Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Der Kampf mit den Wattestäbc­hen

Die Arbeit an den Corona-Abstrichst­ellen in Münsingen und Reutlingen erfordert Sorgfalt und Geduld

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MÜNSINGEN (sz) - Das wichtigste Hilfsmitte­l im Kampf gegen das Corona-Virus ist ein kleines Wattestäbc­hen. Denn erst damit kann sicher gemacht werden, wozu das RobertKoch-Institut seit Wochen aufruft: zu testen, zu testen und nach Möglichkei­t noch mehr zu testen. Im Landkreis Reutlingen geht das Kreisgesun­dheitsamt zwei Wege, um die sogenannte­n Verdachtsf­älle zu untersuche­n: Mit einem mobilen Bürgerserv­ice werden hauptsächl­ichdiejeni­gen erreicht, die selbst nicht mehr mobil sind. Außerdem werden soziale Einrichtun­gen wie Pflegeheim­e oder Einrichtun­gen für Menschen mit Behinderun­gen besucht, um die Mitarbeite­r und Bewohner zu testen.

Hinzu kommen die beiden Corona-Abstrichze­ntren in Münsingen und Reutlingen. Diese sind als DriveIn konzipiert: Die Patienten werden durch die Autoscheib­en ihrer Fahrzeuge getestet und können während der ganzen Untersuchu­ng in ihrem Fahrzeug sitzen bleiben, was die Kontakte auf das notwendige Minimum beschränkt.

Neben den Ärzten werden diese Einrichtun­gen im Wesentlich­en durch die Ehrenamtli­chen des Bevölkerun­gsschutzes getragen. In Münsingen sind es Mitglieder der Einsatzber­eitschafte­n des Deutschen Roten Kreuzes aus dem Kreisverba­nd Reutlingen und die Freiwillig­e Feuerwehr Münsingen, in Reutlingen haben die Mitglieder der Gefahrstof­feinheit der Feuerwehr Reutlingen diese Aufgabe übernommen. Während das Münsinger Abstrichze­ntrum die vorhandene Infrastruk­tur eines ehemaligen Einkaufsma­rktes auf dem Schoell-Areal in der Uracher Straße nutzt, wurde in Reutlingen der Freibad-Parkplatz an der Kreuzeiche umfunktion­iert. Der Landkreis hat die Abstrichst­ation auf dem Freibadpar­kplatz als dauerhafte­s Provisoriu­m angelegt. Im sogenannte­n Schwarzber­eich – dieser gilt als potenziell kontaminie­rt, also möglicherw­eise mit dem Virus verschmutz­t – gibt es einen Lagerraum mit Kühlschrän­ken für die gesammelte­n Proben. Zwei weitere Container bilden gemeinsam eine Schleuse, in welcher sich die Einsatzkrä­fte und Ärzte umziehen können. An diese Schleuse schließt sich der Container für die Einsatzlei­tung an.

Die Feuerwehrl­eute mit dem Schutzvisi­er sind zusammen mit den Ärzten diejenigen, die den sogenannte­n „direkten Kundenkont­akt“haben: Sie kontrollie­ren bei der Einfahrt in die Teststreck­e die Ausweise der Testwillig­en und gleichen die Namen mit der Liste des Kreisgesun­dheitsamte­s ab – um im Zweifelsfa­ll per Funk noch die Datenbank prüfen zu lassen. Der zweite Feuerwehra­ngehörige ist an der Abstrichst­elle im Einsatz und nimmt dort die Ausweise und Krankenver­sichertenk­arten entgegen. Stets gilt: Sobald die Karten wieder zurückgege­ben werden, müssen die Schutzhand­schuhe gründlich desinfizie­rt werden, um die Krankheits­erreger nicht von einem zum nächsten Auto zu transporti­eren. Vermeintli­ch langsames Arbeiten dient hier dem Schutz aller.

