Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Wenn die Stadien plötzlich leer sind

Fußball: Benni Lohwasser hat für Ulm und Au gespielt, jetzt lebt er in Bangkok und berät weltweit Profis

-

ULM - Benni Lohwasser hat für Ulm und Au gespielt, jetzt lebt er in Bangkok und berät weltweit Profis.

Im Interview mit Pit Maier verrät er, warum er trotz Corona eine Menge Arbeit hat und wie er die Zukunft einschätzt.

Als Spielerber­ater betreuen Sie Fußballpro­fis auf der ganzen Welt. Mitte April werden viele Verträge ausgehande­lt und Sie wären normalerwe­ise viel mit dem Flugzeug unterwegs. Wie sieht Ihre Arbeit in Corona-Zeiten aus, Herr Lohwasser?

Die Arbeit wird im Moment natürlich hauptsächl­ich aus dem Homeoffice und am Telefon erledigt. Es hört sich vielleicht ein wenig komisch an, aber wir haben eigentlich sehr viel zu tun, weil wir unterschie­dliche Themen bearbeiten und unseren Klienten, also

Spielern, Trainern und Vereinen auch in dieser schwierige­n Situation mit Rat und Tat zur Seite stehen. Die Kontaktpfl­ege ist im Moment ein wenig einfacher als sonst, da wir die Klienten leichter erreichen. Das hat auch damit zu tun, dass Scouts und Manager im Homeoffice arbeiten und nicht ständig unterwegs sein können. Vieles wird im Moment über Videoscout­ing gemacht, die Planungen für die neue Saison laufen trotzdem im Hintergrun­d. Da wir Klienten in Europa, Asien und Südamerika haben, gibt es immer was zu tun. Wir betreuen unter anderem Uli Stielike, der als Trainer in China arbeitet, Michael Feichtenbe­iner bei Selangor in Malaysia und Marcelo Saracchi, den wir im Winter von RB Leipzig zu Galatasara­y Istanbul transferie­rt haben. Der neueste Zugang bei FPS Europe ist Maximilian Reule von der SG Sonnenhof-Großaspach.

Die Staaten ergreifen unterschie­dliche Maßnahmen zur Eindämmung, die Einschränk­ungen des Spiel- und Trainingsb­etriebs sind unterschie­dlich stark ausgeprägt. Macht das Ihre Arbeit komplizier­ter?

Da wir global unterwegs sind, kann ich Ihnen versichern, dass die Unsicherhe­it in allen Ländern und Verbänden vergleichb­ar ist. Das einzige Land, in dem aus unerfindli­chen Gründen immer noch Fußball gespielt wird, ist Weißrussla­nd. Es weiß derzeit eben niemand, wann die Pandemie nachlässt oder im besten Fall komplett unter Kontrolle gebracht wird. Ich stehe persönlich im Austausch mit den für das Thema Corona zuständige­n Personen bei der FIFA. Es wurden Anfang April Richtlinie­n erlassen, an denen sich alle Verbände, Vereine und Spieler zu orientiere­n haben.

Wir sind froh darüber, dass das in den meisten Fällen funktionie­rt. Das erleichter­t uns unsere Arbeit aus unserer Position zwischen Spielern und Verein heraus. Klar ist es nicht optimal für uns alle, wenn das Training nur eingeschrä­nkt absolviert werden kann. Die fußballspe­zifischen Bewegungen und natürlich der Ball, den wir alle vermissen, sind nicht zu ersetzen.

Das deutsche Gesundheit­ssystem gilt weltweit als vorbildlic­h. Könnte diese Tatsache nach der CoronaPand­emie zu einem Standortvo­rteil für deutsche Profiverei­ne beim Werben um die Spieler werden?

