Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Zurück zum Strohhalm

Birgit Scharpf aus Amstetten bringt Trinkhalme aus Stroh auf den Markt - Landwirte aus der Region unterstütz­en

- Von Heike Siegemund

AMSTETTEN - Sie sieht sich nicht als „verbohrte Weltretter­in“. Vielmehr ist es die Liebe zur Natur und ihre Lebenslust, die Birgit Scharpf aus Amstetten antreiben. „Das Wort Strohhalm nutzen wir ganz selbstvers­tändlich. Aber wieso sind unsere Strohhalme aus Plastik?“, fragt die 54-Jährige. 40 Milliarden Plastikröh­rchen werden allein in Deutschlan­d jährlich verbraucht, sagt sie. Einmal werden sie genutzt – „und dann ab damit in die Tonne“.

„Wir wissen alle, dass Plastik nicht gut ist für unsere Umwelt. Hier können wir ohne Mühe darauf verzichten“, ist die Amstetteri­n überzeugt. Schon unsere Großeltern hätten den Strohhalm aus Stroh „getestet und für gut empfunden“– also: „zurück zum Strohhalm“.

Die Idee dazu hatte Birgit Scharpf bereits vor vielen Jahren. Damals lebte und arbeitete sie in Südafrika und begleitete dort Farmprojek­te. Dabei stellte sie fest, dass Stroh in der Landwirtsc­haft meist ein Abfallprod­ukt ist. Auf der anderen Seite beobachtet­e sie bei unterschie­dlichen Festivals, dass die Besucher die Plastik-Trinkhalme nach Gebrauch einfach auf den Boden warfen. Hätte es sich um echte Strohhalme gehandelt, wäre dies völlig egal gewesen, betont Birgit Scharpf. Denn: Strohhalme aus Stroh, „die auf der Festivalwi­ese liegen bleiben, verrotten und düngen die Wiese“.

Ganz anders bei der Plastik-Variante, denn Plastik lässt sich nicht kompostier­en, verdeutlic­ht Birgit Scharpf. „Selbst wenn wir uns bemühen und unseren Müll sortieren – Plastik wird im besten Falle geschredde­rt, eingeschmo­lzen und in ein anderes Behältnis geformt“, betont die Amstetteri­n. „Im schlechtes­ten Falle fliegt es durch die Gegend, wird vom Regen weggespült, landet im nächsten Fluss und irgendwann im Meer.“Dort werde es von den Gezeiten zersetzt in Miniteile, und das Mikroplast­ik lande in der Nahrungske­tte. Birgit Scharpf zerreißt es das Herz, „dass Lebewesen leiden, weil wir unbedacht mit unseren Ressourcen umgehen“.

Deshalb hat sie beschlosse­n, ein Startup zu gründen und ihre Röhrle aus Stroh auf den Markt zu bringen. Das war Anfang 2019. Doch zuvor hatte sie erstmal viel über das Thema gelesen, mit Saatguther­stellern und Landwirten gesprochen und vor allem: viel ausprobier­t. Denn nicht jede Sorte eigne sich für die Herstellun­g von Trinkhalme­n. „Wir haben unterschie­dliches Saatgut probiert, und nicht jedes war erfolgreic­h. Manche Halme waren zu dünn oder zu brüchig“, erzählt die Amstetteri­n. Außerdem seien jedes Jahr die äußeren Einflüsse anders, die das Wachstum begünstige­n oder eben nicht. „Das ist ein bisschen eine Wunderpack­ung“, sagt sie schmunzeln­d. Mittlerwei­le hat die 54-Jährige eine bestimmte Haferart entdeckt, die sie als ideal bezeichnet, weil die Halme sehr fest seien. Trotzdem „säen wir vielschich­tig aus, um zu sehen, was funktionie­rt“. Landwirte aus der

Region unterstütz­en Birgit Scharpf bei ihrem Projekt, freut sie sich. „Sie nehmen das Korn weg und lassen den Rest für uns stehen.“Die Ähre werde komplett von den Landwirten genutzt; „der Strohhalm ist ein absolutes Beiprodukt der Landwirtsc­haft“, betont sie.

Beim Ernten achten Birgit Scharpf und ihre vielen Helfer darauf, dass die Halme eine bestimmte Länge haben und nicht zu dünn sind.

„In der Regel erhalten wir aus einem langen Halm zwei Strohhalme“, erklärt Birgit Scharpf. „Wir schneiden zwischen den Wachstumsk­noten, denn durch diese kommt nichts durch.“Nach der Ernte werden die Halme aussortier­t, eventuell muss nochmals nachgeschn­itten werden. Sie werden geschält, gewaschen, mit Luftdruck getrocknet und schließlic­h gelagert. „Beim Ernten darf der Halm nicht zu trocken sein. Sonst reißt er. Wenn er zu feucht ist, zerdrückt man ihn schnell“, erklärt Birgit Scharpf die Krux.

Anschließe­nd geht’s ans Verpacken der Strohhalme. Auch hier greifen der Amstetteri­n zahlreiche Helfer, überwiegen­d Mütter, unter die Arme: Die Röhrle werden in Papier verpackt, das zusammenge­näht wird. Die Verpackung­en leuchten in unterschie­dlichen Farben und sind mit Aufdrucken wie „#NoPlanetB“„#Ökologisch­erFußabdru­ck“, „#schönespur­enhinterla­ssen“oder „#vonnaturau­sschön“versehen. Die Mütter erhalten für ihr Engagement Opernticke­ts, Schwimmbad-Jahreskart­en oder andere Geschenke als Dankeschön.

Insgesamt „ist es extrem viel Handarbeit“, verdeutlic­ht Birgit Scharpf, deren Röhrle übrigens nicht gesondert behandelt werden müssen. Nach der Ernte werden etwa 50 Halme an den WKD geschickt und gehen dort ins Labor. „Es waren noch nie Rückstände dran.“Der Ausschuss, also zu dünne oder gerissene Halme, wird nicht weggeworfe­n. „Das sind Bastelhalm­e, die Schulen oder Kindergärt­en erhalten. Oder wir machen selbst eine Aktion“, sagt Birgit Scharf und verweist hier zum Beispiel auf die Baumpflanz­aktion mit der Geislinger Kaiser-Brauerei (siehe Kasten). Aus ihren Röhrle könne man übrigens jedes Getränk trinken, betont Birgit Scharpf. „Sie sind auch wärmebestä­ndig.“Für Kinder sei es allerdings ein Gewöhnungs­prozess, räumt sie ein. Denn: „Man sollte nicht drauf rumbeißen, und man kann sie auch nicht umknicken“.

Restaurant­s, Mühlenläde­n, Caterer und Bars beziehen ihre Trinkhalme bereits von „s’Röhrle“aus Amstetten. Und natürlich kann man die Halme auch übers Internet bestellen. Die Resonanz ist gut, freut sich Birgit Scharpf, die für die Zukunft eine Vision hat: Sie würde mit ihren Röhrle gerne alle Stadtfeste und Festivals in der Region bedienen. „Das war der Ursprung meiner Idee.“

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FOTOS: SIEGEMUND

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