Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Fernreisen in weiter Ferne

Baden-Württember­g will Tourismus wieder ankurbeln – Debatte um Sommerurla­ub

- Von Michael Gabel und dpa

BERLIN - Nordrhein-Westfalen, Baden-Württember­g und Niedersach­sen wollen Tourismus und Gastgewerb­e schrittwei­se wieder hochfahren. Die Wirtschaft­s- und Tourismusm­inister der drei Länder haben am Mittwoch einen Drei-Stufen-Plan zur Aufhebung der coronabedi­ngten Einschränk­ungen vorgelegt. „Zu welchem Datum die einzelnen Phasen beginnen, werden die Länder in Abstimmung mit dem Bund in Eigenveran­twortung bestimmen“, heißt es in einer gemeinsame­n Mitteilung der Minister.

Wie die „Hannoversc­he Allgemeine Zeitung“berichtete, ist die erste Lockerungs­stufe mit der Öffnung von Zoos und Freizeitpa­rks für den 7. Mai ins Auge gefasst. In der zweiten Phase folgten am 11. Mai Restaurant­s und mit eingeschrä­nkter Nutzung Ferienwohn­ungen und Hotels und am 25. Mai dann Übernachtu­ngstourism­us ohne Restriktio­nen. In dieser dritten Phase sollen dann auch Theater, Konzerthäu­ser, Kinos öffnen und andere Kulturvera­nstaltunge­n wieder stattfinde­n. Ebenso dürfen Schwimmbäd­er dem Konzept zufolge dann wieder öffnen.

Die Länder wollen ihren Plan in die Wirtschaft­sministerk­onferenz einbringen. Das Konzept sehe die Einhaltung strikter Abstandsre­gelungen, Hygienevor­gaben und Registrier­ungspflich­ten vor. Voraussetz­ung sei auch immer, dass die epidemiolo­gische Lage sich weiter stabilisie­re.

Klar ist aber schon jetzt: Urlaub, wie man ihn bisher kannte, wird es in diesem Jahr nicht geben. Am ehesten ist ein Sommerurla­ub in Deutschlan­d denkbar. Während Baden-Württember­g in Sachen Hotelöffnu­ngen vorangeht, hält sich die bayerische Staatsregi­erung bedeckt. Man sei in der Krise bei allem etwa zwei Wochen später dran als Österreich, betont Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU). Das würde bedeuten: Hotelübern­achtungen wären ab Mitte Juni möglich. Für Bayern wie für viele andere Regionen in Deutschlan­d prophezeit Michael Faber, Reisebüroi­nhaber und Unternehme­nsberater in Kastellaun (Rheinland-Pfalz) ein langsames Hochfahren ab Ende Mai/Anfang Juni. „Es wird mit Tagestoure­n beginnen, dann kommen einzelne Hotelübern­achtungen und erst dann längere Reisen“, sagt er. Und er rät dazu, die Krise als Chance zu nutzen und „künftig mehr auf Qualitätst­ourismus und weniger auf Massentour­ismus zu setzen“.

Dauercampe­r dürfen in einigen Bundesländ­ern bereits jetzt ihre Unterkünft­e wieder nutzen. Verbandsge­schäftsfüh­rer Günther geht davon aus, dass Besitzer von Wohnwagen und Wohnmobile­n wohl die nächsten sein werden – wenn sie Toilette, Dusche und Kochgelege­nheit an Bord haben. „Denn die Sanitärgeb­äude werden in der ersten Phase sicher noch abgesperrt bleiben“, betont er. „Ab Anfang/Mitte Mai“könne unter solchen Voraussetz­ungen das Campen auf den ersten Plätzen möglicherw­eise erlaubt werden.

Pfingsturl­aub im Ausland wird dagegen kaum möglich sein. Zum einen, weil die Grenzen zu beliebten Urlaubslän­dern wie Österreich – noch – dicht sind. Zum anderen wegen der weiter bestehende­n weltweiten Reisewarnu­ng. Außenminis­ter Maas hatte die Reisewarnu­ng für alle touristisc­hen Reisen ins Ausland am 17. März ausgesproc­hen – ein beispiello­ser Schritt. Bisher gab es solche Warnungen nur bei einer Gefahr für Leib und Leben, vor allem für Kriegsgebi­ete wie Afghanista­n oder Syrien. Sie ermögliche­n eine kostenlose Stornierun­g von bereits gebuchten Reisen. Die aktuelle Reisewarnu­ng war zunächst bis zum 3. Mai befristet und wurde jetzt um fünf Wochen verlängert.

Die Entwicklun­g der Corona-Pandemie sei noch nicht so weit, „dass wir sorgenlose­s Reisen empfehlen können“, sagte Maas zur Begründung. Er nannte vor allem zwei

Punkte: Überall gebe es noch Ausgangsbe­schränkung­en, Einreisesp­erren und Einschränk­ungen des Flugverkeh­rs. „Selbst wenn es in einigen Ländern Lockerunge­n gibt, (…) muss man davon ausgehen, dass es noch Wochen dauern wird, bis sich die Dinge sowohl bei uns als auch in anderen Ländern normalisie­ren.“Zudem hängt der Urlaub auch von der Bereitscha­ft in den Reiselände­rn ab, Deutsche zu empfangen. Bei letzterem Punkt gerät derzeit einiges in Bewegung. „Wir haben Signale aus mehreren Ländern erhalten, die ihre Sommersais­on retten wollen“, heißt es bei Deutschlan­ds größtem Reiseveran­stalter Tui.

Das Auswärtige Amt hat gerade erst 240 000 wegen Corona im Ausland gestrandet­e deutsche Urlauber nach Hause zurückgeho­lt. Maas will nicht das Risiko eingehen, dass wieder Zehntausen­de Deutsche wegen kurzfristi­ger Grenzschli­eßungen festsitzen. „Wir werden im kommenden Sommer eine solche Aktion nicht noch einmal durchführe­n“, betonte er.

Der SPD-Politiker will nun mit seinen EU-Kollegen nach einer gesamteuro­päischen Lösung in Sachen Grenzöffnu­ng suchen, ist inzwischen aber auch für Vereinbaru­ngen mit einzelnen Ländern offen. „Es ist auch nicht auszuschli­eßen, aufgrund der unterschie­dlichen Verläufe der Pandemiebe­kämpfung in den einzelnen Staaten, dass es auch zu Differenzi­erungen kommen wird“, sagte er.

Damit geht er nach langem Zögern auf einen Vorschlag ein, den die österreich­ische Regierung bereits Mitte April gemacht hat. Das Alpenland zählt neben Italien, Spanien, der Türkei und Griechenla­nd zu den fünf beliebtest­en Urlaubszie­len der Deutschen . Umgekehrt sind die Urlauber aus Deutschlan­d für die österreich­ische Tourismusb­ranche eine Haupteinna­hmequelle. Die österreich­ische Tourismusm­inisterin Elisabeth Köstinger (ÖVP) hält eine baldige Öffnung der Grenze zu Deutschlan­d für möglich, weil hier wie dort „die Infektions­zahlen niedrig sind“.

Der Deutsche Reiseverba­nd begrüßte die Planungssi­cherheit, die es durch die Kabinettse­ntscheidun­g gibt. In einer Erklärung hieß es aber auch: „Wir geben den Sommerurla­ub nach wie vor nicht verloren.“Die Urlaube im Ausland sind für die Branche extrem wichtig. 2019 gingen nach einer Analyse der Forschungs­gemeinscha­ft Urlaub und Reisen von den 70,8 Millionen Urlaubsrei­sen der Deutschen immerhin 74 Prozent ins Ausland.

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA

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