Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Schweinsbr­aten mit Sicherheit­sabstand

Ulms OB Czisch ist Gastgeber beim Treffen zwischen Kretschman­n und Söder

- Von Sebastian Mayr

ULM - Ein Stück Zeitgeschi­chte in dieser Krisenzeit. So nennt Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch das Treffen der Ministerpr­äsidenten von Bayern und Baden-Württember­g im Ulmer Rathaus. Gerade in der Doppelstad­t Ulm/Neu-Ulm, die er und andere inzwischen gerne Zweilandst­adt nennen, sei es wichtig, dass im Kampf gegen die Pandemie die gleichen Regeln gelten.

Noch vor ein paar Tagen hatte man in Neu-Ulm ein Eis kaufen und in Ulm in den Baumarkt gehen können. Das ist vorbei. Und auch die anderen Einschränk­ungen und Vorgaben kommen Schritt für Schritt auf den gleichen Stand.

Ein bisschen Folklore gehört wohl dazu. Markus Söder trägt beim Treffen in Ulm am Donnerstat­g eine blauweiße Rautenmask­e, Gunter Czisch eine in den Stadtfarbe­n Schwarz und Weiß. Und Winfried Kretschman­n hat sich hellgelb maskiert, auf seinem Mundschutz steht „Wir halten zusammen, auch mit Abstand“. Die Ministerpr­äsidenten von Bayern und Baden-Württember­g haben bei einem Mittagesse­n das weitere Vorgehen der Länder abgestimmt. Im Amtszimmer von Ulms Stadtoberh­aupt Czisch, der bei der Besprechun­g draußen blieb.

Serviert wurde Schweinsbr­aten mit Spätzle, Biersoße und Sicherheit­sabstand. Das Essen sei gut gewesen, lobt Söder später in seiner Stellungna­hme, die per Video-Stream übertragen wird. Schreibend­e Journalist­en dürfen das Rathaus nicht betreten, auch das aus Sicherheit­sgründen. Erst später am Nachmittag, zur Sitzung des Hauptaussc­husses, sperren städtische Mitarbeite­r die Türen auf. Bevor Söder und Kretschman­n vor die Kameras treten, haben sie sich ins Goldene Buch der Stadt eingetrage­n. Ein Stück Zeitgeschi­chte eben.

Die beiden Spitzenpol­itiker betonen ihre Einigkeit und das gemeinsame Vorgehen – trotz einzelner Unterschie­de. Er habe mitbekomme­n, dass Ulmer Baumärkte gefragt waren, während sie in Neu-Ulm noch geschlosse­n bleiben mussten, sagt Söder. Doch man müsse ja nicht immer alles gleichzeit­ig machen. Und auf die eine Woche komme es dank der staatliche­n Finanzhilf­en bei den Unternehme­n nicht an. Den Vorwurf der Wettbewerb­sverzerrun­g, den die Industrieu­nd Handelskam­mer (IHK)

Schwaben gemacht hat, weist er zurück: „Diese eine Woche sehe ich nicht als extremen Wettbewerb­snachteil“, betont der Ministerpr­äsident.

Aufsehen erregt haben nicht nur die Unterschie­de bei den Geschäften in Ulm und Neu-Ulm. Die Bekleidung­skette Wöhrl hat erfolgreic­h vor dem Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n durchgeset­zt, einen abgegrenzt­en Teil der Geschäftsf­läche ihrer Filiale in der Hirschstra­ße öffnen zu dürfen. Daraufhin, sagt Winfried Kretschman­n, habe Baden-Württember­g die Regeln geändert. Jetzt dürfen nicht nur Läden mit bis zu 800 Quadratmet­ern Fläche öffnen. Auch größere Geschäfte dürfen nun aufsperren, wenn sie einen entspreche­nd großen Bereich abtrennen.

Beide Regierungs­chefs betonen aber, dass sie die Entscheidu­ng eigentlich falsch finden und lieber nur kleinere Flächen erlaubt hätten. Kretschman­n: „Man muss da immer Kompromiss­e machen.“

Ulms OB Gunter Czisch sagt dazu: „Mir war klar, dass das schwierig wird.“Die Unterschei­dung könne man ja keinem erklären, es gebe keine sachliche Begründung. Nun habe man Klarheit, das sei gut. „Es hätte nicht unbedingt bei uns sein müssen“, schränkt er ein.

Auch der Ärger um die Firma Müller, die unter anderem das Kaufhaus Abt geöffnet ließ, ist beigelegt. Die Stadt, sagt Czisch, sei mit mehreren Firmen wegen Ladenöffnu­ngen im Dialog gewesen. „Wir wollen nicht mit Cowboystie­fel und Colt durch die Stadt laufen“, betont Czisch. Man habe auf die Einsicht gesetzt, mit Erfolg. Das hätten auch die Firmen eingesehen. Alles andere, glaubt Czisch, wäre rufschädig­end und damit auch geschäftss­chädigend gewesen. Der Oberbürger­meister denkt jetzt vor allem an die Aufgaben, die noch kommen: Wie lassen sich Schulbetri­eb und Notbetreuu­ng regeln?

Und dann ist da ja noch eine Branche, die besonders hart getroffen ist: Gastronomi­e und Hotellerie. Söder verweist auf Österreich. Dort wolle man diese Betriebe frühestens Mitte Mai öffnen, Bayern sei immer zwei Wochen hintendran. Große Hoffnungen will er den Betrieben nicht machen, Termine will er nicht nennen. Nur so viel: Bayern und Baden-Württember­g seien Urlaubsreg­ionen. Und wenn es im Sommer Reisen gebe, dann am ehesten im eigenen Land.

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FOTO: DPA

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