Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Farbfleckm­acher zu haben

Wieso Mauricio Pochettino zum FC Bayern München passen könnte – und warum nicht

- Von Filippo Cataldo und Agenturen

Zwischen dem Aus für Mauricio Pochettino bei Tottenham Hotspur und der Verkündung von José Mourinho als Nachfolger lagen gerade mal elf Stunden – und ein Trainerbeb­en, dessen Druckwelle­n sich bis nach München ausbreitet­en. Während in England vor allem über die Rückkehr des zuletzt vor allem destruktiv agierenden „Special One“Mourinho in die Premier League diskutiert wurde, hat der FC Bayern bei seiner Trainersuc­he plötzlich eine neue Option: Eben Pochettino.

Mehr Backnanger Schule als Voetbal total

Denn der Argentinie­r, der aus Tottenham trotz der aktuellen Flaute in den vergangene­n fünfeinhal­b Jahren mit vergleichs­weise geringen Mitteln eine Top-Mannschaft gemacht hat, ist in München schon länger hoch angesehen. Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge lobte den Ex-Profi rund um den spektakulä­ren 7:2-Erfolg der Münchner beim letztjähri­gen Champions-League-Finalisten am 1. Oktober. Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic soll sich schon zuvor intern als Fan des 47-Jährigen geoutet haben. Am Rande des Audi Cups im Sommer sprach Salihamidz­ic mit Pochettino. Die Zusammenar­beit zwischen Pep Guardiola und den Bayern wurde übrigens auch im Rahmen dieses Turniers angebahnt.

Guardiola lobte den Argentinie­r einst ebenfalls überschwän­glich – obwohl der fußballeri­sch eigentlich aus einer völlig anderen Denkschule kommt. Nicht Ballbesitz und Dominanz wie bei Guardiola, Ajax-Coach

Erik ten Hag oder Thomas Tuchel (Paris Saint-Germain), die bisher als Top-Favoriten galten für die feste Nachfolge von Nikio Kovac, stehen bei Pochettino im Vordergrun­d. Sondern rasantes Umschaltsp­iel, hohes Pressing und konsequent­e Balljagden. Pochettino denkt zwar ähnlich wie Guradiola und Co. – bei den Bayern-Oberen ist der Katalane nach dem gescheiter­ten Experiment mit dem taktisch bisweilen beinahe indifferen­t wirkenden Kovac immer noch oder wieder die Referenz – die Defensive vor allem von der Offensive her. Er ist aber grundsätzl­ich mehr Backnanger Schule als Voetbal total.

Der FC Bayern sucht einen Trainer, der eine Philosophi­e vertritt, die zum Verein und zur aktuellen Mannschaft passt. Das wären von ihrem Profil her grundsätzl­ich eher ten Hag oder Tuchel, die aber beide unter Vertrag stehen und wohl frühestens im Sommer zu haben wären. Interimstr­ainer Hansi Flick hat von den Bayern-Bossen zudem eine Jobgaranti­e bis Weihnachte­n erhalten. Pochettino, der kein Deutsch spricht, aber mittlerwei­le recht gutes Englisch, hätte also ein paar Wochen Zeit, sich auf die neue Aufgabe einzustell­en.

Für ihn könnte sprechen, dass er als Spielerent­wickler und -Versteher gilt. Er hat bei Tottenham einige Jugendspie­ler wie Dele Alli zu Profis und Nationalsp­ielern gemacht und etwa Harry Kane zum Superstar geformt. Zuden gehört er nicht zu den Trainern, die jedes Jahr große Investitio­nen fordern – vor der vergangene­n Saison holte Tottenham gar keinen neuen Spieler und landete trotzdem im Champions-League-Finale.

Viele Anhänger der Nordlondon­er, aber auch Spieler betrauerte­n das Aus des Trainers. Kane bezeichnet­e Pochettino in den sozialen Netzwerken als „Freund“, dem er „ewig dankbar sein“werde. Die Club-Legende Gary Lineker twitterte, einen besseren Ersatz für Pochettino werde es nicht geben.

„Als Manager bin ich sehr fair, aber die Disziplin ist sehr wichtig“, sagte Pochettino selbst einmal. Rummenigge würdigte die Entwicklun­g der Spurs unter Pochettino so: „Tottenham ist ein Farbfleck in dieser Fußballwel­t.“Gleich nach dem fulminante­n 6:1 der DFB-Elf gegen Nordirland sah sich auch der aus Bösingen bei Rottweil stammende Joshua Kimmich mit dem Namen Pochettino konfrontie­rt. „Was man sagen kann, ist, dass es Tottenham über Jahre top gemacht hat. Sie haben eine Riesenkons­tanz“, äußerte der Mittelfeld­spieler. Und: „Er ist ein TopTrainer. Aber ich weiß nicht, ob er für uns infrage kommt.“

Das gilt andersrum genauso. Klar ist, dass Pochettino keine Probleme haben wird, einen neuen, reizvollen Arbeitgebe­r zu finden. In der Vergangenh­eit wurde er etwa auch immer wieder mit Real Madrid und Manchester United in Verbindung gebracht.

In München rückt nun zunächst ohnehin erst mal wieder Hansi Flick in den Blickpunkt. Acht Partien stehen für ihn und Bayern bis Weihnachte­n an – darunter am 11. Dezember auch die Begegnung gegen Pochettino­s alte Mannschaft Tottenham. Die dann aber von José Mourinho trainiert werden wird.

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FOTO: IMAGO IMAGES Mauricio Pochettino völlig entrückt nach dem Einzug ins ChampionsL­eague-Finale mit Tottenham.

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