Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
So erlebt eine Westerheimerin die Coronapandemie in den USA
Vor 33 Jahren ist Evelin Valdez ausgewandert, heute lebt sie bei Detroit und arbeitet im Homeoffice
WESTERHEIM - Evelin Valdez lebt seit 33 Jahren in den USA. Die heute 52-Jährige ist in Westerheim aufgewachsen als Evelin Mayer. Der Liebe wegen zog sie in die USA und lebt heute in Mount Clemens, ein ehemals wegen seinen Salzbädern beliebter Kurort 15 Meilen nördlich von Detroit im Staat Michigan. Ähnlich wie hierzulande arbeitet sie wegen der Coronapandemie von zuhause aus. Von dort spricht sie mit SZ-Redakteur Christoph Schneider.
Frau Valdez, wie geht es Ihnen im Homeoffice?
Gut, danke. Ich bin das schon gewohnt. Aber im Moment arbeiten alle, die noch Arbeit haben und deren Jobs das ermöglichen, im Homeoffice. Die Bürogebäude sind alle geschlossen.
Wann ging das bei Ihnen in Michigan los?
Vor etwa drei Wochen schlossen Schulen, Kindergärten und ähnliche Einrichtungen. Meine Firma beschloss zu diesem Zeitpunkt, dass wir alle ins Homeoffice gehen. Vor zwei Wochen hat dann der Staat Michigan eine mehr oder minder freiwillige Ausgangsbeschränkung für die Bevölkerung angeordnet. Ganz ähnlich der die derzeit in Baden-Württemberg herrscht: Wir sollen Kontakte mit anderen Menschen meiden, Restaurants dürfen nur noch Speisen zum Mitnehmen anbieten, Fitnessstudios und Bäder sind geschlossen ...
Haben Sie genug Toilettenpapier?
Ja, aber es gibt tatsächlich kein Toilettenpapier mehr in den Geschäften, auch nicht in Großmärkten. Was wollen die Leute bloß mit all dem Toilettenpapier?
Das ist auch bei uns seltsam begehrt ...
Die Leute hamstern. Erst waren Toilettenpapier und Desinfektionsmittel weg, dann Eier. Inzwischen gibt es Mengenbegrenzungen: Man darf nur noch zwei Packungen Eier kaufen und auch nur sechs Konservendosen. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass immer öfter etwas ausverkauft ist. Die leeren Regalreihen erinnern mich an einen Besuch in der DDR in meiner Jugend. Schwer wiegt auch, dass die Öffnungszeiten der Geschäfte hier begrenzt wurden, sie dürfen nur noch von 8 bis 20 Uhr geöffnet sein. Das fühlt sich komisch an. Denn wir sind es gewohnt, dass die Geschäfte rund um die Uhr aufhaben.
Evelin Valdez ist vor 33 Jahren in die USA ausgewandert
Wie haben Sie sich eingedeckt?
Ein bisschen Mehl, Bohnen und solche Sachen, aber keine Massen, eher so, als würde ich Besuch bekommen. Mir ist Frisches sowieso lieber. Ich habe schon früher die hier sehr verbreiteten Lieferdienste in Anspruch genommen und frisches Obst, Gemüse und Fleisch bestellt. Aber man merkt, dass auch die Lieferdienste
Probleme bekommen, weil jetzt alle bei ihnen bestellen – jede Woche ist irgendetwas ausverkauft.
Wie gehen Ihre Angehörigen mit der Situation um?
Ich leben allein mit meinem Hund „Herbie“. Mein jüngster Sohn lebt bei seinem Vater, meine Tochter in Virginia und mein älterer Sohn etwa 50 Kilometer von Mount Clemens entfernt in Michigan. Eigentlich wollte ich im März meine Tochter besuchen, habe mich aber nach längerem Überlegen dagegen entschieden. In Virginia gibt es noch nicht so viele Coronafälle wie bei uns, da muss man das Virus ja nicht noch hintragen.
Wie kommunizieren Sie mit Ihren Kindern?
Wir telefonieren einmal pro Woche und schicken uns jeden Tag eine SMS mit „Hallo, mir geht’s gut“. Und ich bin auch bestens informiert, was in Westerheim vor sich geht. Da lebt ja noch meine ganze Familie und irgendwen erreiche ich immer, wenn ich anrufe.
Wie gestalten Sie ihre Freizeit?
Mein Fitnessstudio ist seit drei Wochen
geschlossen und bietet jetzt jeden morgen um 7 Uhr einen Livestream auf Facebook an. Da habe ich aber noch nicht mitgemacht. Ich gehen aber mit „Herbie“raus – der ist ganz begeistert, dass ich jeden Tag zuhause bin. Ich jogge und ich meditiere. Ich rede mit unseren Nachbarn – wir halten zwar Abstand, lachen aber auch viel. Das tut gut. Man tauscht sich aus und rückt in dieser Krise auch menschlich ein wenig zusammen.
Wie läuft die Arbeit so ohne körperlich anwesende Kollegen im Raum?
Die Kollegen fehlen mir schon. Manchmal ist es ja ganz inspirierend, sich kurz auszutauschen. Dafür musste ich mich im Büro einfach nur umdrehen. Zuhause wird’s schon ein bisschen einsam. Immerhin hat meine Managerin zusätzlich zu den zwei Teamkonferenzen pro Woche eine weitere Konferenz eingerichtet, bei der der menschliche Austausch im Vordergrund steht.
„Was wollen die Leute bloß mit all dem Toilettenpapier?“
Wie lange werden Sie diesen Ausnahmezustand noch aushalten?
So lange es sein muss. Mir fehlen natürlich meine Familie und meine Freunde. Aber wir kriegen das schon noch eine Weile so hin. Auch die Arbeit im Homeoffice funktioniert soweit. Ich frage mich aber, wie lange wir als Land das wirtschaftlich aushalten. Die USA haben ein ganz anderes Sozialsystem als Deutschland, hier gibt es keine Kurzarbeit. Da wurden viele Arbeiter entlassen und Selbstständige sind arbeitslos. Da macht man sich schon Gedanken, wie es weitergehen soll.