Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Wiesental statt Betzenberg

Wie Linksverte­idiger Filip Rettig über den FV Ravensburg doch noch den Sprung in den Profifußba­ll schaffen will

- Von Martin Deck

RAVENSBURG - Manchmal ist Fußball ganz einfach: Ein schneller Antritt, ein kurzer Haken, schon ist Filip Rettig ist ausgespiel­t – und der Ball im Tor. Beim Treffer zum 3:1 des SV Sandhausen II gegen den FV Ravensburg sieht der Linksverte­idiger nicht wirklich gut aus. Dabei hatte sich der Neuzugang für sein erstes Heimspiel im Trikot der Ravensburg­er einiges vorgenomme­n – und war nach der 1:4-Niederlage gegen den Tabellenle­tzten der Oberliga dementspre­chend enttäuscht. „Natürlich hätte ich mir das heute anders gewünscht“, sagte der 21-Jährige nach Schlusspfi­ff.

So sehr die Niederlage, die den FV Ravensburg von Platz eins auf fünf zurückwarf, schmerzte, so sehr passte sie ins bisherige Fußballerl­eben von Filip Rettig: mit hohen Erwartunge­n gestartet, mit einer Enttäuschu­ng gelandet. „Fußball ist ein komischer Sport“, sagt der Ravensburg­er Neuzugang. Denn der Linksverte­idiger gilt als hoch veranlagt, durchlief die Jugendabte­ilungen des VfB Stuttgart, RB Leipzig und des 1. FC Nürnberg, für die er über 70-mal in den U17- und U19-Bundeslige­n zum Einsatz kam. Doch der Durchbruch ist ihm bislang nicht gelungen. Weder in einem seiner drei Ausbildung­svereine noch bei Eintracht Braunschwe­ig, wo er als 19-Jähriger unter Trainer Torsten Lieberknec­ht bereits mit der Zweitligam­annschaft trainierte, noch bei 1899 Hoffenheim, wo er in der vergangene­n Saison mit der zweiten Mannschaft in der Regionalli­ga spielte und im Sommer seinen Vertrag auflöste. „Ich hatte schon viel Pech in meiner Karriere“, sagt Rettig und meint damit auch eine Episode aus diesem Sommer: „Ich war kurz vor der Unterschri­ft in Kaiserslau­tern“, erzählt der Linksfuß. „Doch dann kamen einige Dinge zusammen und es hat leider doch nicht geklappt.“Statt für Rettig entschiede­n sich die Roten Teufel für den drittligae­rfahrenen Philipp Hercher. Und auch bei den Würzburger Kickers, bei denen er ebenfalls im Probetrain­ing vorspielte, fiel die Entscheidu­ng gegen ihn.

Vertrag bis zum Saisonende

Jetzt also Ravensburg. Wiesental statt Betzenberg. Oberliga statt dritte Liga. Ein Rückschrit­t, für den sich der 21-Jährige bewusst entschiede­n hat. „Ich will vor allem wieder Spaß am Fußball haben.“Nachdem er seit Sommer vereinslos war, musste sich Rettig alleine fit halten und hatte seit Juni nicht mehr in einer Mannschaft gespielt. „Das habe ich sehr vermisst.“Zwar habe es auch mehrere

Gespräche mit Regionalli­gisten gegeben, „so wirklich hat mich aber keiner überzeugt“. Erst als FV-Trainer Steffen Wohlfarth auf ihn zukam, merkte Rettig, dass es für ihn passen könnte. „Ich kenne seinen Berater noch von früher“, berichtet Wohlfarth, der als Profi unter anderem für Ingolstadt und Wiesbaden spielte. „Wir hatten ein langes, gutes Gespräch und ich bin froh, dass sich ein Spieler mit so einer guten Ausbildung für uns entschiede­n hat.“

Seit drei Wochen trainiert Rettig nun mit den Ravensburg­ern. Wohlfarth schätzt den neuen Mann als „Kämpfer mit extremer Ballsicher­heit“. Doch eine Stammplatz­garantie gebe es deshalb noch lange nicht. Vielmehr gehe es jetzt darum, den

Linksverte­idiger „ohne Druck“wieder an den Spielbetri­eb zu gewöhnen und den jungen Spieler, der bislang vor allem in Nachwuchst­eams von Profimanns­chaften aktiv war, an den Fußball im Erwachsene­n- und vor allem im Amateurber­eich zu gewöhnen. „Hier hat er ja noch kaum Erfahrung“, sagt Wohlfarth. Vorerst bis zum Saisonende ist der Vertrag befristet. „Ich glaube, dass er den Weg mit uns auch gerne länger gehen wird“, so der Trainer. Rettig selbst meint: „Die Vertragsla­ufzeit ist erst mal egal. Ich will einfach wieder Spaß haben.“

Nach Jahren wieder bei der Familie

Bei seinem Entschluss für den FV spielte auch die Nähe zur Familie eine große Rolle. In Frankfurt geboren, ist Rettig in Überlingen am Bodensee aufgewachs­en. Mittlerwei­le wohnen seine Eltern in Bregenz und der Sohn ist nach vielen Stationen in FußballJug­endinterna­ten wieder zu Hause eingezogen. „Ich war zehn Jahre außer Haus. Da fühlt sich das ungewohnt, aber auch gut an“, sagt der 21Jährige, der neben der deutschen auch die schwedisch­e Staatsbürg­erschaft besitzt und zweimal in der schwedisch­en U16-Nationalma­nnschaft zum Einsatz kam. „Es macht einfach keinen Sinn, 800 Kilometer von der Familie entfernt zu spielen.“Hier in Bregenz findet er auch die nötige Ruhe für sein Fernstudiu­m zum Sportbetri­ebswirt. Schließlic­h will Filip Rettig eine Alternativ­e haben, sollte es als Profifußba­ller nicht mehr klappen.

Ganz abgehakt hat er seinen Traum aber noch nicht. „Ich hatte mein ganzes Leben das Ziel, Fußballer zu werden. Und ich werde es weiter versuchen.“Damit sein Traum doch noch Wirklichke­it wird, sollte er in Zukunft aber solche Zweikämpfe wie am Samstag gegen Sandhausen am besten nicht mehr verlieren.

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? In der vergangene­n Saison spielte Filip Rettig (rechts) noch für Hoffenheim II in der Regionalli­ga, nun soll er die Verteidigu­ng des FV Ravensburg verstärken.
FOTO: IMAGO IMAGES In der vergangene­n Saison spielte Filip Rettig (rechts) noch für Hoffenheim II in der Regionalli­ga, nun soll er die Verteidigu­ng des FV Ravensburg verstärken.

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