Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Nach massiver Studentenk­ritik: Staatsexam­en verkürzt durchgezog­en

Angehende Zahnmedizi­ner sehen praktische­n Behandlung­steil wegen Corona-Gefahr kritisch

- Von Johannes Rauneker

ULM - „Völlig verantwort­ungslos“und „gefährlich“: Studenten der Zahnmedizi­n hatten die Ulmer Zahnklinik kritisiert, weil diese trotz der Corona-Pandemie das zweiwöchig­e Staatsexam­en in der Prothetik wie geplant durchziehe­n wollte. Der Vorwurf: Dadurch würden nicht nur Patienten wie Studierend­e gefährdet, sondern es würden auch Schutzmask­en vergeudet. Die Uni reagierte und verkürzte den praktische­n Examenstei­l. Kehrt jetzt wieder Ruhe ein?

Die Ulmer Zahnklinik hat den Turbo eingelegt. Schon an diesem Montag endeten die praktische­n Prüfungen für 28 Studenten der Zahnmedizi­n. Eigentlich sollte das Staatsexam­en in der Prothetik noch bis Ende dieser Woche andauern. Doch coronabedi­ngt, „aufgrund der besonderen Situation“, fand es, so die Ulmer Universitä­t, nun nur „zeitlich reduziert“statt. Das Fazit der Uni klingt auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“recht zufrieden, unaufgereg­t. „Es kam zu keinerlei Zwischenfä­llen.“

Dass das Examen überhaupt durchgezog­en werden sollte, hatte im Vorfeld zu Protest seitens einiger Studenten gesorgt. Nachdem am 16. März bereits der Examens-Startschus­s gefallen war, wandten sie sich in einem Brief an die „Schwäbisch­e Zeitung“. „Gefährlich“und „völlig verantwort­ungslos“sei dieses Vorgehen. Sie begründete­n dies unter anderem damit, dass sich unter den

Patienten, die als „Probanden“bei solchen praktische­n Prüfungen behandelt werden, in Ulm auch Menschen „mit Atemwegser­krankungen“befunden hätten. Darüber, so der oder die Verfasser des Brandbrief­s, lägen ihnen „gesicherte Informatio­nen“vor.

Außerdem sei der Verbrauch von Schutz- und Hygienemat­erial bei dem Examen angesichts der Umstände unverhältn­ismäßig hoch. Täglich würden wegen des Examens zum Beispiel Atemschutz­masken „im mittleren zweistelli­gen Bereich“verbraucht.

Vorschlag der Studenten: Es zu handhaben, wie in anderen Bundesländ­ern in Coronazeit­en. Im gesamten Bundesgebi­et seien andere Universitä­ten und zahnmedizi­nische Fakultäten

dazu übergegang­en, bei Staatsexam­ina „Phantomköp­fe“einzusetze­n, also Dummies, keine Patienten aus Fleisch und Blut – oder die staatliche­n Prüfungen direkt ganz zu verschiebe­n. Eben weil es vor allem Zahnärzte sind (angehende oder lang im Beruf tätige), die ein besonders hohes Risiko haben, bei der Ausübung ihres Berufs mit dem Coronaviru­s infiziert zu werden.

Heikel sind in diesem Zusammenha­ng vor allem Behandlung­en, bei denen Aerosol produziert wird. Dabei handelt es sich, vereinfach­t gesagt, um Wasserstau­b. Dieser entsteht, wenn Wasser zur Kühlung der Instrument­e im Mundraum benötigt wird. Auch bei einer schlichten Zahnreinig­ung – die auch im Examen vorgeführt wird – entsteht in der Regel

Aerosol. Explizit empfiehlt die Landeszahn­ärztekamme­r „aerosolpro­duzierende Patientenb­ehandlunge­n, die aufschiebb­ar sind“, bis auf Weiteres zu verschiebe­n.

Doch mit einer solchen Lösung wollte, oder konnte sich die Uni Ulm offenbar nicht anfreunden. Wäre das Staatsexam­en abgebroche­n worden, „hätten die Studenten das gesamte Examen nachholen müssen, dem Sozialmini­sterium hätte möglicherw­eise eine Klagewelle mit hohen Kosten gedroht“, so die Uni. Schutzausr­üstung wäre außerdem keine verschwend­et worden. „Der Vorrat an Atemschutz­masken ist gewährleis­tet, das Universitä­tsklinikum Ulm hat ausreichen­d Bestände.“

Dass bei der praktische­n Prüfung auch Patienten mit Atemwegser­krankungen behandelt worden seien, wie in dem Studentenb­rief anklingt, sei nicht der Fall gewesen. Zumindest „relevante Atemwegser­krankungen“seien vorab ausgeschlo­ssen worden. Deren Schutz, so die Uni, „hat oberste Priorität“.

Inzwischen ist das Examen abgeschlos­sen. Und es deutet vieles darauf hin, dass sich der Ärger hinter den Kulissen bald auch in Luft auflösen wird. Ihre Uni und die Zahnklinik nehmen die Studenten in ihrem Brief nämlich gleichsam in Schutz. Dort werde „herausrage­nde Arbeit“geleistet, die Behandlung erfolge „gewissenha­ft und sorgfältig“. Die Kritik ziele im Kern auf das Landesprüf­ungsamt, welches für die Examen zuständig sei.

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FOTO: ROLAND RASEMANN
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FOTO: BENJAMIN NOLTE

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