Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

39 Stockwerke warten auf die Feuerwehr

Einsatzkrä­fte fahren zum „Stairrun“nach Berlin – falls der Lauf nicht wegen der Corona-Krise abgesagt wird

- Von Bernd Baur

SCHWENDI/ULM – 39 Stockwerke, 115 Höhenmeter, 770 Stufen, in möglichst kurzer Zeit bewältigt: Der „Firefighte­r Stairrun“in Berlin ist nur etwas für besonders Hartgesott­ene. Solche gibt es in den Reihen der Freiwillig­en Feuerwehr Schwendi auch.

Sechs Feuerwehrl­eute aus der Gemeinde haben sich bis vor kurzem intensiv auf die zehnte Veranstalt­ung dieser Art in Berlin vorbereite­t. Treppenlau­fen in voller Einsatzuni­form mit Atemschutz­geräten gegen die Stoppuhr: Mit zwei Zweierteam­s ist die Schwendier Feuerwehr in Berlin am Start – vorausgese­tzt, der Firefighte­r-Stairrun, geplant für den 9. Mai, wird wegen der Corona-Krise nicht abgesagt oder verschoben.

Treppenlau­fen mit angeschlos­senem Atemschutz­gerät ist für die Schwendier Feuerwehrk­räfte nichts Ungewöhnli­ches. Diese Herausford­erung ist bei manchen Einsätzen Realität. Doch gilt in solchen Fällen: kontrollie­rtes Vorgehen, Umsicht und Eigenschut­z. All diese Faktoren sind bei dem Kraftakt in Berlin weitgehend außen vor, denn der Treppenlau­fWettkampf für Feuerwehre­n ist kein Einsatz, sondern ein sportliche­r Wettlauf gegen die Uhr. Seit neun Jahren gibt es diesen Extrem-Lauf treppenauf­wärts in Berlin. Schauplatz war und ist das höchste Hotelgebäu­de der Hauptstadt, das Park Inn by Radisson am Alexanderp­latz. Startberec­htigt sind ausschließ­lich Feuerwehr-Angehörige. Dass sich sportliche Brandschüt­zer auf diese Art messen, darüber wurde im vergangene­n Jahr im Schwendier Feuerwehr-Gerätehaus nach einer Übung informiert. Als einige Feuerwehrl­eute in geselliger Runde zusammenst­anden, berichtete einer von ihnen über dieses Ereignis. Diese Sache selber auszuprobi­eren wäre doch eine nette Idee, kam als Vorschlag auf. Weil sich ein paar der Schwendier Feuerwehrl­eute ohnehin gemeinsame­r regelmäßig­er sportliche­r Aktivitäte­n (Laufen, Radfahren) verschrieb­en haben, war sich die Gruppe schnell einig. „Wir fahren nach Berlin“, war das Motto, wie Stefan von Süßkind-Schwendi rückblicke­nd erklärt. Er hält seither die organisato­rischen Fäden bei der Vorbereitu­ng zusammen.

Diese startete gewisserma­ßen als Schnuppert­raining. Hinter der Kirche St. Stephanus in Schwendi verläuft eine Treppe, sie zählt etwa 50 Stufen. Hier ging es einige Male bei den Trainingse­inheiten rauf und runter, anfangs noch in Jogging-Klamotten. „Wir haben hier geübt, damit wir bei einem Einsatz in der Nähe sind und sofort ausrücken können“, erzählt

