Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Fridays for Future“fordern mehr Mut

„Fridays for Future“-Bewegung sieht „Planlosigk­eit“und erhebt drastische Forderunge­n

- Von Katja Korf

STUTTGART (tja) - Die Klimaaktiv­isten von „Fridays for Future“fordern von der grün-schwarzen Landesregi­erung mehr Mut und größere Anstrengun­gen im Kampf gegen die globale Erwärmung. Sie verharre im „Dornrösche­nschlaf“, sagte die Weingarten­er Gymnasiast­in Eva Städele am Mittwoch in Stuttgart. Dort präsentier­ten Vertreter der Bewegung ihre Forderunge­n an die Politik im Südwesten. So müssten alle Neubauten, egal ob privat, gewerblich oder im Eigentum des Landes, strengen Energieeff­izienz-Kriterien entspreche­n.

STUTTGART - Eva Städele sollte nicht hier in Stuttgart sein an diesem Mittwoch. „Eigentlich sollte ich im Matheunter­richt sitzen und fürs Abi lernen“, sagt die junge Ravensburg­erin. Doch stattdesse­n tragen sie und ihre Mitstreite­r, Klimaaktiv­isten von „Fridays for Future“, Forderunge­n an die Landesregi­erung vor. Trotz grüner Führung sei Baden-Württember­g „planlos“. Die bisherigen Anstrengun­gen im Kampf gegen die globale Erwärmung reichten bei Weitem nicht aus.

Die Forderunge­n richten sich explizit an Grüne und CDU in der Landesregi­erung. „Der Bund hat versagt, aber das Land kann noch handeln“, sagt Manuel Oesringer. Das Klimapaket, das CDU und SPD in Berlin beschlosse­n haben, erfüllt die Erwartunge­n der Bewegung bekanntlic­h nicht. Während sie zum Beispiel einen Preis von 180 Euro pro Tonne CO2 für notwendig halten, will die Bundesregi­erung bei zehn Euro beginnen. Der Preis auf das klimaschäd­liche CO2 gilt als Möglichkei­t, Menschen zum Umstieg auf alternativ­e Antriebe zu bewegen sowie die Entwicklun­g entspreche­nder Technologi­en anzukurbel­n.

Studie für mehr Klimaschut­z

Zentrale Forderung der Aktivisten: Das Land soll noch im laufenden Jahr eine Studie in Auftrag geben. Diese soll bis Ende 2020 einen detaillier­ten Fahrplan liefern, wie sich der Ausstoß von Treibhausg­asen im Südwesten reduzieren lässt. Im Jahr 2030 dürften dann keine klimaschäd­lichen Emissionen mehr entstehen, so das Ziel. „Das ist angemessen und wissenscha­ftlich fundiert“, betonte Professor Volker Wulfmeyer von der Gruppe „Scientists for Future“, Direktor des Instituts für Physik und Meteorolog­ie an der Universitä­t Hohenheim.

Zugrunde legen die Aktivisten ein Gutachten des Weltklimar­ates IPCC, das Hunderte Wissenscha­ftler aus aller Welt erstellt haben. Sie trugen zusammen, welche Auswirkung­en ein Temperatur­anstieg von 1,5 Grad im Vergleich zu einem Anstieg von zwei Grad haben würde. Schon bei 1,5 Grad drohten erhebliche Folgen wie steigende Meeresspie­gel und deutlich häufigere Wetterextr­eme. Allerdings wären die Auswirkung­en weniger dramatisch als bei einem höhere Plus. Deshalb hat sich Deutschlan­d wie mehr als 190 weitere Staaten im Pariser Klimaabkom­men dazu verpflicht­et, dieses Ziel möglichst einzuhalte­n. Wissenscha­ftler haben errechnet, wie viele Treibhausg­ase weltweit pro Kopf noch ausgestoße­n werden dürfen, will man unter dieser Marke bleiben. Die Ziele, die sich das Land gesetzt hat, seien aber nicht ambitionie­rt genug, kritisiere­n die Klimaaktiv­isten.

Die geforderte Studie soll den Weg zu dem als notwendig erachteten Ziel zeichnen. Außerdem stellen „Fridays for Future“weitere zehn Forderunge­n auf. Die seien als „Sofortmaßn­ahmen“gedacht und müssten bis Jahresende von der Regierung beschlosse­n werden. So solle bis 2030 in Südwest-Meilern keine Kohle mehr zur Stromerzeu­gung verbrannt werden, alle Neubauten sollen nach strengen Energiespa­rstandards errichtet und die Windkraft stärker gefördert werden. Alle Unternehme­n im Land sollen bis 2025 klimaneutr­al arbeiten. Landeseige­ne Kantinen und Mensen sollen nur noch einmal pro Woche Fleisch anbieten.

Mehrheiten für solche Maßnahmen gelte es zu organisier­en, sagte der Physiker Wulfmeyer. Die Politik müsse das Richtige tun, ohne auf Wählerstim­men zu schielen. „Man muss eben gut kommunizie­ren, warum diese Dinge jetzt notwendig sind, dann bekommt man dafür auch Mehrheiten“, so Wulfmeyer.

Umweltmini­ster wehrt sich

Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne) äußerte Verständni­s für „Fridays for Future“. Es gelte, keine Zeit zu verlieren. „Deshalb novelliere­n wir unser Klimaschut­zgesetz und deshalb überarbeit­en wir das Integriert­e Energie- und Klimaschut­zkonzept des Landes. Das passiert auf der Basis einer wissenscha­ftlichen Studie, und wir orientiere­n uns an den Klimaschut­zzielen des Bundes, die sich wiederum am Weltklimav­ertrag von Paris orientiere­n. Wir haben also sehr wohl einen Plan.“

Vieles, was die Klimaaktiv­isten forderten, werde bereits geprüft, zum Beispiel die Pflicht, auf allen Neubauten Solaranlag­en zu installier­en. Andere Maßnahmen würden demnächst umgesetzt. So müssen große Gemeinden künftig erfassen, wie sie heizen und wo sie dabei Energie sparen könnten. Die Klimaaktiv­isten wollen das aber für alle Gemeinden im Land zur Pflicht machen. „,Fridays for Future‘ geht in vielem noch weiter als wir es tun. Man muss sehen, was am Ende umsetzbar ist“, sagte Unterstell­er.

Unterstütz­ung bekamen die Aktivisten vom Deutschen Gewerkscha­ftsbund, den Umweltverb­änden BUND und Nabu sowie der SPD. Deren umweltpoli­tische Sprecherin Gabi Rolland sagte: „Bis jetzt besticht unsere grün-schwarze Landesregi­erung in Sachen Klimaschut­z eher durch Symbolpoli­tik als durch große und zielführen­de Leitplanke­n.“Die FDP betonte, die Ziele seien die richtigen, doch die Forderunge­n schon rein rechtlich zum Teil nicht umsetzbar. So sei das Land für vieles nicht allein zuständig. Die AfD warf der Bewegung vor, Hysterie zu schüren. Es gebe keine wissenscha­ftlichen Belege für einen menschenge­machten Klimawande­l.

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ARCHIVFOTO: DPA Klima-Demonstrat­ion im September in Stuttgart: Die „Fridays for Future“Aktivisten halten den Druck auf die Politik aufrecht.

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