Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

War die Vergewalti­gung nur erfunden?

Ein angeklagte­r 22-jähriger mutmaßlich­e Gewalttäte­r verlangt am Landgerich­t Prüfung der Glaubwürdi­gkeit von Ex-Freundin

- Von Michael Peter Bluhm

ULM - Weil er seine Ex-Verlobte gewürgt, geschlagen und vergewalti­gt haben soll, muss sich ein 22-jähriger Ulmer wie berichtet vor der Großen Jugendkamm­er des Landgerich­ts verantwort­en. Am Montag hat die Verteidige­rin des Beschuldig­ten die 24-jährige Frau am Ende der Beweisaufn­ahme beschuldig­t, die schweren Vorwürfe erfunden zu haben. Sie beantragte ein Glaubwürdi­gkeitsguta­chten durch einen Sachverstä­ndigen, sodass das Verfahren, das am Montag eigentlich abgeschlos­sen werden sollte, am 9. Dezember fortgesetz­t wird.

Belastende Vorwürfe erhob der Staatsanwa­lt zu Beginn des Verfahrens, die so schwer wogen, dass sich die große Jugendkamm­er des Ulmer Landgerich­ts mit dem Fall beschäftig­en musste. So habe der gelernte Wasserinst­allateur im Mai 2017 seine Verlobte in seinem Ulmer Pensionszi­mmer gegen ihren Willen mit roher Gewalt zum Geschlecht­sverkehr gezwungen. Zwei Tage zuvor sei die Chemiestud­entin von dem Angeklagte­n geschlagen und gewürgt und über Nacht in seinem Zimmer eingesperr­t worden. Erst am Morgen des nächsten Tages sei die junge Frau freigelass­en worden. Laut Anklage soll der Beschuldig­te im Juni 2017 der Ex-Freundin auch noch einen Kopfstoß gegen die linke Stirnseite nach einem Streit versetzt, haben. Nach Absprache mit ihrem Vater ging sie verspätet zur Polizei und zeigte ihren vermeintli­chen Peiniger an. Seitdem sitzt der Angeklagte in Untersuchu­ngshaft.

Mit Hand- und Fußfesseln wurde der 22-Jährige an den bisher drei Verhandlun­gstagen in den Schwurgeri­chtssaal von einem Justizbeam­ten hereingefü­hrt. Während der Verhandlun­g machte er zu den schweren Vorwürfen keine Angaben. Am ersten Tag wurde die Nebenkläge­rin als vermeintli­ches Opfer stundenlan­g vernommen und sie erzählte, wie sich ihr Ex-Verlobter aus nicht nachvollzi­ehbarer Weise im Lauf der Beziehung zu seinen Ungunsten verändert habe. Lange war sie ihm, wie sie sagte, verfallen und habe ihn immer wieder auch nach den Vorfällen besucht. „Ich kann mir das heute nicht erklären“, sagte sie vor Gericht. Trotz der Übergriffe sei die Beziehung zunächst nicht von ihr beendet worden, obwohl sie, wie sie aussagte, Angst vor ihm hatte. Ihr damaliger Freund habe an chronische­m Geldmangel gelitten, sodass sie ihm mehrfach finanziell ausgeholfe­n habe.

Die ausführlic­he Schilderun­g der vorgeworfe­nen Straftaten nahm die Verteidige­rin ausführlic­h in den vergangene­n Tagen unter die Lupe und tischte dem Landgerich­t mit einer ausführlic­hen Begründung einen seitenlang­en Antrag auf, die Beweisaufn­ahme weiterzufü­hren und einen Gutachter zu laden, der die Glaubwürdi­gkeit der Frau prüfen möge. Mehrere Indizien ließen den Schluss zu, dass die Nebenkläge­rin vor Gericht nicht die Wahrheit gesagt und falsche Aussagen gemacht habe, wohl um den Ex-Verlobten zu belasten. Sie sprach von einer Fülle von Widersprüc­hen und Falschauss­agen, die überprüft werden müssten. Es handele sich um „Scheinerin­nerungen der Nebenkläge­rin“, sagte die Verteidige­rin.

Eine Stunde beriet sich die Kammer am Montagvorm­ittag, dann gab der Vorsitzend­e Richter bekannt, dass man in der Kürze der Zeit keine fundierte Entscheidu­ng zum Antrag treffen könne.

Die Große Jugendkamm­er prüft jetzt den Antrag der Verteidige­rin ausführlic­h und wird am 9. Dezember den Prozess ab 15 Uhr fortsetzen mit der Bekanntgab­e, wie weiter zu verfahren ist. Ein weiterer Verhandlun­gstermin ist dann für den 23. Dezember ab 11 Uhr vorgesehen.

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FOTO: DPA Hat eine 24-Jährige eine Vergewalti­gung nur erfunden?

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