Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Corona-Krise stellt Kenia-Projekt und Stiftung vor ungeahnte Herausforderungen
Das Straßenkinderprojekt des evangelischen Kirchenbezirks Bad Urach-Münsingen gibt es heuer seit 20 Jahren
MÜNSINGEN (sz/cs) - Das Straßenkinderprojekt Kenia-Hilfe des evangelischen Kirchenbezirks Bad Urach-Münsingen feiert seinen 20. Geburtstag. Gleichzeitig steht es vor der zweiten schweren Krise seit seinem Bestehen.
Mit 25 Straßenkindern fing es an: Im Januar 2000 kamen die ersten ins neu errichtete Projekt Sugoi in Eldoret. Acht Jahre später waren es bereits 130, die im Heim lebten, in die Schule gingen und die Option auf eine gute handwerkliche Ausbildung hatten. Mit der Beteiligung am Aufbau eines Straßenkinderprojektes wurde aus der langjährigen Partnerschaft des Evangelischen Kirchenbezirks Münsingen mit der Presbyterianischen Kirche in Eldoret eine verpflichtende Aufgabe mit ungewissem finanziellen Risiko.
Entsprechend kritisch abwägend waren die Diskussionen in den verantwortlichen Gremien vor der endgültigen Zusage an die Partner in Kenia gewesen. Aber fünfzehn Jahre mit wechselseitigen Besuchen und engen freundschaftlichen Beziehungen unter Christen aus unterschiedlichen Welten hatten eine solide Vertrauensbasis geschaffen, die letztendlich den Ausschlag gab. Hinzu kam die steigende Anzahl der Kinder in Not: Vor allem die damals noch neue Krankheit AIDS, der viele Eltern zum Opfer fielen, machte Tausende zu unversorgten Waisen.
Niemand in Münsingen hätte sich vorstellen können, dass der Kirchenbezirk und die 2011 gegründete Stiftung Kenia-Hilfe Schwäbische Alb, einmal mit jährlich über 100 000 Euro Hauptsponsor für eine einmalige kenianisch-schwäbische Institution werden würde. Sie trägt derzeit für rund 120 Kinder und Jugendliche die Verantwortung. 80 von ihnen leben im Heim und besuchen Kindergarten und Grundschule. Die anderen wohnen bei Familienangehörigen oder Verwandten und gehen in eine weiterführende Schule oder machen eine Berufsausbildung. Karai kommt für die Gebühren auf, und die Sozialarbeiter schauen regelmäßig nach, wie es den Jugendlichen geht. Fast alle von denen, die vor 20 Jahren als Kinder in das Projekt Sugoi gekommen waren, haben einen Beruf und viele auch eine Familie.
Keiner von ihnen wird jemals die Nacht vom 2. Februar 2008 vergessen: Da wurde das Projekt Sugoi im Zusammenhang mit gewaltsamen Unruhen nach den Präsidentschaftswahlen überfallen und vollständig zerstört. Dank großer Spendenbereitschaft im damaligen Kirchenbezirk Münsingen und darüber hinaus, sowie Unterstützung durch die Presbyterianische Kirche in USA, gelang in den folgenden Jahren der Wiederaufbau am neuen Ort Karai nahe Nairobi. Heute steht dort ein gut funktionierendes Gemeinschaftsprojekt mit kenianischem Management, das in enger Kooperation mit der schwäbischen Stiftung seine täglichen Aufgaben für Heim, Grundschule und Berufsschule bewältigt.
Das Corona-Virus, das inzwischen auch in Afrika auf dem Vormarsch ist, stellt Projekt und Stiftung allerdings vor ganz neue, ungeahnte Herausforderungen. Dasselbe gilt auch für andere Projekte im Kirchenbezirk Bad Urach-Münsingen, die sich regelmäßig am Runden Tisch Afrika treffen und gemeinsame Afrikafeste veranstaltet haben.
Während Deutschland auf den Höhepunkt der Krise zusteuert, steht Kenia erst am Anfang.
Marlene Zierheim, die Vorsitzende des Stiftungsvorstandes berichtet, wie man sie in Karai zu bewältigen versucht: Grundschule und Berufsschule sind wie alle Schulen in Kenia geschlossen und die Lehrer zu Hause. Im Heim sind nur noch 20 Kinder, die von möglichst wenigen Mitarbeitern beschäftigt und versorgt werden. Jetzt zahlt es sich aus, dass die Sozialarbeiter in oft mühsamer Arbeit die Familien der Kinder ausfindig machen und den Kontakt wenn irgend möglich wieder herstellen. Der krebskranke Stanley, bei dem die Chemotherapie bisher sehr gut anschlägt, hat jetzt einen eigenen Schlafraum und muss notfalls ganz isoliert werden.
Anstatt die üblichen öffentlichen Transportmittel mit hohem Infektionsrisiko zu benutzen, kommen die Angestellten zu Fuß oder werden mit dem Auto abgeholt. Generalmanager Moses Chege hat es zum Glück nicht weit und ist täglich vor Ort. Finanzmanagerin Joyce Wangari arbeitet zu Hause, auch weil ihre Kinder nicht in die Schule können. Alle Freiwilligen sind gerade noch rechtzeitig nach Deutschland abgereist, darunter auch einer, der erst fünf Tage vorher angekommen war.
„Ich mache mir große Sorgen um Kenia, um Kinder und Personal in Karai und um meine Freunde im Land“, sagt Gisela Keller, die im Februar noch das Projekt besucht hatte.
Standard und Kapazität des Gesundheitswesens liegen weit unter dem in Europa, von ein paar exklusiven Kliniken abgesehen. Die wenigsten Kenianer haben eine Krankenversicherung. Und wo sollen sich die Menschen mit günstigen Lebensmitteln eindecken, wenn die offenen Märkte geschlossen werden? Wovon sollen die vielen kleinen Händler ihre Familien ernähren, wenn sie nichta verkaufen dürfen? Wenn im Tourismus nichts mehr geht sind Hunderttausende einfach arbeitslos, ohne auf ein soziales Netz oder ein dickes finanzielles Hilfspaket von der Regierung rechnen zu können.
Mit ziemlicher Sicherheit wird die Krise auch Karai und die anderen Afrikaprojekte im Kirchenbezirk finanziell treffen: Schulgebühren fehlen, Lehrergehälter müssen aber weiterlaufen. In den Werkstätten der Berufsschule kann nichts produziert werden. Spendenveranstaltungen hier und in Kenia sind abgesagt. www.keniahilfe-schwaebischealb.de Spendenkonto Kenia-Hilfe
Ev. Kirchenbezirkskasse Bad Urach-Münsingen
IBAN: DE59 6405 0000 0001 0015 34
BIC: SOLADES1REU Verwendungszweck: „Kenia-Hilfe“und Adressangabe für Spendenbescheinigung