Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Geschlossen und doch geöffnet
Einige Museen in der Region bieten in Zeiten der Corona-Pause virtuellen Kunstgenuss
RAVENSBURG - Immer mehr Museen in Deutschland digitalisieren ihre Bestände und machen sie per Internet zugänglich. Viele Kunsthäuser haben aufgrund der Corona-Pandemie besondere Initiativen entwickelt – auch hier im Südwesten und im benachbarten Vorarlberg. Sie bieten damit dem Publikum Abwechslung, Anregung und neue Perspektiven in der bleiernen Viruszeit. Andere halten sich dagegen bewusst zurück oder haben keine Kapazitäten für virtuelle Angebote.
Schlendern, schauen und staunen vom Sofa aus. Die Villa Rot bei Laupheim ist zwar ein kleines Museum, aber in Oberschwaben das erste Haus, das eine Online-Ausstellung auf der Webseite anbietet. Ab sofort sind unter dem Titel „#stayathome – Filme zum Innen und Außen“Videos und Clips von elf zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern zu sehen, die den Einfluss des Digitalen auf unsere Wahrnehmung der Welt thematisieren oder den künstlerischen Blick auf das Innere richten.
„Die Videoschau ist spontan entstanden, als klar war, dass wir für längere Zeit schließen müssen“, sagt Museumsleiter Marco Hompes. Er bietet bewusst ein Format an, das „im Digitalen funktioniert“und keinen virtuellen Rundgang zur aktuellen Wildnis-Ausstellung, wie das andere jetzt oft machen. „Wir wollen mit dem Projekt zeigen, dass Kunst nicht unbedingt an einen physischen Ort gebunden ist und sind gespannt, wie es beim Publikum ankommt.“Die Filme inklusive Einführungen von Marco Hompes persönlich werden so lange zu sehen sein, bis die Corona-Pause zu Ende ist. Anschließend werden die Inhalte von der Webseite gelöscht.
Auf allen Social-Media-Kanälen unterwegs ist das Zeppelin Museum in Friedrichshafen. „Wir posten regelmäßig auf Facebook, Twitter und Instagram“, erzählt Leiterin Claudia Emmert. Und seit 20. März sind jetzt auch die ersten 100 Werke der umfangreichen Sammlung des Hauses auf der Homepage zu entdecken. Allerdings steckt das Programm noch in den Kinderschuhen. Andere digitale Angebote gibt es dort dagegen schon länger: informative Web-Specials wie beispielsweise zu Max Ackermann, ein eigener Blog zu aktuellen Themen und Hintergrundarbeiten sowie eine Mediathek mit Youtube-Videos, die im Haus von den Mitarbeitern produziert werden.
Ganz neu ist der unterhaltsame und informative Beitrag „Wie die Hindenburg zu ihren Stühlen kam“. Museumschefin Emmert ist sich bewusst, dass der digitale Besuch einen wirklichen Rundgang durchs Haus nicht ersetzen kann. Aber: „Durch zusätzliche Inhalte können wir unseren Wahrnehmungskreis erweitern.“Sie betrachtet die Krise deshalb auch als Chance für Museen, dem Bildungsauftrag mit anderen Mitteln nachzukommen. „Viele Häuser werden ihre digitalen Angebote hinterher sicher nicht mehr aufgeben. Im Gegenteil, die Entwicklung wird durch die Krise beschleunigt“, ergänzt sie.
Das Kunsthaus Bregenz (KUB) versorgt das Publikum auch schon lange in sozialen Netzwerken mit Inhalten. „Wir setzen deshalb jetzt nicht auf Schnellschüsse, sondern rücken unser bereits vorhandenes digitales Programm auf der Homepage mehr in den Vordergrund“, sagt Pressesprecherin Martina Feurstein. Mit einem Click landet der Besucher etwa auf einer Fotoserie zum Verfall der Arbeiten in der aktuellen BunnyRogers-Ausstellung oder den Künstlerinterviews der vergangenen Jahre.
Trotzdem hat sich auch das KUB der Situation angepasst und versucht zur Überbrückung der Krise, mit neuen digitalen Kostproben das Interesse am Haus aufrechtzuerhalten. Bestes Beispiel sind die Architekturführungen mit Markus Unterkircher, dem technischen Leiter der Vorarlberger Kulturhäuser. „Er gewährt einen Blick hinter die Fassade oder unters Dach – all das, was man sonst nicht zu sehen bekommt“, so Martina Feurstein. Neu sind ebenso kreative Angebote für Familien aus der Abteilung der Kunstvermittlung, damit Eltern ihre Kinder zuhause sinnvoll beschäftigen können.
Auch das Kunstmuseum Ravensburg ist aktuell dabei, Kreativanleitungen für Kinder zu entwickeln. „Diese werden schon bald auf Facebook und Instagram zu finden sein“, erzählt Museumsdirektorin Ute Stuffer. Ansonsten will sie vorerst neben den den regelmäßigen Posts in den sozialen Medien keine neuen digitalen Inhalte anbieten. „Wir haben die Homepage mit zwei Fernsehbeiträgen zur neuen Schau mit Sophie Calle, da sind die Leute gut versorgt“, sagt sie. Erst wenn die Zwangspause länger als bis nach Ostern andauern sollte, will das Museum zusätzliche Führungsformate anbieten. „Ich beobachte die virtuellen Auftritte unsere Branche ganz genau und man merkt schnell, wer schon lange damit arbeitet und wer nicht.“
Apropos. Vorreiter bei der Digitalisierung in Deutschland ist zweifellos das Städel-Museum in Frankfurt. Der Besucher kann online bequem in den Beständen aus 700 Jahre Kunstgeschichte stöbern. Multimediale Digitorials zu ausgewählten Themen und Künstlern geben interessante Einblicke in vergangene und neu geplante Ausstellungen. Eine spannende Podcast-Serie anlässlich der viel gerühmten Ausstellung „Making van Gogh“erzählt im Stil eines Krimis von einem verschwundenen Meisterwerk des Künstlers. Um nur einige Beispiele zu nennen.
Von solchen digitalen Angeboten kann Stefanie Dathe vom Museum Ulm nur träumen. Die unterschiedlichen Sammlungen des Hauses werden zwar auf der Webseite mit Filmbeiträgen aus dem SWR-Fernsehen und Fotografien von einzelnen Objekten präsentiert, aber der OnlineKatalog ist bislang alles andere als besucherfreundlich. „Wir haben fürs Digitale im Moment kaum personelle Kapazitäten, denn wir sind voll und ganz mit der Umorganisation von geplanten Ausstellungen beschäftigt – wie etwa zum 250-jährigen Jubiläum des Schneiders von Ulm; hinzu kommt der Depotumzug“, sagt die Museumschefin.
Dennoch werden in nächster Zeit kleine Videos für Youtube produziert, die Follower mit ungewöhnlichen Einblicken in den Museumsbetrieb versorgen sollen. „Der Mehrwert ist mir jedoch wichtig“, so Dathe. Koordiniert werden diese Projekte über die Kulturabteilung der Stadt Ulm. In Planung sind ebenso Trailer zu neu eröffneten Ausstellungen im Haus. Solange die Museen aber wegen Corona geschlossen sind, wird sich das Angebot vorerst in Grenzen halten.
Internet: www.villa-rot.de www.zeppelin-museum.de www.kunstmuseum-ravensburg.de www.museumulm.de www.kunsthaus-bregenz.at www.staedelmuseum.de