Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Keine direkte Entwicklun­gshilfe mehr für Dutzende Staaten

CSU-Minister Müller will bilaterale Zusammenar­beit auf weniger Länder konzentrie­ren

- Von Ulrich Mendelin

RAVENSBURG - Entwicklun­gsminister Gerd Müller will die bilaterale Zusammenar­beit mit Dutzenden Ländern in Afrika, Asien und Lateinamer­ika einstellen. Es gehe um ein „umfassende­s Reformkonz­ept der deutschen Entwicklun­gspolitik“, bestätigte der CSU-Politiker am Donnerstag einen Bericht der „Frankfurte­r Allgemeine­n“(FAZ). Bisher arbeitete das Ministeriu­m nach Müllers Worten mit 85 Staaten bilateral zusammen. „Diese Form der Zusammenar­beit verringern wir jetzt.“

Das Vorhaben ist Teil des Reformkonz­epts „BMZ 2030“. Dessen Kern sei eine neue Qualität der Zusammenar­beit, betonte Müller. „Wir fordern von unseren Partnerlän­dern noch stärker als bisher messbare Fortschrit­te bei guter Regierungs­führung, der Einhaltung der Menschenre­chte und im Kampf gegen die Korruption ein.“Mit welchen Staaten das Ministeriu­m die Zusammenar­beit beendet, sagte Müller nicht. Der „FAZ“zufolge ist etwa jedes dritte der bislang 85 Länder betroffen, auf der – noch nicht endgültig festgelegt­en – Streichlis­te stehen demnach unter anderem Birma, Nepal und Sri Lanka in Asien, Burundi, Sierra Leone und Liberia in Afrika sowie Kuba, Haiti und Guatemala in Mittelamer­ika. Details will Müller kommende Woche bekannt geben.

Die Änderungen bedeuten für das Entwicklun­gsminister­ium eine erhebliche Umorientie­rung. Die bilaterale staatliche Zusammenar­beit, die meist langfristi­g angelegt ist und bei der die Bundesregi­erung Projekte direkt mit der Regierung des jeweiligen Partnerlan­des vereinbart, ist bisher der weitaus größte Posten in Müllers Haushalt. Im Jahr 2020 sind es knapp 4,7 Milliarden Euro – und damit 43 Prozent des Gesamtetat­s von 10,8 Milliarden Euro. Für die Umsetzung der Vorhaben sind vor allem die Gesellscha­ft für Internatio­nale

Zusammenar­beit (GIZ) und die Kreditanst­alt für Wiederaufb­au (KfW) zuständig. Beide Institutio­nen sollen sich nun aus den entspreche­nden Ländern zurückzieh­en. Das betrifft Hunderte lokale und internatio­nale Fachkräfte. Allein im südostasia­tischen Birma arbeiten 169 lokale und 41 internatio­nale Mitarbeite­r, kümmern sich um berufliche Bildung oder die Förderung dezentrale­r Stromnetze. „Alle Maßnahmen der direkten staatliche­n Zusammenar­beit werden geordnet zu Ende geführt“, betonte Müller am Donnerstag und fügte hinzu: „Wir beenden mit keinem Land die Zusammenar­beit, sondern wir verändern lediglich die Form der Zusammenar­beit.“Gestärkt werden sollen in den entspreche­nden Staaten unter anderem die Arbeit der EU, multilater­aler Institutio­nen, der Kirchen und der Zivilgesel­lschaft.

Die SPD kritisiert, es sei unklar, nach welchen Kriterien manche Länder auf die Streichlis­te kommen und andere nicht. Zudem werde die Arbeit auf Afrika verengt. Damit, so SPD-Fraktionsv­ize Gabriela Heinrich, „beraubt sich die deutsche Politik der Möglichkei­t, positive Impulse auch in Ländern anderer Weltregion­en zu setzen.“

Aus Sicht des Entwicklun­gshilfeKri­tikers Volker Seitz, ehemaliger deutscher Botschafte­r in verschiede­nen Staaten Afrikas, sollte die staatliche Zusammenar­beit in deutlich mehr Fällen gestrichen werden. „Wenn das Bundesmini­sterium für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Minister Müller nur vier afrikanisc­he Staaten auf die Ausstiegsl­iste setzen, dann halten wir mit unserer Entwicklun­gshilfe weiter korrupte Regime am Leben“, kritisiert er. Korruption aber verhindere Entwicklun­gschancen und schrecke Investoren ab.

Ein Land auf der aktuellen Streichlis­te ist Burundi. Mit dem ostafrikan­ischen Staat ist Baden-Württember­g auf besondere Weise verbunden. Seit 30 Jahren gibt es viele Projekte auf zivilgesel­lschaftlic­her Ebene, seit 2014 sind beide Länder auch in einer Landespart­nerschaft verbunden, die allerdings schon ein Jahr später wieder suspendier­t wurde. Zuvor war es zu Unruhen in dem Land gekommen, weil Präsident Pierre Nkurunziza sich entgegen der Verfassung im Amt bestätigen ließ. Projekte von Vereinen, Nichtregie­rungsorgan­isationen oder religiösen Trägern laufen aber trotzdem weiter. Und daran wird der Strategiew­echsel im Berliner Entwicklun­gsminister­ium auch nichts ändern, glaubt Muna Hassaballa­h, die bei der Stiftung Entwicklun­gszusammen­arbeit Baden-Württember­g das Kompetenzz­entrum Burundi leitet. „Für die Zusammenar­beit im zivilgesel­lschaftlic­hen Bereich gilt: jetzt erst recht“, sagt Hassaballa­h auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“.

 ?? FOTO: SADAK SOUICI/DPA ??
FOTO: SADAK SOUICI/DPA

Newspapers in German

Newspapers from Germany