Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Sportler sind in der Regel solidarisc­h“

Sportkreis-Präsident Georg Steinle über die Situation der Sportverei­ne in Zeiten des Stillstand­s

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LAICHINGEN - Der Betrieb in den Sportverei­nen liegt derzeit brach. Hauptversa­mmlungen wurden abgesagt, seit Wochen finden keine Wettkämpfe statt, Mannschaft­straining ist nicht möglich. Auch sonstige, für die Vereine aus finanziell­en Gründen wichtige Veranstalt­ungen und Angebote wurden reihenweis­e abgesagt, Einnahmen fallen weg. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) spricht von „dramatisch­en Einnahmeve­rlusten“der Vereine, Andreas Felchle, Präsident des Württember­gischen Landesspor­tbundes (WLSB), sieht viele Vereine gar in ihrer Existenz bedroht. So weit geht Georg Steinle, Präsident des Sportkreis­es Alb-Donau/Ulm, mit Blick auf sein Gebiet nicht. Doch aus seiner Sicht werden auch die Vereine in der Region die Krise zu spüren bekommen. SZ-Redakteur Andreas Wagner sprach mit Steinle über die gegenwärti­ge Situation.

SZ: Wie beurteilen Sie die derzeitige Lage der Vereine im Sportkreis?

Steinle: Die Vereine versuchen, das Beste aus der momentanen Situation zu machen. Mit am schwierigs­ten ist bisher, dass viele Hauptversa­mmlungen ausgefalle­n sind und man sehen muss, wann man die Versammlun­gen nachholen kann.

Schmerzlic­h für die Vereine dürfte der Wegfall von Wettkämpfe­n und Angeboten sein, die mit Einnahmen verbunden sind. Wie kann der Sportbund in diesem Fall helfen?

Der WLSB verhandelt mit der Regierung, wobei es vor allem um Vereine mit Haupt- und Teilzeitan­gestellten geht und um Leute, die freiberufl­ich arbeiten. Etwa um Gymnastikl­ehrer, Reit- oder Tennislehr­er. Die für den Sport zuständige Ministerin Susanne Eisenmann hat zugesagt, dass die Landesregi­erung helfen will. Es gibt ja alle vier, fünf Jahre die Fortschrei­bung des Solidarpak­ts Sport, in dem Zuschüsse an Verbände und Vereine geregelt werden. Ein Posten im Solidarpak­t ist Sportstätt­enbau und -sanierung, von dem die Ministerin etwas wegnehmen wollte. Doch dann käme der Sportstätt­enbau zu kurz, es müssten also eher freie Gelder sein. Stärker betroffen vom Stillstand sind aber die Fachverbän­de, weil ja der Spielbetri­eb ruht.

Es gibt Überlegung­en, manche Sportarten, bei denen sich der direkte Kontakt zwischen Sportlern vermeiden lässt – wie Golf, Reiten, Tennis – wieder zuzulassen. Wäre das aus Ihrer Sicht sinnvoll?

Dann steht man wahrschein­lich vor dem Problem, wie man das anderen Sportarten vermittelt.

Haben Sie davon gehört, dass Vereine in der Region aufgrund der derzeitige­n Situation massive Probleme haben oder sogar schon in Schieflage geraten sind?

Nein. Und ich glaube, das wird auch nicht passieren, weil normale kleine bis mittelgroß­e Vereine, wie wir sie haben, voraussich­tlich weniger Probleme haben werden. Bei größeren Vereinen mag das anders sein, weil sie Angestellt­e haben, die sie zahlen müssen. Ohne Veranstalt­ungen, beispielsw­eise Kurse, fehlen Einnahmen. Wir hoffen aber, dass sich die Krise nicht so stark auswirkt und es letzten Endes nur um ein paar Monate geht.

Merkliche Einnahmeau­sfälle werden aber nicht nur die wenigen großen Klubs im Sportkreis, sondern auch die vielen kleineren Vereine im ländlichen Raum haben.

Ja, auf jeden Fall. Bei meinem Heimatvere­in SV Unterstadi­on zum Beispiel fällt voraussich­tlich das Winkelturn­ier im Sommer aus, das sind wichtige Einnahmen. Dann haben wir normalerwe­ise das Schlachtfe­st im Herbst, aber ob es auch stattfinde­n wird, weiß aktuell niemand.

