Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Es geht nur mit Freiwilligkeit
Das Wort Spende beinhaltet es: Es geht um eine freiwillige Gabe, durch die man Armen oder Kranken helfen will. Wird solches Geben staatlich verordnet, ist es keine Spende mehr. Das gilt für den Solidaritätszuschlag ebenso wie für die Organspende. Die Widerspruchslösung von Jens Spahn hätte die Menschen nach ihrem Tod von Haus aus zu Organspendern gemacht, es sei denn, sie hätten widersprochen.
Ein so deutliches Nein zu Spahns Vorschlag hatten die wenigsten erwartet. Denn es erfordert angesichts von Bildern von kleinen Kindern, die auf ein neues Herz warten, von Familienvätern, die eine neue Niere brauchen, schon Mut, öffentlich zu erklären, warum man die Widerspruchslösung ablehnt, die doch auf einen Schlag Millionen potenzielle Organspender bescheren würde. Was bei dieser Diskussion untergeht: Auch die Befürworter der sanfteren Zustimmungslösung wollen helfen.
Doch der Hilfe für Todkranke steht das hohe Gut der Selbstbestimmung aller Menschen gegenüber. Die Widerspruchslösung hätte jeden Menschen ab 16 zum Organspender gemacht, es sei denn, er widerspricht ausdrücklich. Tut er dies aber, wird er von vielen als egoistisch abgestempelt. Andere haben Angst oder wollen sich mit dem Tod nicht beschäftigen. Wieder andere, wie Kranke, Analphabeten oder Obdachlose, bekommen das Ganze vielleicht gar nicht richtig mit und werden zum Organspender wider Willen.
Der frühere Gesundheitsminister Hermann Gröhe brachte es auf den Punkt: Jeder Mensch hat das Recht auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit, und dieses Recht muss nicht erst aktiviert werden. Schweigen als Ja zu werten, ist ein Verstoß gegen unser Rechtssystem. Und das Vertrauen in das Rechtssystem ist ein sehr hohes Gut.
Deshalb sollte man nicht die armen todkranken Menschen, die auf ein Herz oder eine Niere warten, gegen jene ausspielen, die Spahns Vorschlag nicht folgen wollen. Denn es gibt andere Wege, mehr Organspender zu bekommen. Die Reform ist ein Schritt in die richtige Richtung.