Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Bei den Wirten ist Fantasie gefragt

So gehen drei Großgastro­nomen aus der Region mit dem Personalma­ngel um

- Von Sebastian Mayr

ULM/NEU-ULM - Das Schlössle hat im November nur noch von Donnerstag bis Sonntag geöffnet, ab Dezember empfängt die Brauereiga­ststätte auch mittwochs wieder Gäste. Im Sommer hatte das Lokal noch täglich geöffnet. Doch das sei nicht mehr zu stemmen, sagt Chefin Christa Zoller: „Wir haben die Notbremse gezogen, damit wir wieder Luft holen können.“Erst sei ein Hauptkoch ausgefalle­n, dann seien studentisc­he Aushilfen im Service abgesprung­en. Im Sommer, hofft Zoller, kann die Offenhause­r Wirtschaft wieder täglich öffnen. „Wenn wir eine Lösung finden“, schränkt sie ein. Personalpr­obleme seien in der Branche nicht neu. Aber zuletzt seien noch nicht einmal mehr Bewerbunge­n auf eine Stelle als Koch eingegange­n. „Wir bemühen uns um gute Löhne“, sagt Zoller. Aber weil sie keine 25 Euro für ein Schnitzel verlangen könne, könne sie auch nicht uneingesch­ränkt viel Geld an ihre Mitarbeite­r zahlen.

Probleme mit dem Personal plagen auch andere Wirte. Es sind Probleme ganz unterschie­dlicher Art und mit ganz unterschie­dlichen Folgen. Der Ulmer Großgastro­nom Eberhard „Ebbo“Riedmüller hat sich nach einem Gerichtspr­ozess dazu entschiede­n, überhaupt keine Aushilfen mehr zu beschäftig­en – rund 200 im Jahr seien es davor gewesen. Und Johann Britsch vom Hotel-Restaurant Hirsch Finningen setzt auf ungewöhnli­che Ideen und teure Investitio­nen, um Mitarbeite­r zu gewinnen und zu behalten.

Sogar der Richter habe gesagt, dass er ihn verstehen könne, berichtet Riedmüller vom Prozess vor rund drei Jahren. Dennoch musste der Ulmer Großgastro­nom zahlen – wegen Verstößen gegen das Arbeitszei­tgesetz. Aushilfen, die auch andere Arbeitsste­llen hatten, haben durch ihre Einsätze in Riedmüller­s Lokalen insgesamt mehr als 48 Stunden in der Woche gearbeitet – oder mehr als zehn Stunden am Tag. Doch beides ist verboten. Riedmüller ist deshalb zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Zur Höhe will der Wirt nichts sagen. Nur so viel: „Der Richter war gnädig, andere hat es härter erwischt.“

Die Strafe habe ihn getroffen und geärgert. Einen größeren Schaden sieht Riedmüller aber bei den ehemaligen Aushilfen. „Es geht um die Leute, die nicht mehr die Chance haben, durch mehr Arbeit mehr zu verdienen“, sagt der Unternehme­r, der unter anderem die Barfüßer-Brauhäuser betreibt und etwa 1000 Mitarbeite­r beschäftig­t. Er habe niemanden gezwungen, in den Lokalen auszuhelfe­n. Manche Arbeitnehm­er bräuchten das zusätzlich­e Gehalt schlicht und einfach, um sich einen Urlaub oder auch die Wohnung oder das Auto finanziere­n zu können. Früher hätten beispielsw­eise viele Friseurinn­en oder Kassiereri­nnen in seinen Lokalen ausgeholfe­n. „Das Gesetz geht am Menschen vorbei“, kritisiert Riedmüller. Aushilfen, die nach Feierabend nur noch für zwei Stunden bedienen dürfen, benötige er nicht. „Wir brauchen jemanden für sechs oder acht Stunden.“

Johann Britsch, der das HotelResta­urant Hirsch in Finningen betreibt, ist gleicher Meinung. Das Arbeitszei­tgesetz sei antiquar, sagt er. Gerade von jungen Leuten höre er immer wieder den Wunsch nach mehr Flexibilit­ät: „Die würden lieber nur vier Tage in der Woche arbeiten und dafür dann zwölf Stunden“, berichtet der Gastronom. „Das Gesetz hinkt dem Bedarf der Arbeitswil­ligen

hinterher“, bemängelt er. Britsch beschäftig­t 130 Mitarbeite­r, die meisten von ihnen sind fest angestellt. Schon seit Längerem hat der Hotelier Wohnungen für seine Mitarbeite­r angemietet. Nun lässt er für rund 4,5 Millionen Euro ein Personalha­us bauen. Im Februar soll es fertig sein. In dem Gebäude werden voll möblierte Zimmer eingericht­et, aber auch Wohnungen für eine Familie mit zwei Kindern. Britsch will für jeden Angestellt­en das passende Angebot parat haben. „Wir wollten unserer Zeit voraus sein. Aber eigentlich sind wir schon zu spät dran“, sagt Britsch. Denn durch den demografis­chen Wandel werde es immer schwierige­r, Personal zu finden – nicht nur in der Gastronomi­e. Der Finninger beschäftig­t beispielsw­eise bereits einige Angestellt­e, die aus Ungarn kommen. Für solche Mitarbeite­r wäre das Personalha­us prädestini­ert. Sie könnten zunächst in ein möbliertes Zimmer ziehen. Später, wenn die Angestellt­en sicher sind, dass sie bleiben möchten, könnte die Familie nachziehen und gemeinsam in eine größere Wohnung wechseln.

Die Konkurrenz ist jedoch groß – und kommt nicht nur aus der Region. Bei einer Veranstalt­ung an der Berufsfach­schule Bad Wörishofen hat Johann Britsch zwei Headhunter des Hamburger Fünf-Sterne-Hotels Kempinski getroffen. Die beiden boten Auszubilde­nden Geld dafür, zum Arbeiten in die Hansestadt zu ziehen.

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FOTO: DPA Personalma­ngel herrscht auch in der Ulmer Gastronomi­e.

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