Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Stresstest für die Stadionallianz
Weniger Polizisten beim Derby VfB-KSC dank Kooperation – Löw ruft zum Frieden auf
STUTTGART (dpa) - Als der Karlsruher SC zuletzt in der Mercedes-Benz Arena gegen den VfB Stuttgart spielte, flogen unter anderem Leuchtraketen auf den Rasen. Die Partie stand kurz vor dem Abbruch. Am Sonntag (13.30 Uhr/Sky) kommt es zweieinhalb Jahre danach wieder zum Zweitliga-Duell der Fußball-Rivalen aus Baden-Württemberg – und die Konsequenzen sind sichtbar. Es gibt nur alkoholfreies Bier im Stadion, neben den KSC-Fans bleiben Blöcke als Puffer leer. Die Zahl der Polizisten aber wird deutlich niedriger sein als im April 2017.
Wie das geht? Mit einem bundesweit einzigartigen Sicherheitskonzept. Die sogenannten Stadionallianzen stoßen inzwischen auf großes Interesse. „Die anderen Bundesländer wollen natürlich insbesondere bei Hochrisikospielen wie zwischen dem VfB und dem KSC sehen, wie das Konzept bei uns funktioniert“, sagt Uwe Stahlmann aus dem Innenministerium Baden-Württemberg. „Der Erfolg des Konzepts hängt jedoch nicht allein von diesem einen Spiel ab.“
Ein Drittel weniger Polizisten
Das maßgeblich von dem ehemaligen Jugendfußballer des VfB und Polizisten vorangetriebene Konzept – das es auf Papier gar nicht gibt – beruht auf einem einfachen Ansatz: Vereine, Polizei, Ordnungsdienste und Ämter stimmen sich im Gegensatz zu früher viel enger ab, helfen sich mit Informationen und beschließen am Ende einen gemeinsamen Plan für jedes einzelne Spiel. Vorgaben aus dem Ministerium gibt es grundsätzlich keine mehr. Entscheidend ist: gegenseitiges Vertrauen. Das führt dazu, dass die Zahl der Einsatzkräfte massiv gesunken ist, weil die Brisanz vieler Spiele tatsächlich gar nicht so hoch ist, wie oft jahrelang angenommen (oder unterstellt) wurde.
Aus 183 900 Einsatzstunden der Polizei in der Saison 2016/17 sind nach Angaben des Ministeriums so nur noch 145 706 Einsatzstunden in der letzten Spielzeit geworden – jeder fünfte Polizist also war für andere Aufgaben verfügbar. „Zu mir hat man früher immer gesagt, für ein Bundesligaspiel braucht man eine Grundversorgung
von mindestens 100 Einsatzkräften der Polizei. Das haben wir schon mehrmals unterboten“, erzählt Stahlmann zufrieden.
Für die Partie Stuttgart gegen Karlsruhe heißt das: Statt 1000 Polizisten wie vor zweieinhalb Jahren werden am Wochenende nur 400 bis 600 eingesetzt. Beim Heimspiel des VfB gegen Dresden waren es statt 1000 nur 240. „Sicherheit gibt es nur gemeinsam. Nicht, weil wir mehr Kräfte einsetzen“, betont Stahlmann. „Es müssen die richtigen Leute an der richtigen Stelle sitzen und vertrauensvoll zusammenarbeiten.“
Allerdings stehen am Sonntag auch zwei Wasserwerfer in der Nähe des Stadions – einer der Gründe, deretwegen die Ultras mit den Stadionallianzen wenig anfangen können und die Euphorie über die gesparten Polizisten nicht teilen. Beamte mit Helm und
Panzerung wirken auf sie unverändert wie eine Drohung ohne Anlass.
Die Deutsche Fußball Liga (DFL) dagegen ist großer Fan des Ansatzes, der auch im Streit um Polizeikosten mit anderen Bundesländern Argumente liefert. „Ich wünsche mir, dass weitere Bundesländer diesem guten Beispiel folgen“, sagt Ansgar Schwenken, der „DFL-Direktor Fußball-Angelegenheiten & Fans“.
Auch wenn Stahlmann für das Derby nichts versprechen kann: Davon, dass der Fußball keine Problemsportart ist, ist der 53-Jährige überzeugt. „Fußball ist keine Sache, die per se gewalttätig ist. Fußball ist erst mal friedlich. Nahezu 80 Prozent der Spiele gehen vollkommen geräuschlos und ohne Störung über die Bühne. Wir haben in den ersten drei Ligen in BadenWürttemberg je Spiel nie mehr als fünf Straftaten im Schnitt.“
Am Sonntag werden 56 880 Zuschauer erwartet. An Stahlmanns von Innenminister Thomas Strobl (CDU) gestützter Herangehensweise in Baden-Württemberg wird sich deshalb nichts ändern. „Fußball ohne Polizei – geht das? Das ist zumindest die Vision“, sagt er.
Bundestrainer Joachim Löw, der für beide Vereine aktiv war, hat vor dem Derby derweil zu einem friedlichen Miteinander der Fans aufgerufen. „Ich hoffe, dass alles mit fairen Mitteln abläuft. Seid vernünftig, unterstützt eure Mannschaft, aber bleibt fair“, sagte der 59-Jährige in einer Videobotschaft, die die Clubs in den sozialen Netzwerken teilten. Löw erklärte zudem: „Ich weiß, dass es da unheimlich zur Sache geht auf dem Platz, dass natürlich in den Stadien in Karlsruhe oder in Stuttgart immer eine Riesenstimmung herrscht.“