Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Der Boden wackelte und bebte von heftigen Explosione­n“

Seuchengef­ahr: Alle verfügbare­n Männer hatten anzutreten, um das verendete Vieh zu bergen

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WESTERHEIM (sz) - „Der 21. April 1945war ein Samstag. Ich arbeitete bis um 13 Uhr auf dem Rathaus. Danach ging ich ins Elternhaus in der Wiesenstei­ger Straße 16, gegenüber der Sparkasse“, schildert Monika Kneer die Ereignisse und weiter:

„Als gegen 14 Uhr die Schießerei los ging, suchten wir den Keller auf. Beim Hinabgehen sah ich noch, wie deutsche Soldaten der Flak-Einheit ...an unserem Haus vorn an der Straße ein Maschineng­ewehr in Stellung gebracht hatten. Wir lagen in unserem gewölbten Keller auf den Kartoffeln und spürten bald, wie der ganze Boden wackelte und bebte von heftigen Explosione­n. Mein Vater, vom Ersten Weltkrieg her erprobt, erkannte, dass um das Haus herum von allen Seiten her geschossen wurde.

Als die Rauchentwi­cklung immer stärker wurde und das Schießen etwas nachließ, entschloss­en wir uns zur Flucht. Den Weg Richtung Dorfmitte versperrte­m meterhohe Flammen. Die ganze Straße brannte. Die Kirche, nicht einmal der Kirchturm, waren mehr zu erkennen, so hoch schossen die Flammen, so stark war die Rauchentwi­cklung …

Mein Vater fand anderntags im Dorf noch zwei unserer Kühe. In unser Haus durften wir nicht zurück. Zwei Wochen lang lebten wir mit vielen anderen, deren Häuser zerstört waren, auf engstem Raum in der Marienburg.

Am Sonntag wurde ich von den Amerikaner­n aufs Rathaus zitiert. Auf dem Weg dorthin sah ich, dass in der unmittelba­ren Dorfmitte nur noch ein einziges Wohnhaus stand… Auf dem Rathaus waren zu meiner

Bewachung zwei Soldaten abgestellt. Ein gebrochen deutsch sprechende­r Kommandant verfügte eine Ausgangssp­erre von 18 Uhr bis 6 Uhr.“

Weiter wurde Monika Kneer mitgeteilt, alle Wehrmachts­angehörige­n sollen sich auf dem Rathaus melden, Waffen und Munition müssen ebendort abgeliefer­t werden. „Gelegentli­ch musste ich Tage später über Waffenund Munitionsb­erge steigen, um aus den Aktenschrä­nken einen Rechnungsb­eleg zu holen“, berichtet sie

und weiter: „Alle verfügbare­n Männer hatten anzutreten, um wegen der drohenden Seuchengef­ahr das verendete Vieh zu bergen und für die Beseitigun­g der Kadaver zu sorgen. In Handarbeit mussten die Männer, die zum Teil verbrannte­n und schon in Verwesung übergegang­enen Kadaver aus den Trümmern der zerstörten Ställe holen. In eine große Baugrube – hier sollte einstmals ein Feuerlösch­teich angelegt werden – wurden die toten Tiere geworfen.“

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