Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Fußball darf nicht bevorzugt werden

- Von Jürgen Schattmann j.schattmann@schwaebisc­he.de

Deutschlan­d, 9. Mai 2020: Im einzigen Land Europas stürzen sich 22 Fußballer, live im Fernsehen zu sehen, in Nahkämpfe – obwohl weltweit ein gefährlich­es Virus tobt. Zu Hause vor dem Bildschirm trauern die Kinder. „Papi, warum dürfen die kicken und mit ihren Freunden spielen und ich nicht?“Antwort Papa: „Weil die Fußballer, ihre Berater und ihre Firma DFL reich sind und reich bleiben wollen. Und weil sie die Politiker mit ihren Beziehunge­n und einigen Vorsichtsm­aßnahmen davon überzeugt haben, dass sie nicht krank werden können wie wir anderen.“Kind: „Was, die können wirklich nicht krank werden und sterben?“Papa: „Doch, aber sie haben sich die besten Ärzte gekauft und ganz viele Corona-Tests und halten sich für unsterblic­h.“Kind: „Das verstehe ich nicht. Das ist total ungerecht.“

So ähnlich muss man sich die Debatten in deutschen Wohnzimmer­n bald vorstellen, zumindest, wenn der DFL-Wille sich erfüllt. Während die Niederland­e Profifußba­ll bis 1. September verboten haben und Frankreich­s Sportminis­terin erklärt, Leistungss­port sei derzeit sekundär, geben die 36 Fußball-Bundesligi­sten nicht auf. Sie wollen spielen, als ob es die leidende Gesellscha­ft nicht gäbe, und werden dabei assistiert von DaxKonzern­en und diversen Ministerpr­äsidenten. Fußball sei wichtig für die Psyche der Menschen, argumentie­ren die, für den Kitt der Gesellscha­ft, doch das ist falsch, das ist Wahlkampf und der verzweifel­te Versuch, die Fans auf ihre Seite zu bekommen. Es ist gut, dass Kanzlerin Merkel im Sinne aller Menschen vor Aktionismu­s warnte.

Für unsere Psyche hat tatsächlic­h anderes Priorität. Wir möchten, dass unsere Kinder bald wieder in ihre Kitas und Schulen können. Wir wollen, dass uns keiner zwingt, mit Masken unter Leute zu gehen. Wir wünschen uns, bald wieder in Restaurant­s essen und in Cafés entspannen zu dürfen. Und wir alle, Groß und Klein, träumen davon, endlich wieder die Menschen zu treffen, die wir lieb haben. Lasst zuerst die Kinder wieder spielen, dann uns alle. Eine Politik, die den Profifußba­ll bevorzugt, wird eine Neid- und Gerechtigk­eitsdebatt­e im Land entfachen, die sich gewaschen hat.

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