Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Einigkeit in Ulm
Kretschmann stellt weitere Hilfen für Gastronomie in Aussicht – Söder liebäugelt mit Impfpflicht gegen Corona
STUTTGART - Anfänglich haben die beiden ungleichen Regierungschefs gefremdelt. Inzwischen demonstrieren Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein bayerisches Pendant Markus Söder (CSU) große Nähe – so auch am Donnerstagmittag nach einem Arbeitsessen in Ulm. Seit einer gemeinsamen Kabinettssitzung vergangenen Sommer in Meersburg lebt die sogenannte Südschiene wieder. Gemeinsam lassen sich Interessen eben besser durchsetzen als allein, gerade auch in Krisenzeiten.
Von diesen Gemeinsamkeiten der beiden Länder gibt es viele. Die Bedeutung der Autoindustrie ist eine davon. Die beiden Länderchefs kündigten eine Abstimmung mit ihrem SPD-Kollegen Stephan Weil aus Niedersachsen an. „Wir wollen nächste Woche eine Videokonferenz der Autoländer machen“, sagte Söder. Denn von geschlossenen Märkten wie in den USA und hapernden Zulieferketten, etwa aus Italien, seien alle gleichsam betroffen. „Wir wollen über ökonomische Prämienmodelle nachdenken“, kündigte Söder an. Auch ökologische Aspekte sollten laut Kretschmann dabei eine Rolle spielen. Denn: „Hinter der CoronaKrise steckt auch noch der Klimawandel. Den kann man nicht wegimpfen.“
Eine weitere Gemeinsamkeit: In den beiden Südländern wütete das Coronavirus besonders früh und stark. Entsprechend kritisch sähen sie nun auch Lockerungen – im Gegensatz zu anderen Länderkollegen. Diese hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in einer Regierungserklärung am Morgen als „zu forsch“gerügt. Von Merkels Kritik fühlen sich Kretschmann und Söder nicht angesprochen. „Es ist ja bekannt, dass der Kollege Söder und ich bei den Öffnungen vorsichtiger gewesen wären“, sagte Kretschmann und kritisierte den „Chor für mehr Öffnung“, den er als wenig durchdacht bezeichnete.
Das Arbeitstreffen der beiden Regierungschefs diene vor allem zur Abstimmung vor der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz in einer Woche. „Eine wirklich echte Rückkehr
zur Normalität wird es erst geben, wenn ein Impfstoff da ist“, sagte Kretschmann. „So lange müssen wir mit dem scheußlichen Virus leben und auch mit den entsprechenden Einschränkungen.“Gibt es einen Impfstoff, müsse man über eine Impfpflicht sprechen, ergänzte Söder und fügte hinzu: „Ich wäre dafür.“Söder bemühte das Bild eines Marathons: „Schwierig dabei ist, wir wissen nicht ganz genau, wie lange dieser Marathon läuft. Wer zu viele Zwischensprints macht, der stolpert und kommt nicht ans Ziel.“
Trotz der demonstrativen Nähe zwischen dem „lieben Winfried“und dem „lieben Markus“und fast täglichen Online-Abstimmungen, auf die Söder verwies, bleiben Unterschiede.
Bayern öffnet erst kommende Woche seine Geschäfte, in BadenWürttemberg ist dies bereits seit Montag der Fall. Bayern startet am Montag den Schulbetrieb für Abschlussklassen, Baden-Württemberg erst eine Woche später.
Bei allen Unterschieden im Detail verfolgen die beiden Länderchefs dieselbe große Linie. „Wenn wir jetzt zu sorglos handeln, wird sich das bitter rächen. Davon sind wir überzeugt“, sagte Kretschmann. „Wir tragen die Verantwortung für 24 Millionen Menschen.“Für Bereiche, die wie die Gastronomie besonders litten, werde das Land noch nachbessern. Söder verwies auf Österreich. Bayerns Nachbarland war von der Krise noch früher betroffen als Bayern. Dort öffneten Restaurants frühestens Mitte Mai, sagte Söder. Da Bayern zwei Wochen später dran sei, sehe er eine Öffnung der Gastronomie frühestens für Ende Mai.
Die Absprachen für die Ministerpräsidentenkonferenz stehen also – auch wenn diese laut Söder zu früh anberaumt ist. „Wir können dann noch nicht sehen: Welche Änderungen bringen die neuen Öffnungen mit sich?“Er und Kretschmann betonten, sich von Zahlen und Fakten der Wissenschaft in ihrem Handeln leiten zu lassen. Wie sich die Lockerungen auf die Ausbreitung des Virus auswirken, sei bis nächste Woche noch nicht ablesbar. Klar sei indes, dass Deutschland bislang recht gut durch die Krise gekommen sei: „Es wäre ein schwerer Fehler, diesen Vorsprung zu verspielen“, so Söder.