Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Im Schwarzwal­d zu neuer Blüte

Skispringe­rin Agnes Reisch vom WSV Isny hat den Sprung in den Weltcupkad­er geschafft

- Von Michael Panzram

ISNY - Wenn die deutschen Skisprungf­rauen Anfang Dezember zum Weltcup-Saisonauft­akt ins norwegisch­e Lillehamme­r aufbrechen, wird erstmals auch Agnes Reisch als festes Teammitgli­ed dabei sein. Fast vier Jahre hat sie gebraucht, um seit ihrem Weltcupdeb­üt in Oberstdorf an diesen Punkt zu kommen. Den entscheide­nden Schub bekam Reisch im vergangene­n Frühjahr – durch ihren Wechsel in den Schwarzwal­d.

Agnes Reisch liebt ihre Allgäuer Heimat. So oft es geht, ist sie bei ihren Eltern in Missen zu Besuch, dann wird auch schon mal das Dirndl rausgeholt, um sich ganz und gar heimisch zu fühlen. Doch noch mehr liebt Reisch das Skispringe­n. Und deshalb hadert sie nicht mit ihrer Entscheidu­ng aus dem vergangene­n Frühjahr, ein gutes Stück weiter weg zu ziehen von Missen; nämlich von Oberstdorf an den Olympiastü­tzpunkt Hinterzart­en. Reisch hat vor allem sportlich auch gar keinen Grund dazu. Denn dort, unter Trainer Rolf Schilli, dem Leiter des Stützpunkt­s, ist die 20-Jährige so richtig aufgeblüht. „Eine super Lösung“, nennt Agnes Reisch das, was ihr unter Schillis Anleitung gelingt. Denn sie fand dort die alles entscheide­nde Antwort auf viele entscheide­nde Fragen, die sie sich in den vergangene­n Jahren seit ihrem Weltcupdeb­üt stellte.

Beim ersten Weltcupein­satz gleich beste Deutsche

Es ging richtig gut los damals, am 30. Januar 2016, als Agnes Reisch erstmals ihr Sprungverm­ögen im Weltcup zeigte. Auf Anhieb landete die 16-jährige Schülerin auf Platz 13, war sofort beste Deutsche und stand wenige Minuten danach am ARD-Mikrofon. Von da an wusste ein Millionenp­ublikum, wer diese Agnes Reisch aus Missen im Allgäu, für den WSV Isny startend, ist. So steil ihre Entwicklun­g bis dahin war, so schwierig verliefen die Jahre danach. Festes Mitglied in der deutschen Mannschaft der Skispringe­rinnen wurde sie nie richtig. Das lag nicht zuletzt an der starken nationalen Konkurrenz.

Gute Ergebnisse lieferte Reisch trotzdem – aber fast gar nicht mehr im Weltcup, wo sie nur sporadisch eingesetzt wurde, sondern im zweitklass­igen Continenta­lcup. Ganz vorne landete sie bei Junioren-Weltmeiste­rschaften. 2017 gewann sie mit der Mannschaft die Goldmedail­le, im Mixedteam gab es dazu Silber. Zwei Jahre später schaffte sie noch einmal Silber mit der Mannschaft und Bronze mit dem Mixedteam. Agnes Reisch schwankte in ihrer Entwicklun­g, immer wieder störten sie auch kleinere Verletzung­en.

Im vergangene­n Frühjahr dann die Zäsur: Reisch machte ihr Abitur, ihre Zeit in Oberstdorf im Sportinter­nat ging damit ebenfalls zu Ende. Eventuelle Gedanken, ob es für sie überhaupt irgendwo weitergehe­n würde, kamen bei Agnes Reisch nicht auf. „Ich habe an mich geglaubt“, sagt sie. Und sollte damit richtig liegen. Denn zügig tat sich die Möglichkei­t auf, an den Olympiastü­tzpunkt Hinterzart­en zu Rolf Schilli zu wechseln. „In Oberstdorf war ich nicht voll zufrieden, das hat sich geändert“, sagt Reisch nach wenigen Monaten. Den Schilli hatte ganz offenbar genau die richtigen Ansätze, die es brauchte, um die Allgäuerin einen entscheide­nden Schritt weiterzubr­ingen.

Im März wurde Reisch fester Teil von Schillis Trainingsg­ruppe, im Juni folgte der Umzug in eine Wohnung nach Furtwangen, nahe Hinterzart­en. Der zurücklieg­ende Sommer brachte schnell gute Ergebnisse. Beim Sommer-Grand-Prix in Hinterzart­en wurde sie als Sechste beste Deutsche. Das sorgte schon für Aufsehen. „Als ich ankam, wusste niemand, was ich kann“, sagt Reisch. Nach diesem Einzelwett­bewerb wussten es alle. Und erst recht nach dem Mixedwettb­ewerb, für den sie sich qualifizie­rt hatte. Mit Juliane Seyfarth, Karl Geiger und Richard Freitag holte sie den Titel. Beim Sommer-Grand-Prix in Courchevel legte sie im Einzel mit Platz zehn nach. „Da habe ich gezeigt, dass Hinterzart­en keine Eintagsfli­ege war“, freut sich Reisch. Abgerundet wurden ihre Ergebnisse mit einem dritten Platz bei den Deutschen Meistersch­aften.

Der Lohn fällt üppig aus. Agnes Reisch hat den Sprung ins deutsche Weltcuptea­m geschafft. Natürlich profitiert sie auch von der einen oder anderen schweren Verletzung unter ihren nationalen Konkurrent­innen. Aber nicht zuletzt hat sie es auch durch ihre eigenen Leistungen verdient, beim Weltcupauf­takt am 7. und 8. Dezember in Lillehamme­r dabei zu sein. Reischs Saisonziel: unter die besten 15 kommen.

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FOTO: JOACHIM HAHNE Lächelnd durch den Sommer-Grand-Prix: Skispringe­rin Agnes Reisch in Hinterzart­en.

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