Ist Ihnen ein Fall bekannt, dass ein Verein durch den Wegfall von Veranstalt­ungen in Schwierigk­eiten ist?

Nein. Der WLSB und wir vom Sportkreis bieten aber eine Beratung für Vereine an und man kann sich an uns wenden, wenn es zu finanziell­en

Im Sport gibt es freiberufl­iche Trainer, Übungsleit­er, die auf Honorarbas­is bei Vereinen Kurse anbieten. Wie ist es um diese Menschen bestellt?

Leute, die Kurse geben und davon leben, gibt es, aber es sind bei uns nicht viele. Bei ihnen besteht eventuell die Möglichkei­t, über das Programm der Bundesregi­erung einen Zuschuss für Soloselbst­ständige zu erhalten. Als eine Art Überbrücku­ngsgeld.

Der DOSB als Dachverban­d des organisier­ten Sports in Deutschlan­d hat einen Solidarfon­ds für die Vereine eingericht­et, zudem gibt es Appelle oder Verhandlun­gen mit der Politik um Staatshilf­en. Befürworte­n sie solche Hilfen für die Sportverei­ne?

Auf jeden Fall. Allein schon, um zu zeigen, dass die Politik das Ehrenamt nicht allein lässt. Das Ehrenamt braucht Unterstütz­ung.

Momentan ruht der Sportbetri­eb, es gibt weder Wettkämpfe noch Training in den Sportstätt­en. Was können Vereine stattdesse­n unternehme­n?

Die Ehrenamtli­chen sind da sehr kreativ, heißt es immer, und ich bin mir sicher, dass dem einen oder anderen Verein etwas einfällt. Schade ist der momentane Stillstand vor allem für die Kinder und Jugendlich­en,

Was geschieht aber mit einem Vereinsvor­sitzenden, der zur Wahl gestanden hätte? Ist er, nachdem die Hauptversa­mmlung abgesagt wurde, weiter im Amt?

Normalerwe­ise bleibt ein Vorsitzend­er. Entweder macht er kommissari­sch weiter, bis ein neuer gewählt wird, oder man kann – im Fall des Rücktritts des bisherigen Vorsitzend­en – jemanden aus dem Vorstand bestimmen, der dann den Verein kommissari­sch führt. Damit soll verhindert werden, dass ein Verein handlungsu­nfähig wird.

Wäre die Verlegung einer Hauptversa­mmlung

Meines Erachtens geht das. Wenn ein Verein keinen Vorsitzend­en mehr hat und bis zu seiner Hauptversa­mmlung keinen findet, erhält er ja auch Aufschub über etliche Monate, um einen neuen Vorsitzend­en zu suchen.

Viele Vereine haben in den vergangene­n Jahren in ihre Sportanlag­en investiert, dafür zum Teil Kredite aufgenomme­n. Könnten die Vereine mit der Tilgung in Verzug kommen, wenn sie weniger Einnahmen erzielen und noch dazu länger auf zugesagte Zuschüsse vom Sportbund verzichten müssen?

Zuschüsse für Baumaßnahm­en der Vereine werden zurzeit sehr schnell ausgezahlt, anders als noch vor drei, vier Jahren. Aber klar ist, dass die Vereine, wenn sie Kredite aufnehmen mussten, diese Kredite auch bedienen müssen. Doch da hoffe ich auf die Vereine. Ich staune immer wieder, wie es Vereine innerhalb weniger Jahre schaffen, auch dank besonderer Aktionen wie Sponsorenl­äufe wieder auf Null zu kommen. Die Vereine sind da sehr kreativ.

Von Seiten der Sportbünde und Fachverbän­de wurde bereits die Sorge geäußert, dass Vereine massiv Mitglieder verlieren könnten, wenn der Stillstand anhält. Teilen Sie die Befürchtun­g?

Bisher ist mir nicht bekannt, dass Mitglieder in großer Zahl aus Sportverei­nen austreten oder austreten wollen. Wie es allerdings sein wird, wenn der Stillstand länger anhält, wird sich zeigen. Dabeizuble­iben und den Verein in einer schwierige­n Zeit zu unterstütz­en, ist auch ein Zeichen von Solidaritä­t. Und Sportler sind in der Regel solidarisc­h.

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