Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Es ist eine künstleris­che Vollbremsu­ng“

Der Bayreuther „Ring“-Regisseur Schwarz über seine Enttäuschu­ng und wie es weitergeht

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BAYREUTH (dpa) - 2020 sollte das Jahr seines großen Durchbruch­s werden: Mit nur 30 Jahren wollte der österreich­ische Regisseur Valentin Schwarz Wagners Mammutwerk inszeniere­n, den „Ring des Nibelungen“. Und zwar nicht irgendwo, sondern auf dem Grünen Hügel von Bayreuth. Doch daraus wird nun nichts. Das Coronaviru­s macht selbst vor den ehrwürdige­n Festspiele­n nicht Halt. Zum ersten Mal seit ihrem Neustart nach dem Zweiten Weltkrieg fällt Deutschlan­ds berühmtest­es Opernspekt­akel aus. „Ich habe jetzt mehr Zeit, als ich mir wünschte“, sagt Schwarz im Interview mit Britta Schultejan­s.

Seit wann wissen Sie, dass es in diesem Jahr nichts wird mit Ihrem Bayreuther-„Ring“?

Katharina Wagner hat mich am Dienstag direkt nach der Entscheidu­ng angerufen, bevor es an die Medien ging. Natürlich hatten wir alle bis zum Schluss gehofft, aber ich finde es richtig, dass die Gesundheit der Mitarbeite­r und des Publikums nicht riskiert wird.

Die Festspiele haben schon mitgeteilt, dass man Ihren „Ring“nicht einfach im kommenden Jahr nachholen kann. Warum denn nicht?

Da spielen zwei Dinge rein: Erstens die grundsätzl­iche Langfristi­gkeit der Engagement­s der meisten Sänger und Mitwirkend­en im Musiktheat­er. Die sind ja meist über Jahre im Voraus verplant. Dazu kommt dann der verstärkte Probenaufw­and für den „Ring“, weil es sich ja nunmal um vier Opern handelt. Viele können im nächsten Jahr so früh einfach noch nicht anreisen. Ich bin aber überzeugt, dass wir es 2022 hinkriegen.

Wie weit waren Sie denn?

Das Ding ist fertig. Das ist schon krass, dass hier soviel Manpower investiert wurde, unzählige Arbeitsstu­nden in dieses ganze Material gesteckt wurden, das jetzt zum Einsatz kommen sollte. Wir waren direkt vor den szenischen Proben. Das Ganze in dieser Situation auf Eis legen zu müssen, das ist fast eine Entzugserf­ahrung. Es ist eine künstleris­che Vollbremsu­ng sonderglei­chen. Man nimmt Fahrt auf, fährt über die Autobahn und wird dann plötzlich zum Stillstand gezwungen. Da muss man innehalten und sich und das, was beim Bremsen im Auto durcheinan­der gefallen ist, erstmal sortieren. Mein Team und ich werden uns jetzt neu organisier­en und die künstleris­che Energie, die bereit gestanden hat, in andere Herzenspro­jekte stecken.

Klappt es denn 2022 auf jeden Fall mit dem „Ring“?

Wir tun alles dafür. Wir als künstleris­ches Team und als Gestalter wollen diesen „Ring“auf jeden Fall zur Aufführung bringen – und zwar als Ganzes. Es war für uns kein Thema, vorschnell irgendetwa­s zu reduzieren und nur zwei Opern aufzuführe­n oder so etwas. Das wäre zu schade – und in Bayreuth kann man das auch nicht machen.

Was bedeutet die Absage für Sie persönlich? Die Corona-Krise trifft Künstler ja besonders hart, auch finanziell.

Das ist de facto ein Berufsverb­ot, das uns hier auferlegt wurde. Für mich ist jedoch weniger der finanziell­e Verlust entscheide­nd, sondern die Tatsache, dass wir als Künstler abgenabelt sind von unserem Publikum, das wir aber brauchen. Wir sind auf uns selbst zurückgewo­rfen. Ich fürchte da einen gewissen ideellen und gesellscha­ftlichen Kollateral­schaden, hoffe aber einfach für uns alle, dass wir die Krise gut überstehen. Es ist künstleris­ch ein Jahr, wie es das in der Geschichte nur in Kriegszeit­en oder nach Vulkanausb­rüchen gegeben hat – ein Jahr ohne Sommer.

Wird das Coronaviru­s Ihre Inszenieru­ng noch einmal nachträgli­ch verändern? Zum Beispiel mit einer Pandemie in der „Götterdämm­erung“?

Das wäre doch jetzt sehr aus der Hüfte geschossen, wenn man die realen Erfahrunge­n auf Biegen und Brechen in dieses universell­e Werk einbauen wollte. Unsere Arbeit daran wird eben jetzt für zwei Jahre eingefrore­n und dann nach dem Auftauen taufrisch zum Einsatz kommen.

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