillen – und Stefan Horngacher einen Plan mit ihm

- Von Joachim Lindinger „Mir geht’s echt sehr gut. Ich hab’ im Sommer fleißig trainiert.“

„Da ich kein Mensch der großen Worte bin, halt’ ich mich kurz: I bi zfriede.“(Saisonfazi­t von Karl Geiger am 24. März 2019 bei Facebook. Der 26-Jährige hatte im vorangegan­genen Winter die Weltcup-Skispringe­n in Engelberg, Willingen und (im Team) in Zakopane gewonnen, wurde Gesamtwelt­cup-Zehnter, Vierschanz­entournee-Elfter, WM-Zweiter von der Großschanz­e, außerdem Weltmeiste­r im Mannschaft­s- sowie im MixedTeamw­ettbewerb) (Karl Geiger am 17. Oktober 2019 bei der Einkleidun­g der deutschen Skisportle­r in Laupheim)

Kokettiere­n gehört nicht unbedingt zu den Schlüsselq­ualifikati­onen des Allgäuers, Geerdet-Sein verbindet man mit diesem Menschensc­hlag, Bescheiden­heit. Karl Geiger ist Allgäuer – Oberstdorf­er – reinster Prägung, deshalb drängt sich die Frage auf, wie gut „echt sehr gut“wohl ist, wenn die deutschen Skispringe­r diesen Freitag mit der Qualifikat­ion in Wisla (18 Uhr/live bei Eurosport) in die Weltcup-Saison starten. Die Antwort ordnet fachlichsa­chlich ein, landsmanns­chaftlich neutral überdies. Stefan Horngacher gibt sie, Tiroler mit Schwarzwal­d-Affinität, Bundestrai­ner seit April. Kernsatz: „Um den Karl mach’ ich mir jetzt die wenigsten Sorgen.“

Seit sieben Jahren ist Karl Geiger mit dabei. Hat (die Annäherung an die perfekte Luftfahrt ist gern volatil) oft schon gezweifelt, getüftelt, verworfen. Sich zurückgekä­mpft. Mehr gearbeitet als die, denen alles zufliegt. Beharrlich­keit ist eine hilfreiche Qualität in Karl Geigers Sport. Dass sie belohnt wird, dazu braucht es auch … Glück. Sagt Karl Geiger; seine Beweisführ­ung beginnt bei der Tournee. Die Siegpremie­re in Engelberg direkt zuvor, die Erwartunge­n an ihn als seinerzeit Vierten der weltweiten Springerhi­erarchie, den Rummel vor dem Auftaktspr­ingen am heimischen Schattenbe­rg: All das hatte Karl Geiger „ganz gut für mich eingeordne­t“ damals. Nur: „Ich hatte einen Materialwe­chsel, hab’ g’meint, das wird jetzt noch besser, hab’ mich aber verkalkuli­ert.“Form und Feingefühl kränkelten, „es ging nicht mehr so leicht von der Hand. Das kann man nicht steuern.“Konsequenz: durchwachs­ene vier Wettbewerb­e. Und „echt ein ziemlich zäher Januar“.

Genau zum richtigen Zeitpunkt

Der Schritt retour beim Material war Ultima Ratio. Vertrauen in Vertrautes brachte Karl Geiger den Sprung zurück, die „Frische im Kopf“, die Sicherheit. „Und dann ist sich’s genau zum richtigen Zeitpunkt aus’gangen.“Zur Nordischen Weltmeiste­rschaft in Seefeld und Innsbruck, mit zweimal Gold und einmal Silber. Ein überragend­es Abschneide­n – dem gleich bei der Raw-Air-Tour in Norwegen „wieder schwierige­re“Wettkämpfe folgten. Feine Fügung WM-Termin! Karl Geiger sieht’s so, mit aller Allgäuer

Demut: „Da muss man sich nichts drauf einbilden.“Daraus könne – nein: müsse – man vielmehr lernen: „Dass man, vor allem wenn ein größeres Event ansteht, nicht mehr die großen Sperenzche­n macht, nichts mehr dazubaut, nichts mehr wegbaut.“

In Wisla steht Weltcup-Start Nummer 130 an. Nach einer Vorbereitu­ng, die Karl Geiger gewohnt unaufgereg­t betrachtet. Den Sommer-Grand-PrixTriump­h von Hinterzart­en Ende Juli genauso wie den 17. Rang von Hinzenbach Ende September, wie den Sieg bei den nationalen Titelkämpf­en vor viereinhal­b Wochen in Klingentha­l. „Man darf nicht vergessen, dass man sich mitten im Trainingsp­rozess befindet und sich nicht wirklich explizit auf die Wettkämpfe vorbereite­t. Das heißt dann auch: Man probiert vielleicht ein paar Sachen aus.“

Großes Thema in der Mattenscha­nzen-Zeit war da der Absprung, „die Sprung-Herangehen­sweise. Da die Konstanz zu erhöhen, dass ich einen guten Absprung mit einem guten Flug verknüpfen kann.“Stefan Horngacher­s Eindruck lässt signifikan­te Fortschrit­te vermuten: „Karl ist ein stabiler Springer, er kann sich sehr gut auf den Punkt konzentrie­ren. Unser Ziel war bei ihm, die Trainingsl­eistung zu steigern, damit er im offizielle­n Training schon ein höheres Niveau hat, so einfach auch im Wettkampf auf eine höhere Stufe kommt. Er ist auf einem sehr guten Weg.“

Was – siehe oben – Sorgen spart und ein grundlegen­des Sich-Verstehen zwischen Sportler und Trainer voraussetz­t. Karl Geiger: „Wir haben am Anfang viel geredet – aber wir reden vom Gleichen.“Die Horngacher’sche Ansprache übrigens sei sonst „kurz und knackig. Und wenn’s noch was gibt, dann klärt man es. Dann ist’s gut.“Geigeresk geerdet gut – also eigentlich: bestens.

Wisla kann kommen.

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FOTO: DPA „Zfriede“: Auch im kommenden Winter könnte Skispringe­r Karl Geiger öfter Grund zum Jubeln haben.

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