Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
So sind Oma und Enkel beieinander
Lichtsignal und Erzählungen per Telefon: Laichinger wollen Kontakt nicht verlieren
LAICHINGEN - 19G Uhr, die Glocken der Kirchen in Laichingen und den Teilorten beginnen, zu schlagen. Das Läuten hält sieben Minuten an, soll Menschen ermöglichen, gedanklich beieinander zu sein – unter anderem im Gebet (siehe Informationskasten).
Die Idee findet Gerlinde Schultheiß aus Laichingen toll. Die 69-Jährige hat sich dazu noch ein weiteres besonderes Prozedere ausgedacht. Jeden Abend, wenn die Glocken zu läuten beginnen, gibt sie Lichtsignale in Richtung eines Balkons, auf dem ihre Enkelkinder stehen. Das Zeichen ist klar: Wir sind da. Wir können uns sehen – in Corona-Zeiten, in der der Kontakt eingeschränkt, gerade für ältere Menschen oder jene, die zur Risikogruppe zählen, größtenteils ausgesetzt ist.
„Eigentlich kommt mein Enkel einmal in der Woche zum Essen. Aber jetzt sehe ich ihn nicht mehr“, berichtet Gerlinde Schultheiß. Dann fragte sie ihren Enkel Paul, der Luftlinie gut 100 Meter von ihr entfernt wohnt, welche Möglichkeiten es gibt. Schnell war nun jene gefunden.
Um 19 Uhr greifen die 69-Jährige und ihr achtjähriges Enkelkind zum Telefon. Beide halten zudem eine Taschenlampe in der Hand. „Hörst du schon die Glocken?“, fragt Schultheiß in das Telefon. „Noch nicht“, kommt es von Paul erst zurück, kurz darauf erklärt der Achtjährige: „Jetzt höre ich die Glocken.“Er hat Recht. Gerlinde Schultheiß nimmt das Läuten ebenso wahr. Beide hören kurz zu, leuchten immer in die jeweilige Richtung, um zu signalisieren, wo man steht. Die 69-Jährige schaut aus dem Fenster ihres Schlafzimmers, ihr Enkelkind Paul steht auf dem Balkon. Mit von der Partie sind zudem Mutter Silke und die vierjährige Schwester Theresa. Der Blickkontakt ist da.
„Wir erzählen uns dann, was den Tag über passiert ist. Paul berichtet beispielsweise von seinen Hausaufgaben“, erklärt Schultheiß. Außerdem gibt es Neues von seiner
Schwester zu hören. Welches Wort hat sie neu gelernt? Wie ist es, zuhause zu sein?
Dann lenkt die Oma den Blick auf etwas anderes: „Kannst du den Mond vom Balkon aus schon sehen?“, fragt sie in das Telefon. Paul bejaht. Seine Stimme ist ganz klar zu hören: „Aber nur ganz schwach“, sagt er. „Und siehst du auch das schöne Abendrot?“, fragt Gerlinde Schultheiß weiter. Beide – Oma und Enkel – gönnen sich einen Moment der Ruhe, schauen in die Natur.
Zum Abschluss wird gemeinsam gesungen. „Der Mond ist aufgegangen“und „Weißt du, wieviel Sternlein stehen“: Durch das Telefon erklingen die Stimmen.
„So machen wir es jetzt seit Montag“, sagt Gerlinde Schultheiß. Es sei einfach eine tolle Möglichkeit, um in Kontakt zu bleiben und eine Gemeinsamkeit zu haben, denn natürlich vermisse sie ihre Enkelkinder. Dennoch möchte die 69-Jährige mit Blick auf das Coronavirus Vorsicht walten lassen, sich an die Empfehlungen und Verordnungen halten.
Gerlinde Schultheiß lächelt, dann winkt sie sacht mit der Taschenlampe. Ihre Enkel tun es ihr gleich. Dann gibt es noch ein „Schlaf schön“, bevor Großmutter und Enkel den Hörer auflegen.