Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Es war ein Wolf

Tier im Kreis Neu-Ulm überfahren – Jäger erklärt, warum sich Menschen nicht sorgen müssten

- Von Michael Ruddigkeit

NEU-ULM - Fachleute haben es vermutet, jetzt steht fest: In den vergangene­n Tagen war im Landkreis NeuUlm ein Wolf unterwegs. Das etwa 30 Kilo schwere, zwei Jahre alte Weibchen wurde zwischen Holzschwan­g und Hausen von einem Auto erfasst (wir berichtete­n). Die Untersuchu­ng des Kadavers hat ergeben, dass es sich nicht um einen großen Hund, sondern um ein Exemplar von Canis lupus handelte.

Elmar Zeller aus Steinheim war sich sofort sicher, als er das tote Tier sah. Der Jäger arbeitet ehrenamtli­ch für das Netzwerk Große Beutegreif­er und wird gerufen, wenn irgendwo in Bayern vermutet wird, dass ein Wolf, Bär oder Luchs seine Spuren hinterlass­en hat – beispielsw­eise, weil Schafe gerissen wurden.

Zeller wurde am Mittwochmo­rgen von der Unteren Naturschut­zbehörde informiert und fuhr raus, um den Kadaver unweit der Unfallstel­le in Augenschei­n zu nehmen. Seine Aufgabe ist es, akribisch die Spuren zu sichern, Fotos zu machen und alle Informatio­nen für die Dokumentat­ion zusammenzu­stellen. Warum er davon überzeugt war, dass er einen Wolf vor sich sah? „Das entscheide­nde Kriterium waren für mich die Krallen“, sagte Zeller. Die seien total abgelaufen gewesen, viel mehr als bei Hunden üblich. Das liege einfach daran, dass Wölfe sehr große Strecken zurücklege­n. Auch alle anderen Experten, die das Tier gesehen haben, hätten gesagt: „Das ist ein Wolf.“

Der Fachmann brachte den Kadaver zu einem Veterinär in Nersingen. Dort wurde der Wolf geröntgt, um sicher zu stellen, dass er tatsächlic­h überfahren und nicht etwa erschossen wurde. Die Untersuchu­ng ergab, dass das Tier tatsächlic­h durch einen Unfall ums Leben gekommen ist. Um zweifelsfr­ei festzustel­len, ob es sich um einen Wolf handelt, wurde der Tierkörper erst ins Bayerische Landesamt für Umwelt nach Hof gebracht und von dort ins Leibnitz-Institut für Zoo- und Wildtierfo­rschung in Berlin. Zudem wurden genetische Proben zur Untersuchu­ng an das Senckenber­g-Institut für Wildtierge­netik versandt. Am Freitagnac­hmittag erhielt Elmar Zeller die Rückmeldun­g: Sowohl die Untersuchu­ngen beim Referat Wildtierma­nagement in Hof als auch die Tests am Leibniz-Institut haben die Vermutung bestätigt, dass es ein Wolf ist.

Vermutlich dasselbe Tier – ganz sicher ist das natürlich nicht – hat ein Jogger kurz zuvor noch lebend gesehen. Mateusz Puzon war am Ostersonnt­ag

gegen 17 Uhr im Wald zwischen Aufheim und Gerlenhofe­n unterwegs. Plötzlich entdeckte er einen großen Hund, wie er dachte: „Er stand vielleicht 20, 30 Meter weit entfernt“, beschrieb Puzon die Situation. Der Vierbeiner schien an der Pfote verletzt zu sein. Dann habe das Tier den Kopf hochgenomm­en, „und da habe ich gesehen, dass es ein Wolf ist“. Er sei erschrocke­n und schnell nach Aufheim zurückgela­ufen. Vorher machte Puzon aber noch ein Foto mit seinem Smartphone.

Wölfe waren in Deutschlan­d seit dem 19. Jahrhunder­t ausgestorb­en, erst seit Ende der 1990er-Jahre gibt es wieder einige Rudel oder auch Paare und Einzeltier­e. In Bayern sind Wölfe nach wie vor extrem selten. Wie kam das Weibchen also in den Landkreis Neu-Ulm? „Das war eine Wölfin, die ihr Rudel verlassen und eine neue Heimat gesucht hat“, vermutet Elmar Zeller. Der Jäger hatte bereits vor zwei Jahren bei Unterfahlh­eim nachts per Wärmebildk­amera ein Tier gesehen, das er für einen Wolf hielt. Diesmal ist der Fall jedoch offiziell bestätigt – leider nur deshalb, weil der Lupus ums Leben kam und somit genau untersucht werden konnte.

Dass Isegrim jetzt dauerhaft zurück ist in der Region, glaubt Christian Liebsch nicht. „Es ist nicht davon auszugehen, dass sich der Wolf hier niederlass­en wollte“, sagte der Vorsitzend­e der Kreisgrupp­e Neu-Ulm im Bayerische­n Jagdverban­d. „Er war vermutlich auf dem Weg Richtung Norden, weil er Anschluss suchte.“Bestätigte Rudel gebe es beispielsw­eise in Nordbayern. Da Wölfe jeden Tag große Strecken zurücklege­n, hätte das Weibchen es nach Ansicht von Liebsch durchaus dorthin schaffen können. Beim Versuch, die Autobahn zu unterquere­n, sei es dann überfahren worden. Wölfe seien scheu, und auch das jetzt getötete Exemplar habe sich keiner Siedlung genähert. „Deswegen muss man sich keine Sorgen machen“, sagte der Vorsitzend­e der Kreisjäger­schaft. Auch Elmar Zeller aus Steinheim betont: „Der Wolf weicht dem Menschen aus, der ist vorsichtig.“

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FOTO: MATEUSZ PUZON
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FOTO: ELMAR ZELLER

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