Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Steuergeld für Autobauer
Industrie verlangt Kaufprämie für Neuwagen
FRANKFURT - Wie stark die Autohersteller in der Krise leiden, zeigten am Mittwoch die Geschäftszahlen von Daimler und Volkswagen für die ersten drei Monate des Jahres: Zwar konnten beide Vorzeigekonzerne der deutschen Schlüsselindustrie noch Verluste vermeiden. Das dürfte aber spätestens mit Präsentation der Halbjahreszahlen vorbei sein. Denn dann schlagen der Lockdown ihrer Produktion, die geschlossenen Autohandelshäuser und die fehlenden Zulieferteile von Produzenten aus anderen Ländern wie Italien erst voll durch. Volkswagen-Finanzchef Frank Witter kündigte rote Zahlen für das zweite Quartal an, Daimler sieht auch rot. „Es wird ein schwieriges Quartal", sagte Daimler-Vorstandschef Ola Källenius.
Nun hoffen die Autobauer auf Hilfen des Staates – in Form einer Neuauflage der Abwrackprämie. Die gab es während der letzten Finanzkrise 2009: Ein Zuschuss zum Neukauf eines Autos, damit man das alte auf den Schrotthaufen der Krise werfen konnte. 2500 Euro winkten den verschrottungswilligen Konsumenten. Innerhalb weniger Monate waren die dafür eingeplanten fünf Milliarden Euro aufgebraucht.
Bei Volkswagen stößt das Modell naturgemäß auf fruchtbaren Boden. Man werde sich dafür starkmachen, „dass die Politik Geld für diesen Impulsstoß bereitstellt“, erklärte VWBetriebsratschef Bernd Osterloh in einem Brief an die Mitarbeiter. Man wisse zwar, dass man damit nach Steuermitteln rufe. „Aber wir wissen auch, dass sich dieses Geld für unsere gesamte Gesellschaft klug anlegen ließe und sich so gleich mehrfach rechnen könnte“, fügte der Betriebsrat hinzu.
Denn, so eines der Argumente: Als Schlüsselindustrie hängen nicht nur Zulieferer an den Verkaufszahlen der Hersteller. Auch ganze Branchen wie die chemische oder die Stahlindustrie machen einen guten Teil ihrer Umsätze mit den Autokonzernen. Deswegen hängen Schätzungen zufolge rund 800 000 Arbeitsplätze direkt an der Autoindus-trie. Mit anderen Branchen sind es noch einige mehr.
Eine Neuauflage der altbewährten Abwrackprämie allerdings stößt heute wie damals nicht nur auf Gegenliebe. Ein noch fahrendes Auto zu verschrotten, um sich ein neues zuzulegen, ist ökologisch zumindest zweifelhaft. Nach der gesellschaftlichen Diskussion um die Bekämpfung des Klimawandels umso mehr. So stellte auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) klar, dass es aus seiner Sicht eine Rückkehr zum alten Modell nicht geben werde. Man brauche innovative Lösungen, damit der CO2-Ausstoß sinke. Es werde folglich darum gehen, die Branche auf ihrem Weg zu nachhaltigerer Mobilität zu unterstützen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte in dieser Woche, mögliche Konjunkturprogramme müssten den Klimaschutz „ganz fest im Blick“haben.
Das sagt die Autoindustrie auch, meint damit aber etwas anderes. So forderte der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) am Mittwoch eine Kaufprämie nicht nur für Elektro- und Hybridautos, sondern auch für Diesel- und Benzinfahrzeuge. Auch moderne Verbrennungsmotoren lieferten einen „erheblichen Beitrag für Umwelt- und Klimaschutz", sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller im Deutschlandfunk.
Umweltschutzorganisationen kritisieren diesen Ansatz und die Sichtweise. „Als Antwort auf die CoronaKrise darf es keine Neuauflage der Abwrackprämie von 2009 geben“, sagte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. „Jegliche Unterstützung für die Autobranche muss an Verpflichtungen zu echten CO2-Reduktionen der Fahrzeugflotten gekoppelt sein.“
Umwelt- und einige Verkehrsverbände fordern daher statt einer autozentrierten Abwrack- eine „Mobilitätsprämie“. Damit solle man zum Beispiel auch E-Bikes oder Abos fürs Bahnfahren kaufen können, erklärte der Allgemeine Deutsche FahrradClub (ADFC) als Initiator eines entsprechenden Aufrufs.
Auch einige Ökonomen fordern die Verknüpfung solcher Hilfen aus öffentlichen Geldern mit dem gesellschaftlichen Ziel der CO und Schadstoffreduktion. „Ich wundere mich schon, dass man das nicht miteinander verknüpfen, sondern reflexhaft die Fehler der Vergangenheit wiederholen will“, sagte die Wirtschaftsprofessorin Claudia Kemfert vom Deutschen Insitut für Wirtschaftsforschung. „Wenn man schon den Staat um Hilfe bittet, dann muss man auch in Richtung Klima und Umwelt denken.“