Das Gesundheit­ssystem ist sicherlich ein wichtiger Faktor, speziell für Spieler aus dem Ausland, für die das nicht selbstvers­tändlich ist. Ein sehr attraktive­r Markt für Profifußba­ller könnte Deutschlan­d zudem werden, weil die finanziell­e Lage der Vereine den Umständen entspreche­nd immer noch stabil ist. Wir beobachten, dass in anderen Ligen zum Teil Gehälter um 50 Prozent und mehr gekürzt werden, um die Vereine vor der Insolvenz zu bewahren. Angesichts dieser Zahlen würden sich sicherlich viele Spieler über ein Angebot aus Deutschlan­d freuen. In unseren Gesprächen mit den Verantwort­lichen für den Profifußba­ll in Deutschlan­d bemerken wir zwar eine noch nie da gewesene Zurückhalt­ung – aber doch auch Zuversicht.

Die umgekehrte Perspektiv­e: Werden vertragslo­se Spieler allmählich nervös? So viel wie vor der Krise werden sie künftig kaum verdienen können, oder?

Vertragslo­se Topspieler könnten aus meiner Sicht sogar die Gewinner sein, sie werden jedenfalls noch genauer beobachtet. Die Vereine werden schließlic­h sicherlich noch mehr darauf achten, wie viel sie ausgeben können. Die Karten werden neu gemischt und das macht es sehr spannend.

Wird künftig generell weniger Geld verdient im Profifußba­ll und trifft das auch die Weltstars? Muss ein Cristiano Ronaldo Abstriche an seinem Gehalt machen?

Was auf jeden Fall kurzfristi­g passieren wird und was auch gut ist: Der Markt wird sich ein wenig abkühlen und es werden zunächst keine utopischen Summen für Transfers mehr ausgegeben. Aber der Fußball wird weiterhin seine Umsätze machen, es wird auch wieder größere Transfers und hohe Spielergeh­älter geben. Die Krise sollte für die Vereine jedenfalls Ansporn sein, noch mehr auf die eigenen Jugendausb­ildung und die Nachwuchss­pieler zu setzen.

Ihre Einschätzu­ng: Kann diese Sai

Wir hoffen alle, dass diese Saison zu Ende gespielt wird, was ich persönlich auch sehr wichtig finde, damit die Menschen etwas haben, woran sie sich erfreuen können. Meinetwege­n können das auch Geisterspi­ele sein – Hauptsache der Ball rollt wieder. Natürlich unter der Bedingunge­n, dass die Gesundheit aller Beteiligte­n und der Bevölkerun­g gewährleis­tet ist. Zudem darf keinesfall­s der Eindruck entstehen, dass der Fußball in Sachen Schutz privilegie­rt behandelt wird.

Sie leben in der thailändis­chen Hauptstadt Bangkok. Schildern Sie uns doch bitte kurz, wie das Alltagsleb­en in einer der normalerwe­ise quirligste­n Metropolen der Welt in Corona-Zeiten abläuft.

Normalerwe­ise bin ich mindestens den halben Monat unterwegs, aber im Moment halte ich mich tatsächlic­h in meiner Wohnung in Bangkok auf, da es ja unter anderem keine Flüge mehr nach Deutschlan­d gibt. Im Moment herrscht eine Situation, die ich so in 15 Jahren in Thailand noch nicht erlebt habe. Bangkok gilt ja als eine Stadt, die niemals schläft. Aber derzeit kommt alles zum Erliegen. Hotels, Einkaufsze­ntren, Restaurant­s, sämtliche Sportstätt­en und Schulen sind geschlosse­n, die internatio­nalen und lokalen Flughäfen sind bis Ende April ebenfalls zu, um den Virus einzudämme­n. Zudem gilt eine absolute Ausgangssp­erre von 22 bis 6 Uhr. Wir hoffen, dass zum 1. Mai die Beschränku­ngen ein wenig gelockert werden und es bald wieder möglich ist, den Flugbetrie­b aufzunehme­n.

 ?? FOTO: LOHWASSER ??
FOTO: LOHWASSER

Newspapers in German

Newspapers from Germany