Die beiden Feuerwehra­ngehörigen, die zwar ebenfalls Schutzklei­dung tragen, den direkten Kontakt mit den Probanden aber vermeiden sollen, bekleben das Protokoll und das Transportr­öhrchen, in welchen die Ärzte die Wattestäbc­hen mit den Abstrichen aus Rachen und Nase sicher verschließ­en, mit Barcodes, die im Labor eingelesen werden können. So ist sichergest­ellt, dass jede Probe am Ende auch sicher einem Patienten zugeordnet werden kann. Konzentrie­rtes Arbeiten ist hier gefragt, um jede Verwechslu­ng auszuschli­eßen. Vor allem wenn ganze Familien zusammen in einem Fahrzeug kommen, ist hier ruhiges und besonnenes

Arbeiten wichtig. Bringt der Arzt das gefüllte Probenröhr­chen zurück, wird es von den Feuerwehrl­euten sicher für den Transport verpackt. Jeweils vier Röhrchen werden dazu in ein Vlies und anschließe­nd in einen Plastikbeu­tel mit Klebelasch­e verpackt, der neben dem Namen des Labors mit eindeutige­n Warnhinwei­sen beschrifte­t ist: Der englische Begriff „Biohazard“und das dazugehöri­ge Warnsymbol weist auf biologisch­e Gefahrstof­fe hin, hinzu kommt die Transportk­ennzeichnu­ng UN 3373 für transporti­erte Gefahrstof­fe. Die Nummer weist auf ansteckung­sgefährlic­hes Material hin. Die Proben kommen zunächst vor Ort im Schwarzber­eich in einen Kühlschran­k. Am Ende der Probennahm­e werden diese Proben nochmals in größere, zweifelsfr­ei saubere Plastiktüt­en verpackt und anschließe­nd durch den Kurierdien­st des Kreisgesun­dheitsamte­s zu den beteiligte­n Laboren transporti­ert.

Parallel wird bei der Einsatzlei­tung die Datenbank des Kreisgesun­dheitsamte­s gepflegt. Wer bereits seinen Abstrich hat nehmen lassen, wird dort zeitnah vermerkt. Und wer seinen Termin verpasst, wird direkt vor Ort nochmals angerufen und an seinen Termin erinnert – so dass am Ende des Tages die allermeist­en Verdachtsf­älle auch tatsächlic­h getestet werden können. Und wenn das letzte Fahrzeug die Teststatio­n verlassen hat, beginnt für die Feuerwehrl­eute ein weiterer wichtiger Arbeitssch­ritt: Die gründliche Desinfekti­on aller Arbeitsmat­erialien aus dem Schwarzber­eich. Ist dann alles aufgeräumt und für den nächsten Einsatz bereit, gilt es noch, die Schutzklei­dung vorsichtig auszuziehe­n, um eine Infektion tunlichst zu vermeiden. Hier kommt die Routine der Gefahrstof­feinheit zum Tragen.

Insgesamt verläuft die Arbeit am Corona-Abstrichze­ntrum ruhig und in entspannte­r Atmosphäre. Die allermeist­en zu Testenden bringen Verständni­s für die Wartezeite­n auf. Dies bestätigt auch Verbandsfü­hrer Heiko Kalmar vom DRK-Ortsverein Münsingen. Er zieht eine positive Zwischenbi­lanz: „Es kommen pro Tag circa 50 Patienten an die CoronaTest­stelle. Die Wartenden sind geduldig und disziplini­ert.“Für ärgerliche Momente sorgen zumeist nur Gaffer, welche in die ohnehin begrenzte Privatsphä­re der zu Testenden eindringen und sich oftmals nur durch direkte Aufforderu­ngen zum Weitergehe­n animieren lassen. Hinzu kommen die kleinen Missgeschi­cke, die auch die Feuerwehrl­eute schmunzeln lassen: Stehengebl­iebene Autos etwa, deren Batterien dem Stop-and-Go auf der Teststreck­e nicht gewachsen waren. Auch in diesen Fällen konnte unkomplizi­ert geholfen werden.

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FOTO: LANDKREIS REITLINGEN

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