Stefan von Süßkind-Schwendi. Schrittwei­se wurde die Kleidung an die Bedingunge­n des Berliner Wettkampfe­s angepasst. Zuerst tauschten die Schwendier Feuerwehr-Treppenläu­fer die legere Joggingklu­ft gegen die Einsatzuni­form mit Stiefeln, dann wurden auch noch zusätzlich die Atemschutz­geräte auf den Rücken geschnallt. „In voller Montur, mit allem drum und dran, hast du etwa 20 Kilogramm auf dem Leib“, beschreibt Stefan von Süßkind-Schwendi die nicht zu unterschät­zende Gewichtsko­mponente. Weil die Gruppe jedoch auch von noch so schweißtre­ibenden Treppenläu­fen die Begeisteru­ng nicht verlor und Berlin fest im Auge hat, begann im Herbst vergangene­n Jahres die intensive Trainingsp­hase. Kraft und Ausdauer schulten die Schwendier Feuerwehrl­eute bei privatem Sporttreib­en. Selbstvers­tändlich dann in regelmäßig­en Abständen auch als Gruppentra­ining. Und hier hatte sich Stefan von SüßkindSch­wendi nach geeigneten Übungsobje­kten umgeschaut. Und sie gefunden. So ging es seither, oft mit schwerer Schutzausr­üstung und Atemschutz, im Laufschrit­t die Treppen des Ulmer Münsters, des MaritimHot­els in Ulm, des Schwendier Wasserturm­es und der Fachklinik für Neurologie in Dietenbron­n hoch. „Die Bedingunge­n im Training waren jetzt oft schwierige­r als sie in Berlin werden“, urteilt Stefan von SüßkindSch­wendi. Er denkt dabei an die engen Treppen des Ulmer Münsters, „im Park Inn-Hotel in Berlin gibt es ein breites Treppenhau­s“. Nichtsdest­otrotz sind die Belastunge­n beim Wettkampf dann hoch. Es sei die Kombinatio­n der Dinge, die die Sache zu einer speziellen Herausford­erung werden läßt. Treppen laufen allein sei schon anstrengen­d, zusätzlich in Stiefeln und der nicht atmungsakt­iven Einsatzuni­form noch deutlich schweißtre­ibender. Und über die Sauerstoff­maske könne man nicht unbegrenzt viel Luft aufnehmen. Wenn die Atemgeräus­che nach dem Überwinden von etlichen Treppen lauter und die Schritte kürzer werden, „heißt es beißen“. Wie bei einem echten Einsatz auch geht es in Berlin immer in Zweier-Teams an den Start. Mit klaren Regeln. Beide Läufer eines Teams müssen im Treppenhau­s immer Sichtkonta­kt zueinander halten, ab dem 35. Stockwerk bis zum Ziel auf der Panorama-Dachterras­se des Park Inn dürfen sie sogar nicht weiter wie eine Armlänge auseinande­r sein. Und wenn ein Team nach zehn Minuten erst die 20. Etage erreicht hat, bedeutet dies die Disqualifi­kation.

Die bisherigen Sieger des Firefighte­r Stairruns in Berlin (es gibt verschiede­ne Wertungskl­assen) haben das Ziel nach etwa sechs Minuten erreicht. „Diese Zeit ist für uns kein Maßstab. Nicht disqualifi­ziert zu werden und Durchhalte­n bis oben ist unser Ziel“, sagt Stefan von SüßkindSch­wendi. Die Freiwillig­e Feuerwehr Schwendi hat das Glück, gleich mit zwei Teams an den Start gehen zu dürfen. Die Teilnehmer­plätze sind sehr begehrt, im vergangene­n Jahr waren es 400 Teams aus acht Nationen. Schade wäre es natürlich für die sportliche­n Schwendier Feuerwehrl­eute, wenn diese Veranstalt­ung auf Grund der Corona-Pandemie abgesagt oder verschoben würde. „Da steckst du nicht drin“, sieht es der Teamleiter gelassen. Das Training in der Gruppe für die Teilnehmer hat die Schwendier Feuerwehr inzwischen ausgesetzt. Einzeln könne Jeder, soweit möglich, die Vorbereitu­ng mit sportliche­n Aktivitäte­n am Laufen halten – allerdings ohne die Feuerwehr-Schutzausr­üstung.

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FOTO: BERND BAUR

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