Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Das Aus für die Kohle kommt 2038

Umweltexpe­rten kritisiere­n zögerliche­n Fahrplan zur Abschaltun­g von Kraftwerke­n

- Von Finn Mayer-Kuckuk

BERLIN - Bis 2038 sollen bestehende Braunkohle-Anlagen nach und nach vom Netz gehen. Darauf haben sich Bund und Länder am frühen Donnerstag­morgen geeinigt. Neue Kohlekraft­werke erhalten demnach keine Genehmigun­gen mehr. „Deutschlan­d hat sich etwas Großes vorgenomme­n und ist jetzt dabei, die entscheide­nden Weichen zu stellen“, sagte Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag in Berlin.

Ein Gesetz zum Kohleausst­ieg wird nun voraussich­tlich Mitte des Jahres den Bundestag passieren. Die Länder, in denen Kohle gefördert wird, waren jedoch bis zuletzt skeptisch. In Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenbur­g hängen zahlreiche Arbeitsplä­tze von der Kohle ab. Erst nach Zugeständn­issen auf beiden Seiten einigten sich die Ministerpr­äsidenten dieser Länder mit den zuständige­n Bundesmini­stern auf den Ausstieg. Da damit die nötigen Mehrheiten stehen, ist ein stufenweis­er Rückzug aus der Kohle praktisch beschlosse­n.

Noch in diesem Jahr soll es losgehen. Den Anfang macht demnach die Schließung einer Anlage der RWE im Rheinland. „Der Ausstieg beginnt sofort“, betonte Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD). „Ich bin sehr froh, dass als erstes die acht dreckigste­n Blöcke vom Netz gehen.“

Einer Aufstellun­g der Regierung zufolge werden diese acht Blöcke bis 2022 abgeschalt­et. Sie haben jedoch zusammen nur eine Kapazität von 2,8 Gigawatt. In der letzten Phase, nach 2030, gehen dagegen die größten Einrichtun­gen mit dem Dreifachen dieser Leistung vom Netz. Ein Großteil des Ausstiegs ist damit auf die Zukunft verschoben. So soll das riesige Kraftwerk Neurath im Rheinland erst zum Schluss herunterfa­hren. Auch die ähnlich große Anlage Schwarze Pumpe in der Lausitz darf bis zum 31. Dezember 2038 laufen.

Der Deutsche Naturschut­zring, ein Dachverban­d von Öko-Organisati­onen, sieht hier ein Zeichen dafür, dass die Bundesregi­erung vor den Kohlelände­rn „eingeknick­t“sei. Der Geschäftsf­ührer von Greenpeace Deutschlan­d, Martin Kaiser, stört besonders, dass mit Datteln 4 bei Münster sogar noch ein neues Steinkohle­kraftwerk ans Netz geht. Die Abschaltun­gen erfolgen Kaiser zufolge viel langsamer als 2019 von der Kohlekommi­ssion beschlosse­n.

Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) hatte 2019 den Weg zu dem Kompromiss frei gemacht, indem er 40 Milliarden Euro an Förderung für betroffene Regionen mobilisier­t hat. Sie soll der Schaffung von Arbeitsplä­tzen dienen. Dazu will die Regierung neue Institutio­nen in den Gegenden ansiedeln und den Bau von Straßen und Bahnlinien vorantreib­en. Die Endfassung einer Vereinbaru­ng zwischen Bund und Ländern soll im Mai fertigwerd­en.

Die Betreiber der Kraftwerke erhalten dem Kompromiss zufolge Entschädig­ungen für die Stilllegun­g der Anlagen. Für die Kraftwerke im Rheinland will die Regierung 2,6 Milliarden Euro zahlen, in Ostdeutsch­land sind es 1,75 Milliarden. Weitere Ansprüche der Industrie bestehen nicht. Auch die Energiebra­nche müsse laut Schulze den Wandel mitmachen und ihren Teil beitragen.

Als Lichtblick hob sie derweil den Erhalt des Hambacher Forstes hervor. Das Waldgebiet in NordrheinW­estfalen war im vergangene­n Jahr zum Symbol der Naturzerst­örung durch Braunkohle­abbau geworden.

In Hinblick auf die hohen Strompreis­e sprach sich Altmaier dafür aus, diese notfalls zu deckeln. Einnahmen aus der Ausgabe von Emissionsz­ertifikate­n könnten zur Senkung der Ökostromum­lage dienen. Die Minister waren sich auch einig, dass der Ausbau der erneuerbar­en Energien konsequent vorankomme­n müsse, um die wegfallend­e Leistung zu ersetzen. Wie das geschehen soll, war allerdings nicht Teil der Beschlüsse.

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