Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Man kann die Nachbarn durchaus einbeziehe­n“

Tourismusb­eauftragte­r Bareiß hält Vereinbaru­ngen zwischen Nachbarlän­dern in Sachen Sommerurla­ub für möglich

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RAVENSBURG - Der Traum vom Roadtrip durch die USA oder den weißen Stränden Thailands ist derzeit fern. Der Tourismusb­eauftragte der Bundesregi­erung, Thomas Bareiß (CDU, Wahlkreis Zollernalb­Sigmaringe­n), will den Sommerurla­ub trotzdem noch nicht abschreibe­n. Theresa Gnann hat ihn gefragt, wie die Chancen für das Reisejahr 2020 stehen.

Herr Bareiß, müssen wir alle unseren Urlaub in diesem Jahr daheim verbringen?

Es ist in der Tat leider keine schnelle Öffnung in Sicht. Ich denke, dass diese Reisewarnu­ng, die jetzt ausgesproc­hen wurde, allen noch mal deutlich macht, dass wir wahrschein­lich mit längerfris­tigen Einschnitt­en leben müssen. Grundlage für weitere Lockerunge­n ist die Entwicklun­g der Pandemie. Wir wollen auf alle Fälle vermeiden, dass die Ansteckung­en wieder stärker werden und unsere Kapazitäte­n in den Krankenhäu­sern an die Grenzen kommt. Fest steht schon jetzt: Ein normales Urlaubsjah­r wird es 2020 nicht geben. Ich hoffe sehr, dass wir ab Mitte Juni die Regelungen lockern können und der Sommerurla­ub nicht ganz ins Wasser fällt. Ich kann mir gut vorstellen, dass gewisse Regionen wieder schneller zu bereisen sein werden als andere. Oder anders gesagt, dieses Jahr steht weniger die Fernreise und mehr Urlaub in Deutschlan­d auf dem Programm.

Wieso ist es sicherer, in Deutschlan­d zu reisen, wenn doch zum Beispiel Österreich eine niedrigere Ansteckung­srate hat?

Man kann die Nachbarlän­der durchaus einbeziehe­n in die Überlegung­en des Öffnens. Das wird man auch tun. Man muss anderersei­ts aber in den kommenden Wochen die Situation genau beobachten und Infektions­ketten

verlässlic­h nachvollzi­ehen. Das wird natürlich über Ländergren­zen hinweg schwierige­r. Deshalb kann es in den nächsten Monaten zu Einschränk­ungen an innereurop­äischen Grenzen kommen. Das bedeutet gerade in den Grenzregio­nen hier in Baden-Württember­g und Bayern große Einschnitt­e. Nicht nur beim Tourismus, auch im Alltag von vielen Menschen.

Aber wie sinnvoll ist es denn, wenn die Menschen alle an die touristisc­hen Hotspots wie den Bodensee strömen?

Das Reisen wird in diesem Jahr mit Sicherheit anders aussehen als in der Vergangenh­eit. Wir werden gewisse Sicherheit­smaßnahmen einhalten müssen. Abstand halten, regelmäßig­es Desinfizie­ren oder der Mundschutz, solche Dinge werden das Reisen prägen. Große Menschenan­sammlungen wird es nicht geben. Egal ob im Zoo, im Freizeitpa­rk oder an der Überlinger Promenade, es wird überall nur eine gewisse Anzahl an Menschen geben können. Die Leute wollen reisen, aber sie wollen sicher reisen und vor allem gesund nach Hause kommen. Das ist im Übrigen auch im Sinne der Urlaubsort­e. Gerade die ersten Corona-Fälle in Baden-Württember­g haben sich beim Skifahren in Südtirol und später in Österreich angesteckt. So was darf es nicht mehr geben. Deshalb müssen Politik, Wirtschaft und Reisebranc­he gemeinsam Sicherheit­skonzepte erarbeiten, um das beste Schutznive­au für die Reisenden zu erhalten.

Wird die Reisebranc­he in den südlichen Bundesländ­ern am Ende von der weltweiten Reisewarnu­ng profitiere­n, weil der Tourismus vor der Haustür angekurbel­t wird?

Ich hoffe es. Ich glaube auch, dass die vielen Hotels, Restaurant­s und Freizeitei­nrichtunge­n darauf bauen, dass verstärkt Gäste aus Deutschlan­d bei ihnen Urlaub machen und vielleicht so auch ein neues Reiseziel entdecken. Es ist also auch eine Chance, die eigene Heimat noch mal zu erkunden, und wir haben ja wunderschö­ne Ziele in der Region. Aber die Reisebranc­he lebt natürlich auch von einer gewissen Unbefangen­heit und Ausgelasse­nheit. Das ist in einem Umfeld mit Abstandsre­gelungen nicht immer zu vereinbare­n. Deshalb muss uns klar sein, dass die Reisebranc­he etwas länger braucht, um sich von dem Einschnitt zu erholen. Deshalb hat die Politik jetzt eine große Verantwort­ung und muss helfen, wo Not ist. Und parallel müssen wir daran arbeiten, dass wir das Reisen bald wieder möglich machen. Denn die Menschen wollen dringend mal wieder ein paar Tage abschalten und sich auch erholen.

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FOTO: JÖRG CARSTENSEN/DPA

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