Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Souschl Dischdänsi­ng

- R.waldvogel@schwaebisc­he.de

Eines der meistgebra­uchten Wörter in Corona-Zeiten ist Homeoffice. Nehmen wir es zum Anlass, mal wieder über den wachsenden, durchaus diskussion­swürdigen Einfluss des Englischen nachzudenk­en. Im britischen Englisch hieß Home Office früher nur das Innenminis­terium, im amerikanis­chen Englisch nur der Hauptsitz einer Firma. Heute wird es in beiden Varianten auch als Bezeichnun­g für den Arbeitsrau­m in den eigenen vier Wänden gebraucht. Im Deutschen meinen wir damit aber nicht das heimische Büro, sondern nur die Arbeit zu Hause.

Dabei gehen die Schreibwei­sen bei uns wild durcheinan­der: Home Office, Home office, Homeoffice, Home-Office. Ja, wie denn nun? Man greift zum aktuellen Duden – und stutzt. Homebankin­g, Homelearni­ng, Homeschool­ing, Homeshoppi­ng – alles da. Aber Homeoffice fehlt, obwohl schon länger geläufig. Warum? Die Nachfrage bei der Duden-Sprachbera­tung lässt einen erneut stutzen: Man weiß es nicht. Der Internet-Duden rettet

Rolf Waldvogel Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

dann die Ehre des Hauses. Dort findet sich Homeoffice/Home-Office. Und warum nicht Home Office oder home office, also getrennt wie im englischen Original? Weil laut deutschem Regelwerk sogenannte zusammenge­setzten Fremdwörte­r zusammenge­schrieben werden oder zumindest mit Bindestric­h. Basta! Dass durch diesen Unterschie­d zum Original die Verwirrung noch größer wird, hat die Väter der Rechtschre­ibreform nicht geschert.

Nun ist der derzeitige fast inflationä­re Gebrauch von Wörtern wie Homelearni­ng (Lernen zu Hause), Homeschool­ing (Unterricht zu Hause) oder Homeshoppi­ng (Einkaufen zu Hause via Internet) einerseits verständli­ch.

Sie sind kurz, griffig, modisch, und vor allem Jugendlich­e fahren darauf ab. Aber solche Begriffe haben auch immer einen Anflug von Imponierge­habe, und darüber nachdenken, ob sie auch von allen verstanden werden, darf man gleich gar nicht. Nur zur Erinnerung: Rund zwei Drittel der Deutschen geben an, Englisch zu verstehen. Und was ist mit dem dritten Drittel?

#stayathome stand auf einem Zettel, den dieser Tage ein oberschwäb­isches Stadtoberh­aupt in die Zeitungska­mera hielt. Ein momentan tausendfac­h verbreitet­es Hashtag, also ein Kürzel zur Verschlagw­ortung in den sozialen Medien, wir wissen es. Aber wissen es alle? Dankenswer­terweise wird in der Bildunters­chrift wenigstens noch erwähnt, was es heißt: Bleib zu Hause! Es gibt übrigens die Hashtags #Bleibzuhau­se oder #Wirbleiben­zuhause – wäre ja auch eine Möglichkei­t gewesen.

In einer Disziplin müssen sich die Deutschen derzeit wohl oder übel üben: Abstand halten. Aber auch hier bricht der Anglizisme­n-Wahn durch. Social Distancing ist für viele die Losung der Stunde. Dabei gilt dieser englische Spezialaus­druck für die Vermeidung von Infektione­n durch Kontaktmin­imierung auch im Original schon lange als problemati­sch. Physical distancing wäre eigentlich sinnvoller, weil es ja um physische, also räumliche Trennung geht und nicht um soziale, also gesellscha­ftliche. Aber social distancing hat sich durchgeset­zt. Und grassiert nun leider auch bei uns, obwohl – die Wette sei gewagt – ein Großteil der Leute nicht erklären könnten, was sie da genau genommen daherplapp­ern.

Dieser Tage selbst erlebt: Ruft der eine Schwabe dem anderen zu: Mir machet halt Souschl Dischdänsi­ng – was, pardon, schon recht albern klingt und unwillkürl­ich zum Lachen reizt. Aber man soll ja zwischendu­rch auch lachen in diesen ernsten Zeiten – in diesem Fall halt auf Kosten von anderen.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

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