Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Es war ein Wolf
Tier im Kreis Neu-Ulm überfahren – Jäger erklärt, warum sich Menschen nicht sorgen müssten
NEU-ULM - Fachleute haben es vermutet, jetzt steht fest: In den vergangenen Tagen war im Landkreis NeuUlm ein Wolf unterwegs. Das etwa 30 Kilo schwere, zwei Jahre alte Weibchen wurde zwischen Holzschwang und Hausen von einem Auto erfasst (wir berichteten). Die Untersuchung des Kadavers hat ergeben, dass es sich nicht um einen großen Hund, sondern um ein Exemplar von Canis lupus handelte.
Elmar Zeller aus Steinheim war sich sofort sicher, als er das tote Tier sah. Der Jäger arbeitet ehrenamtlich für das Netzwerk Große Beutegreifer und wird gerufen, wenn irgendwo in Bayern vermutet wird, dass ein Wolf, Bär oder Luchs seine Spuren hinterlassen hat – beispielsweise, weil Schafe gerissen wurden.
Zeller wurde am Mittwochmorgen von der Unteren Naturschutzbehörde informiert und fuhr raus, um den Kadaver unweit der Unfallstelle in Augenschein zu nehmen. Seine Aufgabe ist es, akribisch die Spuren zu sichern, Fotos zu machen und alle Informationen für die Dokumentation zusammenzustellen. Warum er davon überzeugt war, dass er einen Wolf vor sich sah? „Das entscheidende Kriterium waren für mich die Krallen“, sagte Zeller. Die seien total abgelaufen gewesen, viel mehr als bei Hunden üblich. Das liege einfach daran, dass Wölfe sehr große Strecken zurücklegen. Auch alle anderen Experten, die das Tier gesehen haben, hätten gesagt: „Das ist ein Wolf.“
Der Fachmann brachte den Kadaver zu einem Veterinär in Nersingen. Dort wurde der Wolf geröntgt, um sicher zu stellen, dass er tatsächlich überfahren und nicht etwa erschossen wurde. Die Untersuchung ergab, dass das Tier tatsächlich durch einen Unfall ums Leben gekommen ist. Um zweifelsfrei festzustellen, ob es sich um einen Wolf handelt, wurde der Tierkörper erst ins Bayerische Landesamt für Umwelt nach Hof gebracht und von dort ins Leibnitz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin. Zudem wurden genetische Proben zur Untersuchung an das Senckenberg-Institut für Wildtiergenetik versandt. Am Freitagnachmittag erhielt Elmar Zeller die Rückmeldung: Sowohl die Untersuchungen beim Referat Wildtiermanagement in Hof als auch die Tests am Leibniz-Institut haben die Vermutung bestätigt, dass es ein Wolf ist.
Vermutlich dasselbe Tier – ganz sicher ist das natürlich nicht – hat ein Jogger kurz zuvor noch lebend gesehen. Mateusz Puzon war am Ostersonntag
gegen 17 Uhr im Wald zwischen Aufheim und Gerlenhofen unterwegs. Plötzlich entdeckte er einen großen Hund, wie er dachte: „Er stand vielleicht 20, 30 Meter weit entfernt“, beschrieb Puzon die Situation. Der Vierbeiner schien an der Pfote verletzt zu sein. Dann habe das Tier den Kopf hochgenommen, „und da habe ich gesehen, dass es ein Wolf ist“. Er sei erschrocken und schnell nach Aufheim zurückgelaufen. Vorher machte Puzon aber noch ein Foto mit seinem Smartphone.
Wölfe waren in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert ausgestorben, erst seit Ende der 1990er-Jahre gibt es wieder einige Rudel oder auch Paare und Einzeltiere. In Bayern sind Wölfe nach wie vor extrem selten. Wie kam das Weibchen also in den Landkreis Neu-Ulm? „Das war eine Wölfin, die ihr Rudel verlassen und eine neue Heimat gesucht hat“, vermutet Elmar Zeller. Der Jäger hatte bereits vor zwei Jahren bei Unterfahlheim nachts per Wärmebildkamera ein Tier gesehen, das er für einen Wolf hielt. Diesmal ist der Fall jedoch offiziell bestätigt – leider nur deshalb, weil der Lupus ums Leben kam und somit genau untersucht werden konnte.
Dass Isegrim jetzt dauerhaft zurück ist in der Region, glaubt Christian Liebsch nicht. „Es ist nicht davon auszugehen, dass sich der Wolf hier niederlassen wollte“, sagte der Vorsitzende der Kreisgruppe Neu-Ulm im Bayerischen Jagdverband. „Er war vermutlich auf dem Weg Richtung Norden, weil er Anschluss suchte.“Bestätigte Rudel gebe es beispielsweise in Nordbayern. Da Wölfe jeden Tag große Strecken zurücklegen, hätte das Weibchen es nach Ansicht von Liebsch durchaus dorthin schaffen können. Beim Versuch, die Autobahn zu unterqueren, sei es dann überfahren worden. Wölfe seien scheu, und auch das jetzt getötete Exemplar habe sich keiner Siedlung genähert. „Deswegen muss man sich keine Sorgen machen“, sagte der Vorsitzende der Kreisjägerschaft. Auch Elmar Zeller aus Steinheim betont: „Der Wolf weicht dem Menschen aus, der ist vorsichtig.“