Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Angst vor Corona und vor der Stadt Neu-Ulm
Zum Bericht „Knöllchen gibt es auch in Corona-Zeiten“vom 15. April.
„Stadt Neu-Ulm verteilt trotz der Ausgangsbeschränkung konsequent Strafzettel“– die „Corona-Pandemie ist kein Grund zum Falschparken“laut Pressesprecherin Sandra Lützel. Es gebe nun mal Parkregeln.
Was es nicht gibt, sind Parkplätze für die Mitarbeiter der Donauklinik – auch nicht in Corona-Zeiten!
Herr Noerenberg, stellen Sie sich bitte vor, Sie wären systemrelevant und Sie arbeiten in der ersten Reihe und putzen Corona-Zimmer. Dann bringen Sie am zweiten Arbeitstag 40 Euro mit zur Arbeit für Ihren Park- und Stempelchip. Sie erhalten acht Euro für jede Arbeitsstunde und fahren dafür jeden Tag 25 Kilometer hin und zurück mit Ihrem Auto.
Sie erhalten kein Fahrgeld, kein Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, keine Prämie oder Gefahrenzulage und auch kein Dankeschön nach dem Putzen der Corona-Zimmer.
Sie haben kein Anrecht auf einen Parkplatz im Umfeld der Donauklinik
und laufen gern zehn Minuten vom Auto zur Donauklinik.
Was Sie dann haben, Herr Noerenberg, ist Angst vor Corona und vor der Stadt Neu-Ulm. Denn Sie fragen sich, wenn Sie müde von der Arbeit kommen, ob Sie wieder mal ein Knöllchen bekommen und somit zwei Stunden umsonst gearbeitet haben oder gar Ihr Auto abgeschleppt wurde.
Hr. Noerenberg, als Dankeschön für die Systemrelevanz unserer Arbeit – sagen Sie uns bitte, wo wir ohne finanziellen Schaden parken können – von Montag bis Sonntag, von früh bis spät! Zeigen Sie, dass die Stadt Neu-Ulm nicht nur konsequent Knöllchen verteilt, sondern auch konsequent und pragmatisch Lösungen für unsere Parkplatznot sucht und vor 2023 findet!
Oder möchten Sie für meine Freundin Corona-Zimmer putzen, weil Sie den ganzen Stress für sehr kleines Geld satt hat? Das wäre echt konsequent!
Günther Bochtler, Mietingen
ULM - War die englische Königin Victoria schuld? Oder war alles ganz anders als die Legende erzählt und in Ulm wurde schon sehr viel länger schwarzer Schmuck hergestellt und getragen? Dass der Begriff „Ulmer Schmuck“für schwarzen Schmuck aus Onyx oder Gagat steht, geht auf den cleveren Ulmer Goldschmied Robert Merath zurück. In den Jahren, als der Hauptturm des Ulmer Münsters zum höchsten Kirchturm der Welt fertiggebaut wurde, erkannte er, welch ein Werbefaktor im Begriff „Ulm“stecken mochte – und annoncierte bereits 1886 „Ulmer Schmuck“, den er hauptsächlich mit schwarzen Steinen schuf. Bald darauf machten sich andere örtliche Goldschmiede die Idee zu eigen und kreierten schwarze Schmuckstücke mit ihren ganz eigenen Besonderheiten.
Seit zwei Wochen erst hat Robert Merath, der das gleichnamige Ulmer Goldschmiedegeschäft in vierter Generation führt, die Auftragsbücher seines Urgroßvaters Robert Merath im Besitz. Er hatte noch nicht wirklich Zeit, sie genau zu studieren. Präzise kennt er dagegen die Modellbücher des Familienarchivs, in denen auf Zeichnungen und alten Plattenabzügen die frühesten Stücke Ulmer Schmucks zu sehen sind – einige davon hat Merath sogar wieder zurückkaufen können. Am ehesten finden sie sich in Antiquitätengeschäften in der Schweiz, weiß er.
Wie aber war die Sache mit Königin Victoria? Als deren Mann Albert im Dezember 1861 im Alter von nur 42 Jahren an Typhus starb, ordnete die untröstliche Victoria im ganzen Land an, dass ihre Untertanen – wie sie selbst – schwarzen Trauerschmuck tragen müssten, so das Volk denn Schmuck besaß. „Im übrigen Europa wurde schwarzer Schmuck dann top modern“, erzählt Merath. Der Modetrend fiel in jene Zeit, als sein Urgroßvater – jung verheiratet mit Elise Molfenter, die aus einer alten Familie der Ulmer Schifferzunft stammte – seine „Gold- und Silberwarenfabrik“gründete. Anfangs lag sie in der Sattlergasse, bald kaufte die Familie das Hotel Dom am Münsterplatz, riss es ab und ließ an dessen Ort eine Niederlassung mit zwei Geschäften und Werkstatt bauen.
Das Geschäft florierte, man wurde königlicher Hofjuwelier und der „Ulmer
Schmuck“sehr populär. Zwar gab es auch eine „rote“Variante des Schmucks, die mit Granatsteinen besetzt war, doch war es vor allem schwarzer Schmuck, der sich mit dem Begriff verband. Robert Meraths Großvater gab seinen Kreationen dann ein eigenwilliges Charakteristikum: Kleine Goldkügelchen kennzeichnen seinen schwarzen Schmuck, während konkurrierende andere Goldschmiede ihre eigenen Elemente – wie gewellte Blättchen – einarbeiteten. Immer gleich aber blieb die Buckelform der verwendeten schwarzen Steine, die von Ulm aus in die Welt gingen, während die zeitgenössische Schmuckproduktion andernorts farbige Steine bevorzugte, Glas oder sogar buntes Emaille verwendete.
Königin Victoria allein dürfte den Trend allerdings nicht ausgelöst haben. Bereits ein Porträt der Patriziertochter Anna Veronika Besserer von Thalfingen aus dem Jahr 1748 zeigt das höhere Töchterchen mit üppigem schwarzen Schmuck. Eine Ulmer Besonderheit also, geschuldet möglicherweise der protestantischen Frömmigkeit? Das könnte tatsächlich ein Grund des schwarzen Schmucks sein, vermutet Robert Merath, denn auch in reformierten Städten der Schweiz war der schwarze Schmuck verbreitet. Möglicherweise also gab es diesbezügliche Vorschriften, die nach Aufhebung der Kleiderordnung zu Traditionen wurden. Gern getragen wurden vor allem multifunktionale „Batzer“, die durch ihre Mehrteiligkeit sowohl als Anhänger an einer Kette, als Brosche oder, zusammengesteckt, als opulentes Collier an Festtagen zu Ehren kamen. Ringe dagegen wurde als Ulmer Schmuck selten hergestellt.
Ein Ulmer Fischerstechen, bei dem die Frauen der Fischerfamilien nicht ihren schwarzen Schmuck tragen, ist fast undenkbar, sagt Merath. Wer ein älteres Schmuckstück besitzt, trägt Gagat von der Schwäbischen Alb. Etwa hundert Jahre ist es her, dass der Gagat, der im Grunde besonders harte Kohle ist, durch den teureren echten Onyx ersetzt wurde. Schwarzen Schmuck zu tragen dürfte in Schwaben allerdings eine viel, viel ältere Tradition haben. Denn neben Goldschmuck wurde in Keltengräbern nahe der Heuneburg schwarzer Schmuck aus Gagat ausgegraben. Die Frauen, die ihn trugen, lebten mehrere Jahrhunderte vor Christi Geburt.