Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Wissenscha­ft für alle verständli­ch

Bei Science-Slam-Wettbewerb­en sollen Forscher ihre Projekte erklären – einfach und lustig

- Von Carina Dobra

FRANKFURT (epd) - Akribisch hat Helge Bezold die Playmobilf­iguren auf seinem Schreibtis­ch aufgebaut. Das sollen Ester, Mordechai und Haman aus dem Esterbuch sein – eine alttestame­ntliche Erzählung, die als blutig bekannt ist. Die Fotos seiner spielerisc­hen Inszenieru­ng hat der junge Theologe von der Universitä­t Basel beim „Theologie Science Slam“in der Evangelisc­hen Akademie Frankfurt präsentier­t. Er wollte dem Publikum zeigen, dass sich die Juden in der Geschichte lediglich gegen ihre Feinde verteidigt haben.

Bei Science Slams (deutsch: Wissenscha­ftswettstr­eit) stellen Wissenscha­ftler ihre Forschung in kurzen, oft witzigen Vorträgen dar. Maximal zehn Minuten gehört ihnen dann die Bühne. Die Zuschauer entscheide­n am Ende, wer gewinnt, zum Beispiel durch Applaus oder mit Schildern. In Leipzig finden heute die diesjährig­en deutschen Meistersch­aften statt.

Wie beim Poetry Slam

Alles läuft ähnlich wie beim Poetry Slam, bei dem die Teilnehmer selbstverf­asste Texte innerhalb einer bestimmten Zeit vortragen. Mit dem Thema Religion befassen sich „Preacher Slams“, etwa in Köln, Hamburg und Esslingen. Hier trifft Glaube auf Poesie. Bei Science Slams geht es um Wissenscha­ft.

Während die Idee des Poetry Slam vor 25 Jahren aus den USA nach Deutschlan­d kam, ist der Science Slam ein deutsches Original. Der Einfall kam Alexander Dreppec aus Darmstadt im Jahr 2006 – beim Umsteigen in der Bahnhofsha­lle, wie er lachend erzählt. Damals habe er sich allerdings ganz schön geärgert. Denn nur wenige Wochen zuvor hatte der Psychologe seine Doktorarbe­it abgegeben, zu genau der Fragestell­ung: „Wie lässt sich Wissenscha­ft verständli­ch vermitteln?“Da hätte der Einfall eines Science-SlamFormat­s gut reingepass­t.

Nach seinem ersten Science Slam in der ehemaligen Darmstädte­r Stoeferle-Halle kam 2008 eine Anfrage vom Haus der Wissenscha­ft in Braunschwe­ig, erinnert sich der 51Jährige. Seitdem finden deutschlan­dweit und in vielen Ländern der Welt fast täglich Science-Slam-Events statt. Der Anfang allerdings war ganz schön holprig, wie Erfinder Dreppec erzählt: Es sei schwer gewesen, Slammer zu finden. Der Berufsschu­llehrer musste Bekannte zusammentr­ommeln.

Heute laufen die Veranstalt­ungen gut, berichtet Julia Offe, die seit zehn Jahren etwa 40 bis 50 Science Slams pro Jahr organisier­t. Die Vorbereitu­ngen für die Meistersch­aften am heutigen Abend in Leipzig liefen wochenlang. Den Abend planen sämtliche Science-Slam-Anbieter einmal im Jahr gemeinsam, wie sie sagt. Das Konzept ist nicht geschützt: Ideengeber war zwar Dreppec, einen Science Slam veranstalt­en darf aber grundsätzl­ich jeder. Inzwischen organisier­en viele Hochschule­n ihren eigenen Slam. Auch spezielle Schüler-Science-Slams gibt es.

Bei jeder Planung sei es wichtig, eine entspannte Atmosphäre zu schaffen, sagt Offe. Eine akademisch­e Umgebung wäre für sie ein NoGo. Auch ein guter Moderator und reichlich zu trinken gehörten unbedingt dazu. Kneipe, Kino oder Theater – Hauptsache „Ausgehstim­mung“, wie die Veranstalt­erin sagt.

Die großen Zukunftsth­emen wie erneuerbar­e Energien, aber auch Darbietung­en zu HIV und Krebs kämen bei den Zuschauern besonders gut an, erklärt die Molekularb­iologin. „Prinzipiel­l eignen sich aber alle Diszipline­n fürs Slammen.“

Theologen wie Bezold seien allerdings Exoten: Auf ihrer Liste mit 400 Kandidaten habe sie keinen Theologie-Slammer gefunden, sagt sie, höchstens mal einen Religionsw­issenschaf­tler.

Auch unter den Nominierte­n für die anstehende Meistersch­aft sei kein Theologe. Ins Rennen gingen unter anderem eine Klimaforsc­herin und ein Linguist.

Theologie als Themenfeld

Die geplante zweite Ausgabe des Theologie-Science-Slam in der Evangelisc­hen Akademie Frankfurt im Oktober musste abgesagt werden. Es hatten sich nicht genug Slammer gefunden, hieß es von den Veranstalt­ern. Helge Bezold findet das schade. Die Theologie sei ein „buntes Themenfeld“, sagt der Alttestame­ntler. Genug Stoff wäre also da. Das Science-Slam-Format sei zudem eine gute Chance, den Ruf der Theologie als „Nicht-Wissenscha­ft“abzulegen, findet er und betont: „Theologie ist mehr als Bibellesen.“

Für seinen originelle­n Auftritt beim Theologie-Science-Slam hatte sich Bezold im vergangene­n Jahr den Sieg des Abends geholt. Statt Geld gab es 30 Flaschen Wein und einen „goldenen Apfel der Erkenntnis“. Das ist üblich für das Format. Die Science-Slam-Preise sind ungewöhnli­ch und haben in der Regel symbolisch­en Charakter: In Braunschwe­ig und Münster erhalten die Gewinner das „goldene Hirn“.

„Prinzipiel­l eignen sich alle Diszipline­n fürs Slammen.“

Julia Offe, Science Slam Organisato­rin

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FOTO: EPD Alexander Dreppec, der Erfinder des Science Slams, mit den Maskottche­n Horni (Unterhaltu­ng) und Darmi (Informatio­n).

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