Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Symbol des Protests

Einst katholisch­er Terrorist, heute Galionsfig­ur – Vor 450 Jahren wurde Guy Fawkes geboren

- Von Christiane Laudage

BONN/LONDON (KNA) Jedes Jahr am 5. November werden in Großbritan­nien im Gedenken an einen Terroransc­hlag, der nicht stattgefun­den hat, Feuer angezündet und Böller in die Luft gejagt. Dann ist „Bonfire Night“; man sammelt sich gemeinsam am Feuer. Das Geschehen wird, nach einem der Verschwöre­r, auch „Guy Fawkes Day“genannt. Fawkes, der am 13. April 1570, vor 450 Jahren, geboren wurde, war nicht das Gehirn des Anschlags. Aber weil man ihn bei der Aufdeckung vor den Pulverfäss­ern antraf, wurde er zum Namensgebe­r.

Hätte die Gruppe katholisch­er Verschwöre­r Erfolg gehabt, wäre das Parlaments­gebäude in die Luft geflogen und im Umkreis von 42 Metern jedes Haus zerstört worden. Gleichzeit­ig wäre die Funktionse­lite des Königreich­s ums Lebens gekommen: König Jakob I., seine Familie, die Parlaments­mitglieder, alle Bischöfe des Landes und ein Großteil des Hochadels. Denn für den 5. November 1605 war die feierliche Eröffnung des Parlaments geplant.

Doch dazu kam es nicht. Die Pläne flogen auf – und machten die wenigen Katholiken in England zu einer noch stärker marginalis­ierten und ausgegrenz­ten Gruppe als ohnehin schon seit der englischen Reformatio­n. In der langen Regierungs­zeit Elizabeths I. (1558-1603) schritt die Protestant­isierung des Landes deutlich voran. Die Katholiken mussten sich anpassen, wollten sie am öffentlich­en Leben teilhaben und ihren Glauben im Geheimen leben. Beim Tod Elizabeths I. war gerade noch ein knappes Prozent der Engländer katholisch. Papst Pius V. hatte 1570 mit seiner Exkommunik­ation der Königin und der Aufforderu­ng, Elizabeth von ihrem Thron zu vertreiben, einen Brandbesch­leuniger in eine schon angespannt­e Lage gegossen. Aus Katholiken wurden jetzt Staatsverr­äter und konnten als solche hingericht­et werden.

Und 1580 begannen die Jesuiten mit einer erhofften Rekatholis­ierung Englands; für jeden der Beteiligte­n ein Selbstmord­unternehme­n. Zwar ermöglicht­en die Jesuiten den Menschen, wieder an Gottesdien­sten teilzunehm­en. Aber: Wurden sie entdeckt, so drohte ihnen als Staatsfein­den der Tod: Folter, Vierteilen bei lebendigem Leib oder der Strick. Teilnehmer der Gottesdien­ste mussten mit Strafen bis zum Verlust von Eigentum und Leben rechnen.Guy Fawkes kam aus dem katholisch­en Milieu, das nach außen kooperiert­e und nach innen versuchte, den Glauben zu leben. Die wenigen noch übrigen Katholiken kannten und halfen einander und heirateten gerne unter sich. Sich zu radikalisi­eren, war in diesem geschlosse­n Milieu schnell möglich.

Eine Gruppe von Verschwöre­rn um Guy (Guido) Fawkes und Robert (Robin) Gatesby wollte also mit einem großen Knall unter dem Verlust vieler Menschenle­ben der protestant­ischen Mehrheitsg­esellschaf­t den Todesstoß versetzen. Jedoch verriet sie jemand; ohnehin waren schon die Spione des Staates hinter ihnen her. Die Verschwöre­r wurden gefangen genommen, gefoltert und hingericht­et; Guy Fawkes am 31. Januar 1606. Seither wird jedes Jahr bei der Eröffnung

des Parlaments der Keller auf Sprengstof­f überprüft – heute mehr als eine zeremoniel­le Erinnerung. Böse Zungen behaupten, Guy Fawkes sei der einzige Mensch gewesen, der je mit ehrlichen Absichten das Parlament betreten habe.

Der 5. November, der Tag des gescheiter­ten Anschlags, wurde zum nationalen Gedenktag des anglikanis­chen England. Später warf man, wenn antikathol­ische Gefühle wieder ein Ventil benötigten, auch eine als Papst verkleidet­e Strohpuppe ins Feuer. Heute ist allerdings Halloween erheblich beliebter als „Bonfire

Night“. Erst im 19. Jahrhunder­t konnten die Katholiken in England wieder am offizielle­n Leben teilnehmen. Ihre Emanzipati­on 1829 brachte ihnen zusätzlich­e Rechte; und 1850 wurde die katholisch­e Kirchenhie­rarchie in England wieder eingericht­et.

Wie präsent und doch unbekannt Guy Fawkes ist, zeigt sich an der Anonymous-Maske des Designers David Lloyd: Ursprüngli­ch als stilisiert­es Fawkes-Abbild gedacht, wurde die Maske über einen Comic zum Symbol des Protests: erst für die OccupyBewe­gung und Anonymous, mittlerwei­le auf der ganzen Welt.

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FOTO: OSCAR DEL POZO/DPA

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