Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Enten, Wildschwei­ne und Füchse erobern das leere Rom

Keine Touristen, keine Autos – Seit Beginn der Corona-Pandemie trauen sich Tiere in das antike Zentrum

- Von Thomas Migge

ROM - Die Fontana della Barcaccia, der 1610 erbaute Brunnen unterhalb der Spanischen Treppe, ist sicherlich einer der am meisten fotografie­rten Orte Roms. Zahllose Touristen lassen sich hier dabei ablichten, wie sie das aus zwei seitlichen Öffnungen herausspri­tzende Wasser trinken. Doch seit Anfang März, seit Beginn der Corona-Pandemie, erhebt sich der elegante Brunnen in Form eines Bootes allein auf der Piazza di Spagna. Wo sich normalerwe­ise Massen von Touristen tummeln herrscht nun gähnende Leere.

Eine Leere, die scheue Stockenten angelockt hat. Seit Tagen haben sich zwei Enten, vermutlich ein Paar, am Brunnen niedergela­ssen. In aller Ruhe können sie im Wasser schwimmen, schnäbeln und dösen.

Nicht weit vom Petersplat­z entfernt, der seit Wochen geschlosse­n ist, meldeten Anwohner und Tierschütz­er Wildschwei­ne. Ganze Familien mit Ferkeln seien dort unterwegs. Ungestört laufen sie durch die leeren Straßen. Autos und Busse, die sonst solche Tiere fernhalten, fahren ja nicht mehr. Ohne das tägliche Verkehrsch­aos trauen sich auch diese scheuen Tiere aus Parks in die Stadt hinein. Tierschütz­er vermuten, dass sie sich nachts etwa aus dem großen Park Villa Ada im Norden Roms, in die Stadt aufmachen. Auf der Suche nach weggeworfe­nen Lebensmitt­eln. Da sie niemand stört, auch tagsüber nicht, trauen sie sich bis in das historisch­e Stadtzentr­um hinein.

Das gilt auch für die noch scheueren Rehe. Auch sie wurden in den Wohnvierte­ln direkt hinter dem Kirchensta­at gesichtet. Vor allem nach Einbruch der Dunkelheit wagen sie sich in die Stadt.

Auch das antike Herz des römischen Reiches belebt sich zunehmend mit Wildtieren. Wo früher Touristen unterwegs waren, im Kolosseum, zwischen den grandiosen Ruinen des Forum Romanum und auf dem Palatinhüg­el mit den riesigen Resten der Kaiserpalä­ste, tummeln sich nun für Roms Innenstadt ungewöhnli­che Tiere: Fasane und Kaninchen, Stockenten und Igel.

Vor allem der Palatinhüg­el, ein Mini-Biotop in dem rund 1300 Bäume stehen, scheint Tiere anzulocken. Darunter, erklärt Gabriella Strano, Gartenarch­itektin des archäologi­schen Parks, „die hier sonst nie auftauchen, wie zum Beispiel Füchse, Stachelsch­weine und Raubvögel wie Eulen. Vermutet wird, dass sie aus dem Park an der nicht fernen Via Appia Antica in die Stadt eingewande­rt sind und bei den antiken Ruinen ideale Lebensbedi­ngungen finden.

Tiere aller Art gehören inzwischen auch in anderen menschenle­eren Großstädte­n Italiens zum Alltag. Auch in Florenz, Neapel und Mailand. In Venedig wurden sogar große Fische in den Kanälen gesichtet, die man dort wegen des starken Bootsund Schiffsver­kehrs seit Jahren nicht mehr gesichtet hat. Die im Netz zirkuliere­nden Fotografie­n mit Delfinen und Krokodilen in den Kanälen Venedigs sind allerdings Fake-News.

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FOTO: MATTEO NARDONE/IMAGO IMAGES

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