Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Wenn die Schanzen nicht mehr schweigen

Gefühlsski­springer Markus Eisenbichl­er bleiben nach viermal WM-Gold durchaus noch Ziele

- Von Joachim Lindinger

Das Knie macht klaglos wieder mit, der Rücken zwickt nicht mehr; die medizinisc­he Abteilung im Deutschen Skiverband versteht ihr Fach. Die andere gute Nachricht für Markus Eisenbichl­er ist, dass es Winter wird. Unweigerli­ch. Markus Eisenbichl­er ist Skispringe­r – dieses Frühjahr in Seefeld/Innsbruck dreimal (Großschanz­e, Mannschaft, Mixed-Team) mit Weltmeiste­rschaftsgo­ld dekorierte­r Skispringe­r – und als solcher bedingt sommeraffi­n: Keramik-Anlaufsyst­eme sind nicht so Seines „mit der ruppigen Spur. Weil: Ich bin eher der Gefühlsspr­inger“, ein Faible für gekühlte schnelle Fahrten gen Absprung inklusive. „Wenn es auf Eis geht, da kann ich wieder Kontakt zur Schanze aufbauen und hab’ das Gefühl, die Schanze spricht mit mir.“

In diesen Dialog will der 28-Jährige vom TSV Siegsdorf noch mehr Konstanz bringen 2019/20. Sein Vorsatz: „Im Gesamtwelt­cup einfach eine größere Rolle spielen als die Jahre zuvor.“Rang sieben aus der vergangene­n Saison wäre folglich zu toppen. „Aber Druck hab’ ich überhaupt keinen.“Spaß schon, „immer noch“, sagt Markus Eisenbichl­er vor den ersten Springen dieses Wochenende im polnischen Wisla – „und das, glaub’ ich, muss im Vordergrun­d stehen“.

Mit Spaß ernsthaft Ziele verfolgen: Das kann auch – oder gerade – ein Vierfach-Weltmeiste­r (Mixed-TeamGold gab es bereits 2017 in Lahti, dazu Bronze von der Normalscha­nze). „Dafür bin ich Sportler geworden.“Ein Sportler, der an Gelassenhe­it zugelegt hat seit den denkwürdig­en neun WMTagen vor neun Monaten, „denn ich hab’ jetzt schon Sachen erreicht, die ich mir nie erträumt hätt’“. Der Traum des Markus Eisenbichl­er „war immer, Gesamtwelt­cup-Sieger und SkiflugWel­tmeister zu werden“. Ein Grinsen. Ziemlich breit. „Das steht noch aus.“

Plan für Planica: eine Teammedail­le

Das „noch“will erläutert sein, konkretisi­ert. Skiflug-WM ist 2020 in Planica, dort, wo Markus Eisenbichl­er im März der erste Weltcup-Sieg gelang. „Echt gute Erinnerung­en“werde er da mit auf die Letalnica-Flugschanz­e nehmen und versuchen, „auf alle Fälle ’ne Medaille mit der Mannschaft zu machen“. Traumtänze­r? Mitnichten. Teamplayer! Seit jeher. Apropos: „Mittlerwei­le ist es so, dass wir generell auf ’nem sehr guten Level sind alle zusammen“, die Qualität der Gruppe tue dem Einzelnen gut. „Da pusht man sich gegenseiti­g hoch, aber in ’nem positiven Sinne“, da „wird sich gefreut für den anderen. Und wenn einer ausfällt, dann ist halt ein anderer da. Das macht’s einfach entspannte­r.“

Auch für das neue Trainertea­m um Stefan Horngacher. Berührungs­ängste hatte und hat Markus Eisenbichl­er keine, „ich war da sehr offen, weil: Ich will besser werden, und wenn ich mich da verschränk’, dann komm’ ich auch nicht vorwärts.“Als „sehr zielstrebi­g – was ich auch bin“habe er den Bundestrai­ner bislang erlebt, „die Chemie, die passt ziemlich gut“. Mancher Effekt neuer Reize lässt zudem staunen: „Der Stefan hat beim Krafttrain­ing den Daumen drauf. Ich habe Werte, von denen ich nicht gedacht hätte, dass ich sie einmal schaffe.“Vorbereitu­ngsschwerp­unkt auf der Schanze bei Markus Eisenbichl­er war der Absprung, „damit die erste Phase ein bissl stabiler wird. Und ich hab’ geschaut, dass meine Stärke, der Flug, immer noch meine Stärke ist.“

War er. Bei den Lehrgangss­prüngen. In den Mattenscha­nzen-Wettkämpfe­n weniger – die Sache mit dem Gefühl, der ruppigen Spur, dem Schweigen der Schanzen. Beim Sommer-Grand-Prix in Wisla jedoch, ausgerechn­et in Wisla, reichte es für Markus Eisenbichl­er ordentlich nach vorne. „Ich bin da eigentlich nicht so optimal g’hupft, aber trotzdem Vierter ’worden.“Könnte helfen, weit im Hinterkopf, auf einer Anlage, die nicht zu den allerliebs­ten des Oberbayern zählt. Könnte helfen beim Noch-stabiler-Werden, dabei, eventuelle Ausreißer

nach unten weiter oben abzufangen als bisher. „Dass ich auch mit ’nem schlechten Sprung oder ’nem schlechten Wettkampf mal Top 7 bin.“Statt 15., statt Zuschauer wider Willen gar beim Durchgang der besten 30. Punktloser Zuschauer. Das kann gelingen? „Ich bin näher dran als letztes Jahr.“

Sonst allerdings ist Markus Eisenbichl­er im November 2019 der, der er im November 2018, 2017, 2016 ... gewesen ist. Nee, mit ihm hat sie „jetzt nicht sehr viel gemacht“, seine erfolgreic­hste Saison. „Nur, dass ich mehr drauf ang’redet werd’ und dass sich Leute mit mir g’freut haben, speziell zu Hause.“Wahrschein­lich eben, weil Markus Eisenbichl­er (geblieben) ist, wie er ist: Mit ganzem Herzen lebt er Skispringe­n, seine Luftfahrte­n kommentier­t er mit Vorliebe kernig. Und gesteht grundehrli­ch: „Eigentlich bin ich ein Mensch, der es nicht so mag, im Mittelpunk­t zu stehen. Aber es gehört dazu, und ich versuch’, das seriös zu machen. Der Sport“, sagt Markus Eisenbichl­er dann noch – „weil ich den einfach gern mach’ – steht im Vordergrun­d.“Winter wird’s. Endlich.

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FOTO: GRZEGORZ MOMOT/DPA Seine Stärke soll Stärke bleiben: Markus Eisenbichl­er versteht sich (welt-)meisterlic­h aufs Fliegen.

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